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Zu Besuch bei der Frau in Rot

Bei „Nachts im Museum“ werden Kunstwerke im Museum am Dom lebendig – Kinder gehen mit Taschenlampen auf Entdeckungstour – Begegnung mit einer Kellnerin und einem Dienstmädchen: „Manchmal ist mir im Bild so langweilig“

Würzburg (POW) „Ich freue mich so, dass Ihr da seid!“ Die blonde Frau im roten Kleid erhebt sich von ihrem Stuhl und geht auf die Kinder zu. Sie heiße Sandra und sei Kellnerin, erzählt sie. Aber heute sei ihr freier Tag und sie sei ganz alleine. „Habt Ihr Lust zum Reden?“ Vor dem Gemälde „Der Würfel“ von Paulis Postažs steht ein gedeckter Tisch, mit Gläsern und einer Schale mit Kirschen – genauso wie auf dem Bild. Ganz schnell finden die Kinder auch die blonde Frau in dem Gemälde: In der linken Hälfte steht sie, zwischen zwei Gästen. Es ist wieder „Nachts im Museum“ im Würzburger Museum am Dom. Für eine Stunde werden die Menschen in den Kunstwerken „lebendig“ und unterhalten sich mit den Besuchern. 17 Mädchen und Jungen im Alter von vier bis neun Jahren erkundeten mit ihren Eltern und Großeltern am Donnerstagabend, 2. August, gemeinsam mit Museumspädagogin Dr. Yvonne Lemke im Schein von Taschenlampen das Museum.

Manchmal sei ihr sehr langweilig, verrät Sandra Miara-Hegent den Kindern. „Die Menschen im Bild sind ja alle ein bisschen mit sich selbst beschäftigt.“ Normalerweise führt sie Gruppen durch das Museum, heute ist sie selbst in eine Figur aus dem Gemälde geschlüpft. Viele der Menschen im Bild kämen aus fremden Ländern, erzählt sie und zeigt den Mädchen und Jungen ein Schiff, das im Fenster in der linken Hälfte zu sehen ist. „Habt Ihr schon mal mit Menschen aus anderen Ländern gesprochen?“ Schon hat sie die Kinder in ein Gespräch verwickelt. Die Jungen und Mädchen erzählen, wohin sie in den Sommerferien fahren und was sie gerne spielen. Die Schale mit Kirschen macht die Runde. Auch die Menschen im Bild naschen Kirschen und spielen, auf dem Tisch liegen einige Würfel. „Die spielen Kniffel!“, ruft ein Junge. Die Kinder erklären Sandra noch, wie man das spielt. Dann ist es Zeit, Abschied zu nehmen. „Ich freue mich so, dass Ihr heute gekommen seid!“, ruft sie den Kindern hinterher.

Die knipsen ihre Taschenlampen an, denn nun geht es mitten hinein in das dunkle Museum. Kichernd und tuschelnd bewegen sich die Besucher zwischen den Ausstellungsstücken hindurch. Im flackernden Schein der Lampen wird für Bruchteile von Sekunden mal ein Arm, mal eine Nase, mal ein Bildausschnitt sichtbar. „Was hat denn der in der Hand?“, ruft Lemke plötzlich und leuchtet auf eine überlebensgroße, bunte Gestalt. Neugierig kommen die Kinder näher und beleuchten die Skulptur von allen Seiten. Einen Wanderstab, sind sie sich schnell einig. „Genau, das ist ein Wanderer. Ein Pilger“, erklärt die Museumspädagogin. „Als Pilger hat man ein Ziel und lässt dabei ganz viele Dinge hinter sich.“ Deshalb sei die Skulptur „Der Pilger“ von Antonius Höckelmann auch aus ganz vielen Dingen gemacht, die man sonst im Müll findet. Draht, Holz, Schnüre, Stoff und ganz viel bunte Farbe entdecken die Kinder. Und ein „komisches helles Zeug“ – den Kleister, der alles zusammenhält.

Wieder geht es um einige Ecken. Vor einem Bild sitzt eine junge Frau in einem altmodischen Kleid auf einem Teppich. Auf dem Kopf trägt sie einen schlichten Strohhut. „Hab‘ ich ein Glück, heute da rauszukommen!“, ruft sie und deutet hinter sich auf eine leere Stelle im Gemälde. Sie sei das Dienstmädchen Rosa und habe für heute ihre Arbeit erledigt. Rings um die Stelle, an der eigentlich Rosa sein sollte, sind viele schlafende Menschen zu sehen. „Das sind alles Menschen aus meinem Dorf“, erzählt sie. „Aber woher kommen die vielen Sachen am Himmel?“, wundert sie sich über den oberen Teil des Bildes. Denn über den schlafenden Menschen fliegt ein Hubschrauber, schwebt ein Astronaut. Auch einen Satelliten entdecken die Kinder.

Mitten unter den Schläfern sieht ein Mann mit hellwachen Augen direkt auf die Besucher. Das sei der Künstler Werner Tübke, der das Bild „Mahnung“ gemalt habe, erklärt Lemke den Kindern. Tübke stamme aus der ehemaligen DDR. Dort habe man nicht einfach lernen dürfen, was man wolle. Den Menschen sei genau gesagt worden, was sie zu tun und zu lassen haben. „Bis hin dazu, auf welche Schule sie gehen sollen“, erzählt Lemke. Sie habe als Kind nur Lesen und Schreiben gelernt, schaltet sich Rosa ein: „Ihr könnt heute so viel lernen.“ Rosa heißt in Wirklichkeit Regina Kiss und gibt Führungen im Museum am Dom. „Es ist echt schön, wenn die Kinder um die Ecke kommen und sehen, dass da jemand sitzt“, erzählt sie. In ihrer Rolle als Dienstmädchen habe sie den Kindern auch deutlich machen wollen, dass sie heutzutage viele Möglichkeiten zum Lernen haben und diese auch nutzen sollten. Die fiktive Rosa habe diese Chance nicht gehabt.

Der Film „Nachts im Museum“ habe zu der Veranstaltungsreihe inspiriert, erzählt Lemke. „Wir fanden die Idee ganz toll, bei den Führungen die Kunstwerke zum Leben zu erwecken.“ Seit der ersten Veranstaltung in den Osterferien schlüpfen die Museumsführer in den Schulferien regelmäßig in die Rolle einer Person aus der Ausstellung – als Pilger, Dienstmagd, Kellnerin. „Man kann wunderbar die Phantasie spielen lassen“, sagt Lemke. Heute ist bereits die dritte Führung dieser Reihe, und jedes Mal würden andere Figuren „lebendig“.

Die Führung endet wieder da, wo sie vor rund einer Stunde begonnen hat: am großen „Globus“ von Thomas Virnich. Dort hatten die Kinder Tierfotos den richtigen Kontinenten zugeordnet und unterschiedliche Gewürze erschnuppert. „Hat es Euch ein bisschen gefallen?“, fragt Lemke in die Runde. „Ja!“, rufen die Kinder. Als Erinnerung bekommt jeder – auch die Erwachsenen – einen bunten Button mit der Aufschrift „Nachts im Museum – Ich war dabei“. Das Dienstmädchen Rosa ist den Kindern bis ins Foyer gefolgt und begleitet sie zum Ausgang. Das Museum verlassen darf sie natürlich nicht. „Und was machst Du heute noch?“, ruft Lemke ihr zu. Rosa strahlt. „Ich schaue mir die anderen schönen Sachen im Museum an.“

Die Veranstaltung „Nachts im Museum“ am 6. September ist bereits ausgebucht. Der nächste Termin ist in den Herbstferien am Samstag, 3. November, um 17 Uhr. Eine Familienkarte für zwei Erwachsene mit Kindern kostet sechs Euro, für einen Erwachsenen mit Kindern drei Euro. Dazu kommen pro Person jeweils ein Euro Führungsentgelt. Anmeldung unter Telefon 0931/38665600.

sti (POW)

(3318/0799; E-Mail voraus)

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