Würzburg (POW) „Bitte berühren!“ steht unter der Skulptur aus schwarzem Marmor geschrieben. Die weichen, geschwungenen Formen laden förmlich dazu ein. Unter den Händen fühlt sich der Marmor kühl und anschmiegsam an. Die Durchbrüche verführen dazu, noch tiefer in die Struktur einzudringen. Die Skulpturen von Albert Schilling (1904-1987) zeichnen sich häufig durch eine Weichheit aus, die vergessen lässt, dass es sich um Marmor und andere Hartgesteine handelt. Mehr als 80 Werke des Schweizer Bildhauers werden bis 13. September in den beiden Untergeschossen des Museums am Dom in Würzburg gezeigt – vier davon dürfen berührt werden. Mit Würzburg verbindet den Künstler eine besondere Beziehung: Von 1963 bis 1972 konzipierte und gestaltete er den Altarraum und den Chor der Kathedrale. „Der Kiliansdom ist sein sakrales Hauptwerk“, sagte Domkapitular Dr. Jürgen Lenssen, Kunstreferent der Diözese Würzburg, bei einer Presseführung am Dienstag, 12. Mai.
Die Entwürfe, die Schilling für den Kiliansdom anfertigte, sind ein Schwerpunkt der im Zwischengeschoss ausgestellten Arbeiten. Hier finden sich unter anderem die Modelle für den Hauptaltar und das Sakramentshaus, aber auch für die Ornamente im Hochchor. Ein kleines Selbstbildnis zeigt den Künstler in einem langen Arbeitskittel, so vertieft, als würde er den Stein vor sich nicht bearbeiten, sondern ein Zwiegespräch mit ihm führen. Eine Gruppe aus drei Werken macht anschaulich, wie sich das Schaffen Schillings in den Jahren von 1937 bis 1964 verändert hat: von der „Verkündigung“ mit den deutlich erkennbaren figürlichen Gestalten von Maria und dem Engel bis hin zur abstrakten „Dreifaltigkeit“, die aus drei ineinander verschlungenen Dreiecken besteht.
Ein wichtiges Motiv bei Schilling sei die „bergende Form“, erklärte Kurator Dr. Wolfgang Schneider. So scheinen die konkaven Formen der „Madonna“ (1955) den Raum schützend zu umschließen, ebenso wie bei den „Vas spirituale“ betitelten Marmorskulpturen aus den 1970er Jahren. In seinen späteren Werken arbeitete Schilling vornehmlich mit den inneren Strukturen des Marmors, die er in geometrischen Formen sichtbar machte. „Es geht Schilling darum, dem nachzugehen, was den Materialien innewohnt. Er schafft Räume und Durchblicke“, erklärte Lenssen. In Zitaten und Gedichten des Künstlers, die in Auszügen an den Wänden im Untergeschoss zu lesen sind, erklärt Schilling unter anderem sein Verhältnis zu seinen Kunstwerken. „Ganz euch selber genug wähnte ich euch und entlassen für immer“, heißt es beispielsweise. „Er arbeitete so lange an einem Objekt, bis er merkte, dass es ihn nicht mehr braucht“, erklärte Kurator Christoph Deuter, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Kunstreferats.
Das Museum am Dom verdanke die Ausstellung den Töchtern Albert Schillings, erklärte Lenssen. Diese hatten dem Museum die ausgestellten Skulpturen sowie rund 40 grafische Arbeiten ihres Vaters als Zustiftung überlassen. Der Kontakt sei über Vikar Peter Mainz, einen reformierten Geistlichen aus Thurgau, hergestellt worden. Er habe in Würzburg studiert und das Museum am Dom gekannt. Erst Ende März waren die Kunstwerke aus Arlesheim bei Basel nach Würzburg transportiert worden. „Schilling gehört zu den großen Bildhauern der 1960er und 1970er Jahre. Wir sind sehr glücklich über diese Stiftung“, sagte Lenssen.
Die Ausstellung „Albert Schilling – wahrnehmen“ ist von 13. Mai bis 13. September 2015 jeweils dienstags bis sonntags sowie an Feiertagen von 10 bis 17 Uhr im Museum am Dom in Würzburg zu sehen. Begleitend zur Ausstellung gibt es einen 120 Seiten starken Katalog mit zahlreichen Abbildungen zum Preis von 8,90 Euro.
sti (POW)
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