Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

„Alles für die Erfahrung“

Ein Jahr in Indien – „weltwärts“-Freiwillige Veronika Stangl und Emilia Zugelder erzählen von Leben und Arbeit in abgeschiedenem Dorf Riangdo

Dettelbach/München/Riangdo (POW) Wenn Emilia Zugelder (20) und Veronika Stangl (18) aus dem Fenster ihrer Unterkunft schauen, sehen sie die Weiten des Dschungels – Bäume und dazwischen ein rotes Kloster und zwei steinerne Basketballplätze. Seit über 100 Tagen leben und arbeiten die beiden Abiturientinnen aus Deutschland auf dem Gelände des Klosters der Salesianer und des Don Bosco-Jungeninternats mitten im indischen Urwald. Die nächste größere Stadt, Shillong, ist drei Autostunden mit dem Sammeltaxi entfernt. An das Leben ohne Heizung, Warmwasser und Waschmaschine im streng katholischen Riangdo haben sie sich mittlerweile gewöhnt. Dass sie hier gelandet sind – ein Zufall.

Im März 2023, knapp sieben Monate vor der Abreise, saßen Zugelder und Stangl in Deutschland vor ihren Laptops. Als Ehrenamtliche wollten sie über „weltwärts“, die Freiwilligenbörse des Bundes, ins Ausland gehen. Sie hatten sich bei den Don-Bosco-Projekten beworben, wollten beide mit Kindern arbeiten. Stangl hatte in ihrer Heimatstadt München bereits mehrere Ministranten-, Firm- und Erstkommuniongruppen geleitet. Zugelder, die aus Dettelbach kommt, hatte nach einem Praktikum in der Grundschule beschlossen: „Ich will was mit Kindern machen.“ Zu diesem Zeitpunkt kannten sich Zugelder und Stangl nur über vorherige Kennenlern-Seminare. Und dann der Moment, auf den die Teilnehmenden gewartet hatten: die Zuteilung der Projekte per E-Mail und die Entscheidung. Zugelder und Stangl sollten gemeinsam ein Jahr nach Ostindien gehen, im Bergdörfchen Riangdo mit den etwa 1000 Einwohnern leben und in den Schulen des Klosters arbeiten.

Nun beginnen die Tage für die beiden Freiwilligen zu Schulzeiten morgens um 6.30 Uhr. Der erste Kirchgang des Tages steht an. „Da müssen wir auch immer hin“, erzählt Zugelder am Telefon. Nach dem Frühstück übernehmen die beiden Vertretungsstunden im Internat und der „Christ King“-Schule daneben. Sie organisieren Mathequizze oder Allgemeinwissen-Spiele. „Jeder Tag ist ein bisschen anders“, sagt Zugelder.

Zwei junge Frauen also im Jungeninternat und Männerkloster? Manchmal sei ihr das schon „ein bisschen zu viel männliche Präsenz“, lacht Zugelder und wünscht sich abseits der Kirche und des Dorflebens „noch ein paar Mädels oder ein paar Frauen hier“. Doch mit der Zeit komme die Gewöhnung. Die etwa 30 Jungen im Alter zwischen zwölf und 19 Jahren, mit denen die Freiwilligen auch ihre Freizeit im Projekt verbringen, kennen sie mittlerweile gut und scheinen sie ins Herz geschlossen zu haben. Da wird am Nachmittag Basketball und Fußball gespielt oder Musik gehört. Auch im Unterricht hätten die Jungen sich mit der Zeit an sie gewöhnt. „Anfangs haben die Kinder überhaupt nicht mit uns gesprochen“, erzählt Zugelder. Obwohl jedes Fach auf Englisch unterrichtet wird, hätten sie sich nicht getraut, Englisch zu sprechen. Von den Salesianern seien sie Frontalunterricht gewohnt. Gleichzeitig sei es als etwa Gleichaltrige auch schwer, sich durchzusetzen. Die deutschen Mädchen mit der weißen Haut seien manchmal einfach spannender als die Schulstunde. „Es ist immer noch besonders, wenn Europäer nach Indien kommen“, sagt Zugelder. „Da haben die erst einmal viel zu bereden, über uns, während des Unterrichts“, fügt Stangl an.

Eine kleine Sensation sind die beiden Freiwilligen auch im Dorf. Sie sind die ersten, die über „weltwärts“ in das Projekt gekommen sind. Auf der Straße würden sie oft nach Fotos gefragt. „Wir können nicht aus dem Haus gehen, ohne dass Leute fragen, ob sie ein Foto mit uns machen können“, beschreibt Zugelder ihren Celebrity-Status. „Ist halt Dorfleben. Jedoch eher wie früher“, fügt die Ehrenamtliche an, die Riangdo ein wenig an ihren Heimatort erinnert. In Dettelbach, mit seinen über 7000 Einwohnern, kenne sie jedoch nicht jeden, im indischen Dorf scheinen sich die Bewohner alle zu kennen. Das hat auch seine Vorteile. Wenn die beiden „weltwärts“-Freiwilligen mal einen Ausflug planen, eine Taxifahrt nach Shillong brauchen oder etwas anderes, wird herumgefragt, und kurze Zeit später sei alles organisiert.

Und was gehört noch zum Leben im katholischen Dorf Riangdo? Die Kirche und die täglichen Gottesdienste. Werktags wird nachmittags eine halbe Stunde der Rosenkranz gebetet. Sonntags nimmt Priester Sebastian Tirkey die beiden Freiwilligen immer wieder in die umliegenden Dörfer mit. Dort finden Messen und Anbetungen statt. Stangl erzählt, dass es in der Gegend so viele Katholiken gibt, dass die Gottesdienste teils auf Feldern stattfinden. „Dann bauen sie eine fette Bühne auf“ und „alles ist voller Plastikstühle“, sagt sie. Sechs bis sieben Stunden dauern diese Messfeiern, die durch gemeinsame Mittagessen unterbrochen werden.

Zwischen Abgeschiedenheit, täglichen Kirchgängen und ohne den kleinen Luxus, sind die beiden Ehrenamtlichen bereits jetzt dankbar für viele Erlebnisse in den vergangenen Monaten. In einer Woche im Januar haben sie auf drei Hochzeiten im Dorf getanzt. Sie haben Wasserfälle besucht und sind auf der Ladefläche eines Trucks mitgefahren. Bei den Salesianern haben sie Hundefleisch, Würmer und Wespen probiert. „Die Wespen waren eigentlich ganz lecker“, lautet das Fazit. Und die Priester sagen immer zu ihnen: „Alles für die Erfahrung.“

Die Weihnachtstage haben die beiden Jugendlichen bei einem Priester in Shillong verbracht, den Stangl noch aus München kennt. Unter anderem mit ihm und sechs seiner Geschwister haben sie die Christmette besucht, Kuchen gegessen und „bis in die Nacht rein getanzt. Das war wie eine zweite Familie“, sagt Stangl. Im kleinen Ofen im Haus wurden an den Weihnachtstagen deutsche Plätzchen gebacken. „Das war einfach richtig schön“, sagt Zugelder. Und so wurde Weihnachten auch ohne die eigene Familie zum Highlight für beide.

Aktuell, während die Jungen noch Schulferien haben, freuen sie sich nun über ihren ersten Urlaub, unter anderem in Pune und Goa. Es warten Strand, Wärme und Freiheit auf sie. Die Freiheit „essen zu können, was wir wollen. Mal in Restaurants gehen, nicht immer nur Reis essen, sondern vielleicht mal Pizza“, sagt Stangl, die im Urlaub ihren 19. Geburtstag feiert. Außerdem sind die beiden gespannt, nach den Monaten im katholisch geprägten Riangdo auch die hinduistische Kultur des Landes kennenzulernen. „Ja, da freuen wir uns richtig drauf“, sagt Zugelder.

Für alle „weltwärts“-Interessierten haben sie noch einen Tipp: Interessierte sollten sich vorher genau über Ort, Mitreisende und das Projekt informieren und auch das Thema Heimweh bedenken. Zugelder erzählt, vor dem Abflug habe sie die Einstellung gehabt: „Alle sagen immer, man hat Heimweh, ich werde bestimmt kein Heimweh haben.“ Doch letztlich treffe es in einem ganzen Jahr im Ausland jeden einmal. Stangl sagt: „Man sollte sich schon Gedanken machen, ob man auch die richtige Person dafür ist.“

Interessierte finden unter www.weltwaerts.de und www.donboscovolunteers.de Informationen zu den Einsatzorten und der Bewerbung.

chd (POW)

(0724/0179; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet