Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Dokumentation

Die Kardinaltugenden als Entscheidungshilfe

Grußwort von Bischof Dr. Franz Jung beim Festakt zu 50 Jahren Rätearbeit im Bistum Würzburg am Freitag, 12. Oktober 2018, im Würzburger Neumünster

Die Anfrage ging an mich, noch einmal zum Rätejubiläum ein Grußwort an Sie zu richten. Dem komme ich gerne nach.

Ich möchte Ihnen und allen seit 50 Jahren in den Räten Engagierten danken für Ihr großes Engagement für Ihre Gemeinden und für unser Bistum, für die Zeit, die Nerven, aber auch für ein gerüttelt Maß an Frustrationstoleranz, was man in der Rätearbeit benötigt bei Konflikten, nicht umgesetzten Beschlüssen, Blockaden selbst und fremdverschuldet et cetera. Das ist keine Selbstverständlichkeit und dafür dürfen wir als Bistumsleitung und ich als Bischof dankbar sein.

In vier Punkten gemäß den vier Kardinaltugenden möchte ich Ihnen mitgeben, was mich beschäftigt im Blick auf die neuen Räte und auf die strukturellen Veränderungen, die in unserem Bistum bereits am Laufen sind und die jetzt auf eine Entscheidung drängen.

1. Maß halten – Verbesserung der Kommunikation zwischen den Ratsmitgliedern und der Gemeinde

Ein erster zentraler Punkt lautet für mich Kommunikation. Damit meine ich die Kommunikation zwischen Bistumsleitung und den Gemeinden. Mehr noch aber meine ich damit die Kommunikation zwischen den Mitgliedern der Räte und den Gemeinden oder dem Diözesanrat und den Katholiken im Bistum. Ich habe in den Veränderungsprozessen in den Diözesen der vergangenen Jahre einen erheblichen Bruch in der Kommunikation beobachtet. Die in den Räten Engagierten verfügten oft über alle relevanten Informationen und beteiligten sich rege an den anstehenden Diskussionen zur Lösung der aktuellen Probleme. Aber es war immer schwer, den Rest der Gemeinde miteinzubeziehen oder das Interesse zu wecken für die Herausforderungen, an denen man sich abarbeitete.

Einerseits gab es die, die sagten, mich interessieren eure Planungen nicht. Mich interessiert als Endverbraucher nur, ob die Angebote bleiben, die ich wahrnehme oder auf die ich mich bisher verlassen habe. Andererseits gab es die, die alle Veränderungen insgesamt ablehnten und damit auch die Prozesse. Maßhalten heißt, einander nicht zu überfordern, aber zugleich den Kontakt zueinander nicht abreißen zu lassen.

Ich bitte Sie heute: Lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie die Kommunikation gut laufen kann und wie es möglich ist, viele auf den Weg mitzunehmen.

2. Klugheit – Die Zeichen der Zeit erkennen

Unser Bistum ist ein stark ländlich geprägtes Bistum. Im Blick auf anstehende Veränderungen der Strukturen werden auch Ängste wach. Es sind berechtigte Ängste um den Verlust der geistlichen Heimat. Wie sagte neulich jemand zu mir: Alle sind sie gegangen, der Bäcker, der Metzger, die Post, die Sparkasse – jetzt geht auch noch die Kirche. Da müssen wir gegensteuern, so darf das nicht weitergehen. Ich konnte die Not gut nachvollziehen und weiß um die Sorge, dass Kirche – wie auch immer – im Dorf bleibt.

Allerdings machte mich die Wortwahl vom Gegensteuern hellhörig. Ich gab zu bedenken, ob es denn nicht Gründe habe, dass die anderen gegangen sind. Denn offenbar ist das doch ein Indikator dafür, dass das Leben woanders spielt. Daher kommt es nicht so sehr darauf an, gegenzusteuern. Die Frage im Sinne der Klugheit wäre vielmehr: Wenn sich das Leben woanders hin verlagert, wo sind dann die Punkte, an denen man die Menschen trifft und das Evangelium verkünden kann? Wie wirkt sich diese Veränderung auf unser Tun aus? Für das Gelingen von „Pastoral der Zukunft“ wird es genau darauf ankommen.

3. Tapferkeit – Räte und ihre Kompetenz in schwierigen Zeiten

Wer in diesen Tagen in einen Rat gewählt wird, sei es auf Pfarr- oder auf Bistumsebene, kommt in spannende Zeiten. Denn Beratungen über die Zukunft des Bistums bringen es sicher auch mit sich, dass Entscheidungen gefällt werden, die nicht allen gefallen. Das haben Veränderungsprozesse so an sich. Es ist in den seltensten Fällen so, dass alle mitgenommen werden können. Damit muss man leben. Dennoch verlangt das auch den Räten einigen Mut ab und die Bereitschaft, auch unangenehme Dinge auf den Weg zu bringen. Oft habe ich erlebt, dass die Räte dann sagten: Oh, das soll nicht mit uns nach Hause gehen, dafür muss Würzburg oder die Bistumsleitung oder eben der Bischof den Kopf hinhalten. Klerikalismus von unten. Ich bitte Sie heute, tapfer und mutig zu sein. Gemeinsam wollen wir alle Dinge beraten, aber sie müssen dann auch gemeinsam getragen werden, jeder auf seiner Ebene.

4. (Teilhabe-)Gerechtigkeit – Rückgang der Anzahl von Kandidatinnen und Kandidaten und von Wählerinnen und Wählern

Seit Jahren verzeichnen die Wahlen in den deutschen Bistümern einen deutlichen Rückgang, was die Anzahl der Kandidaten anbelangt, aber auch die Anzahl der Wähler. Das hat sicher viele Ursachen, wie beispielsweise die Vergrößerung der Räume, Veränderung des Ehrenamtes, Frustration über mangelnde Gestaltungsspielräume et cetera. Ich bin froh und dankbar, dass ich aus vielen Räten höre, dass die Wahlen zu den Pfarrgemeinderäten gut verlaufen sind und teilweise sogar eine Verjüngung stattgefunden hat.

Nichtsdestotrotz meine ich, wir müssten überlegen, wie die Partizipation von Menschen im Sinne der Teilhabegerechtigkeit gestaltet werden kann, die sich nicht in der Lage sehen, in einen Rat zu gehen. Das hängt auch von der Arbeitsweise ab, ob es über projektbezogenes Arbeiten gelingt, Menschen temporär einzubinden und ihnen einen Platz in unseren Gemeinden zu geben.

Anhand der vier Kardinaltugenden habe ich vier Probleme aktueller Rätearbeit umrissen. Für die kommende Arbeitsperiode wünsche ich uns konstruktive Zusammenarbeit und Gottes Segen für unser gemeinsames Planen und Tun.