Aschaffenburg (POW) Auf der einen Seite Kardinal Albrecht von Brandenburg, mit einem roten Brokatgewand bekleidet, einen Chormantel mit goldener Färbung, Zierstickereien und zahlreichen Edelsteinen auf den Schultern, den glitzernden Bischofsstab in der Hand. Unter der mit Edelsteinen übersäten Mitra blitzt die rote Kardinalskappe hervor. „Sanctus Martinus“ steht in großen Lettern, die als Heiligenschein über dem Kopf prangen, über der Darstellung des Mannes, der einem Bettler ein Almosen in die Schale legt. Rechts daneben in prächtigem Kleid mit Smaragdhalsband die Konkubine des Kardinals, Leys Schütz, am Pfeil und dem Gloriolenschriftzug als heilige Ursula zu erkennen. Geradezu wie ein Gegenprogramm wirkt das Bildnis von Martin Luther und seiner Frau Katharina von Bora: eine schlichte schwarze Mütze und ein schwarzes Gewand kleiden Luther, für den Cranach unter anderem Schriften und Flugblätter bebilderte. Einzige Verzierung am Kleid seiner Ehefrau ist der Pelzkragen.
Lucas Cranach der Ältere arbeitete im Auftrag Luthers und Albrechts. Er war Künstler mit straff organisierter Werkstatt und als Geschäftsmann gerne für beide Lager tätig. Das zeigt die Ausstellung „Cranach im Exil“, die bis 3. Juni in Aschaffenburg die Zeit der Reformation anhand von Bildern des berühmten Malers und anderen zeitgenössischen Exponaten aufleben lässt. Einen großer Teil der Ausstellung bilden Werke, die Albrecht 1540 nach Aschaffenburg mitnahm, als er wegen der Reformation seine Lieblingsresidenz Halle verlassen musste. Beinahe 180 Gemälde für Stift und Residenz hatte Cranachs Werkstatt 1523 geliefert, allen voran der prächtige Magdalenenaltar.
In leuchtenden Farben zeigt er auf dem zentralen Bild den Auferstandenen im roten Mantel und Siegerfahne, umgeben von Engeln, die als Kindergesichter mit schmetterlingsbunten Schwingen dargestellt sind. Rechts unten im Bild das Grab, das zwei sichtbare Siegel trägt und verschlossen ist. Davor schlafen die meisten der geharnischten Wächter. Auf der linken unteren Bildhälfte zieht Jesus einen nackten Mann am Unterarm aus dem Grab: Adam. Eva, die als einzige Frau in der unbekleideten Menschengruppe um das Grab herum Haut zeigt, war in späteren Zeiten wohl einigen Betrachtern zu nackt: Erst die Restaurierung brachte ihre Rückansicht wieder zu Vorschein: Unbekannte hatten die Hecke, die linke und rechte untere Bildhälfte separiert, kurzerhand ein Stückchen nach links verlängert.
Die Darstellung der heiligen Magdalena mit dem Salbkrug und des heiligen Lazarus mit der Bahre zeigen ein Stilmittel, das typisch ist für Cranach: Die liebevolle Gestaltung der Hintergrundlandschaft, die mit Bergen und Burgen nicht unbedingt nach dem Israel der Zeit Jesu aussieht. Sie präsentiert sich, wie Frisur und Mode der Kleidung der Dargestellten, an das Deutschland ihrer Entstehungszeit angepasst: Faltenwurf und Textur des Stoffes sowie die Puffärmel am Kleid der Magdalena wirken auffällig plastisch, bei Pelz und Haarpracht des Lazarus scheint jedes einzelne Haar mit dem Pinsel an den richtigen Platz gezwirbelt.
Wie Cranach bei so viel Detailverliebtheit den wohl größten Kunstauftrag nördlich der Alpen verwirklichen konnte, erfährt der Besucher beim Rundgang durch die Ausstellung, die sich auf Schloss Johannesburg, Kunsthalle Jesuitenkirche und das Stift Sankt Peter und Alexander verteilt: Da sind unter anderem die raren erhaltenen Werkzeichnungen mit der Feder zu betrachten, die auf dem deutlich kleineren Papierformat streng vorgaben, wie das Arrangement auszusehen hatte. Aufschlussreich auch die digitalen Infrarotreflektografien: Sie offenbaren zum Beispiel, dass die Gemälde Cranachs wie die Predellentafel des Magdalenenaltars – sie zeigt die Geschichte des Jonas – Unterzeichnungen tragen. In der zeichnerischen Vorlage findet sich unter anderem ein Bogenschütze, der aus dem Wald links im Bild mit seinem Bogen bildeinwärts zielt. Im ausgefertigten Bild ist davon nichts zu sehen.
Um ein Gespür für die katholische Frömmigkeit der Reformationszeit zu bekommen, lohnt es sich, das Reliquiar der heiligen Margarethe näher zu betrachten, das für die Dauer der Ausstellung vom Stift in die Kunsthalle Jesuitenkirche umgezogen ist: Es zeigt in einem Sarg mit gläsernen Seitenfenstern einen in Holz geschnitzten, in einem frühen Verwesungsstadium befindlichen Frauenkörper. Größtenteils an den anatomisch richtigen Stellen sind Teile eines menschlichen Skeletts eingelassen. Im Bereich des Solarplexus ist der Holzleib ausgehöhlt: Dort lagerten bis zu Restaurierung zahlreiche Reliquienbeutel mit kleinen Knochen und ähnlichem.
Albrecht von Brandenburg liebte Reliquien und sammelte sie; für Luther war das eine der Verirrungen der katholischen Kirche seiner Zeit, die er bekämpfte. Cranach verdiente an beiden, indem er ihnen Kunstwerke lieferte, die ihre Sichtweise des Glaubens propagierten. Ganz nach dem Motto: Wes’ Brot ich ess’, des’ Lied ich sing.
Die Ausstellung „Cranach im Exil – Aschaffenburg um 1540: Zuflucht, Schatzkammer, Residenz“ ist täglich außer montags von 9 bis 18 Uhr zu besichtigen. Führungen organisiert das Führungsnetz/Museumspädagogischer Dienst der Stadt Aschaffenburg, Telefon 06021/3868866, E-Mail fuehrungsnetz@vhs-aschaffenburg.de. Weitere Informationen über die Ausstellung gibt es im Internet unter www.cranach-im-exil.de. Der Katalog zur Ausstellung: „Cranach im Exil“; Hg. Gerhard Ermischer und Andreas Tacke; 400 Seiten; Regensburg 2007; 29,90 Euro; ISBN 978-3-7954-1949-3.
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