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Lebensqualität bis zum Schluss

Interdisziplinäre Zusammenarbeit von Palliativmedizin und Hospizarbeit – Körperliche, seelische, spirituelle und soziale Bedürfnisse der Patienten werden behandelt – Sterben und Tod immer noch gesellschaftliches Tabuthema

Schweinfurt/Würzburg (POW) Bayern ist hinter Nordrhein-Westfalen das Bundesland mit den meisten Palliativstationen. Trotzdem ist das Thema Tod und Sterben noch immer ein gesellschaftliches Tabu. „Wir sind ein Ort, an dem Leiden und Beschwerden gelindert werden und Lebensqualität somit wieder ermöglicht wird. Hier gibt es für den Patienten Raum und Zeit, um sich über seine Ängste, Lasten und Wünsche klar zu werden“, erklärt Dr. Susanne Röder, Chefärztin der Palliativstation des Sankt Josef Krankenhauses in Schweinfurt. „Das stationäre Team aus Ärzten, Pflegekräften und Therapeuten wird durch die intensive Zusammenarbeit mit ambulanten Hospizeinrichtungen und -angeboten ergänzt.“

Erst im Jahr 1983 entstand in Köln Deutschlands erste Palliativstation, 1986 dann das erste Hospiz in Aachen. 2001 richtete das Juliusspital in Würzburg eine eigene Palliativ- und Hospizversorgung ein und brachte die Disziplin damit nach Unterfranken. Ein Jahr später etablierte Röder die Palliativmedizin in einer weiteren Stadt in der Region.

Die Palliativversorgung ist ein Teil der Sterbebegleitung. Sie richtet sich an unheilbar und schwerstkranke Menschen. Ihr Ziel ist die würdevolle, bedürfnisorientierte, schmerzlindernde Behandlung der Patienten auf körperlicher, seelischer, spiritueller und sozialer Ebene. Auf der Palliativstation des Sankt Josef Krankenhauses bleiben die Patienten in der Regel zwei Wochen, um danach entweder nach Hause, ins Pflegeheim oder ins Hospiz entlassen zu werden, erklärt Röder. „Wir entscheiden uns gemeinsam mit dem Patienten für eine ‚Therapiezieländerung‘: Das Ziel ist dann nicht mehr die Heilung, sondern die Linderung. Aktive Lebenshilfe statt aktiver Sterbehilfe.“ Die palliative Grundhaltung habe die würdezentrierte Behandlung im Blick. Es gehe um Lebensqualität bis zum Schluss. Um für alle Beteiligten einen Abschied in gewohnter Umgebung zu ermöglichen, ist eine Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen nötig.

Der Theologe Wolfgang Engert, Vorsitzender des Würzburger Hospizvereins, schätzt die Offenheit der Hospizarbeit: „Wir sind ein ganz gemischtes Team, in dem jeder seine individuellen Begabungen einbringt. Dadurch sind vielfältige Einsatzbereiche möglich.“ Beim Hospizverein können sich Betroffene melden, die im Sterben oder in ihrer Trauer begleitet werden wollen. „Unsere Hospizbegleiter sind entweder auf einer Palliativstation, in einem stationären Hospiz oder der ambulanten Hospizarbeit tätig. Ambulant begleitet einer unserer Ehrenamtlichen die Person dann im Pflegeheim, im Krankenhaus oder zuhause.“ Diese enge Betreuung könne über längere Zeit gehen oder schon nach einigen Tagen vorbei sein, weil die Person dann gestorben sei, erklärt Engert.

„Die Betreuten schaffen es oft nicht, die Hilflosigkeit auszuhalten, die viele Sterbende spüren.“ Sie dabei zu unterstützen und ihnen zu helfen, loszulassen, sei Arbeit der Hospizversorgung, erklärt Engert. Oft seien es aber auch die Angehörigen, die das Sterben nicht wahrhaben wollen. Das könne belastend für alle Beteiligten sein. „Oft antworten Menschen auf die Frage, was sie sich als Sterbender wünschen würden, nicht alleine zu sein.“ Doch wenn es soweit ist, seien die meisten alleine, weil über das Thema Tod und Sterben nicht gesprochen werde. „Man lässt die Menschen zuerst den sozialen Tod sterben“, sagt Engert. „Eine unserer Aufgaben ist es, Kommunikation zwischen den Patienten und den Angehörigen zu ermöglichen.“

Auch die Palliativmedizin sei über die medikamentöse Behandlung hinaus eine „sprechende“ Disziplin, erklärt Röder. „Alle hier im Team stehen für Gespräche zur Verfügung. Letztlich geht es darum, die Ressourcen und Kraftquellen des kranken Menschen herauszufinden und darauf aufzubauen.“ Oft schenke Glaube und Spiritualität den schwerstkranken, meist unheilbaren Menschen die Stütze, um ihre wahrgenommene Perspektivlosigkeit zu ertragen und loslassen zu können. Auch Engert weiß, dass eine Art Religiosität den Sterbenden helfen kann: „Spiritualität ist ganz zentral. Dabei respektieren wir die Selbstbestimmung jedes Menschen und seine Entscheidung für einen Glauben. Wir versuchen, jedem Menschen seinen individuellen Wunsch danach zu erfüllen.“

Der Begriff „loslassen“ mache vielen Angehörigen Angst. Doch er dürfe nicht im Sinne von „fallen lassen“ verstanden werden, sondern im Sinne eines davonfliegenden Luftballons, erklärt Röder. „Was die Patienten oft am Loslassen hindert, ist die Angst um die Trauer der Angehörigen, die zurückbleiben.“ Um solche Situationen zu vermeiden, müsse das Thema Sterben und Tod aus dem gesellschaftlichen Tabu ins Gespräch geholt werden. „Wir bieten verschiedene Rituale an, um die Sterbenden und Trauernden zu begleiten. Wir versuchen so natürlich wie möglich mit dem Tod umzugehen“, sagt Röder.

Wie schaffen die Ärzte, Pflegekräfte und Betreuer es, die schweren Schicksale und die Trauer zu ertragen? „Solange ich selber gerne lebe, kann ich als Hospizbegleiter das Leid ertragen und Stütze sein“, sagt Engert. Annemarie Heiss, auch ehrenamtliche Hospizbegleiterin, weiß, dass Selbstreflexion und Abgrenzung wichtig sind, um die Menschen in der ambulanten Hospizarbeit unterstützen zu können. Es gehe in der Begleitung um Mitgefühl, nicht um Mitleid. „Bei den vielen Schicksalen, die man erlebt, nimmt man sich selbst nicht mehr so wichtig“, erzählt sie. Als Hospizbegleiter müsse man seine eigene Überzeugung hintan stellen und sich fragen: Was will dieser Mensch, was ich für ihn tun soll? Trauer sei manchmal böse zu ertragen, sagt Engert und weiß: „Alles was wir machen ist kostenlos, aber bestimmt nicht umsonst.“

Stichwort: Palliativ- und Hospizversorgung

Palliativmedizin und Hospizdienste begleiten den Menschen ganzheitlich, damit ein natürliches und würdevolles Sterben möglich ist. Die soziale, spirituelle und seelische Verfassung sowohl der Patienten als auch der Angehörigen ist den Ärzten, Pflegekräften, Therapeuten, Seelsorgern und Begleitern ein Anliegen. Palliativstationen leisten dabei eine ganzheitliche stationäre Versorgung.

Die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV) stellt im ambulanten Bereich eine Versorgung in der Schmerztherapie, Symptomkontrolle und psychosozialen Unterstützung zur Verfügung. Ehrenamtliche Hospizdienste sorgen durch menschliche Nähe sowohl stationär als auch ambulant für eine seelische Begleitung. Darüber hinaus bildet das sogenannte Brückenteam eine Verbindung zwischen den Palliativstationen und der ambulanten Versorgung der Patienten.

Weitere Informationen unter www.dgpalliativmedizin.de, www.hospizverein-wuerzburg.de, www.josef.de, Menüpunkt Medizin, und www.juliusspital.de, Menüpunkt Palliativ- und Hospizzentrum.

ch (POW)

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