Würzburg (POW) Pastoralreferentin Christine Endres (56), Leiterin des Bereichs Diakonische Pastoral/Sonderseelsorge, ist seit März 2018 Sprecherin der Bundeskonferenz Behindertenseelsorge. Was die Besonderheiten der pastoralen Arbeit mit Menschen mit Behinderung sind und welche Ziele sie sich für die Amtszeit gesteckt hat, erläutert Endres im folgenden POW-Interview.
POW: Welche Anliegen möchten Sie als Sprecherin der Bundeskonferenz Behindertenseelsorge besonders in den Blick nehmen?
Christine Endres: Zusammen mit dem Sprecher-Kollegen, Diakon Thomas Schmidt aus Augsburg, möchte ich Ansprechpartnerin und Sprachrohr sein für die Behindertenseelsorgerinnen und -seelsorger in Deutschland – wegen der großen Zahl vermutlich vorwiegend für die Diözesanreferentinnen und
-referenten der Behindertenseelsorge in den einzelnen Diözesen. Wir wollen die vier Sparten gut und gleichmäßig vertreten: hörgeschädigte Menschen, sehgeschädigte Menschen, geistig behinderte Menschen und psychisch behinderte Menschen. Dabei verstehen wir uns als Anwälte der Anliegen von Menschen, die selbst nicht oder kaum ihre Stimme erheben können. Wir wollen beitragen zur Bewusstseinsbildung in Kirche und Gesellschaft. Denn „es ist normal, verschieden zu sein“. Sich einzusetzen für Menschen mit Behinderung ist für uns ein unverzichtbarer diakonischer Dienst der Kirche. Außerdem sind wir die Ansprechpartner für die Deutsche Bischofskonferenz (DBK). Wir werden der DBK und einzelnen Kommissionen zuarbeiten, wenn es um Themen aus diesem Bereich der Seelsorge geht, und wir werden die Informationen aus der DBK an die Kolleginnen und Kollegen in den Diözesen weitergeben.
POW: Was unterscheidet die Seelsorge für Menschen mit Behinderung von der allgemeinen Seelsorge?
Endres: Diese unterscheiden sich auf den ersten Blick sehr. Gehörlose Menschen sprechen zum Beispiel die Gebärdensprache, von der ich nur ein paar wenige Gesten kann. Wer hat dann das Kommunikationsproblem? Blinde Menschen brauchen andere Medien, von Braille-Schrift über Hörbücher bis hin zum Blindenstock und gelegentlich einfach eine hilfreiche Hand. Geistig behinderte Menschen sind oft sehr direkt in ihren Sympathie- oder Antipathiebekundungen und fordern uns Akademiker dazu auf, Dinge auf den Punkt zu bringen und in der so genannten leichten Sprache zu formulieren. Grundsätzlich wollen wohl alle Frauen und Männer in der Seelsorge eine Sprache finden, mit der wir verstanden werden und in der wir verstehen können. Das geschieht auf Augenhöhe, ohne dass Inhalte banalisiert und Menschen nicht ernst genommen werden. Behinderte Menschen sind da wunderbare Lehrerinnen und Lehrer und geben schnell ein Feedback.
POW: Und was unterscheidet die Behindertenseelsorge bei näherer Betrachtung?
Endres: Auf den zweiten Blick ist Seelsorge mit behinderten Menschen gar nicht so anders. Seelsorger wollen für die Menschen in ihren unterschiedlichen Befindlichkeiten und Lebenssituationen da sein, sie wollen begleiten und unterstützen. Sie wollen ihre eigenen Erfahrungen mit Gott und den Menschen unaufdringlich anbieten. Und sie wollen von anderen deren Erfahrungen hören. Im Umgang mit behinderten Menschen und ihren Angehörigen habe ich da schon oft Lebensgeschichten gehört, die mich tief beeindruckt haben. Dass das Ernstnehmen in Kirche und Gesellschaft vorankommt, auch dafür treten wir ein. Die Umsetzung der UN-Behindertenkonvention, die Deutschland bereits 2011 unterzeichnet hat, steht noch an. Da wird es viel Überzeugungsarbeit brauchen. Und gerade die Kirche sollte da nicht hinterherhinken. Lobbyarbeit und Anwaltschaft sind wesentliche Aufgaben der Behindertenseelsorge.
POW: Welches Ziel möchten Sie am Ende Ihrer Amtszeit idealerweise erreicht haben?
Endres: Meine Amtszeit wird erstmal drei Jahre dauern. Da ich ein realistischer Mensch bin, setze ich mir realistische Ziele. Eins davon ist, die Strukturen in der Bundeskonferenz weiter auszubauen. Informationen müssen schnell und zuverlässig fließen – von der DBK zu den Sprechern und zu den Diözesanreferentinnen und -referenten und umgekehrt. Ich möchte an dem bereits vorhandenen Netzwerk weiter bauen und Auskunft geben können, wer für welche Frage Fachmann oder Fachfrau ist und bei der Beantwortung helfen kann. Mein Kollege Schmidt ist schon länger Sprecher, wir werden uns dabei gut ergänzen. Ganz nach dem Motto: „Neue Besen kehren gut, aber die alten kennen die Ecken."
Interview: Markus Hauck (POW)
(1418/0367; E-Mail voraus)
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