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Als das Porto eine Million Mark kostete

„Tag der Archive“ in Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg – Erstmals alle großen Würzburger Archive gemeinsam an einem Ort – Führungen, Ausstellungen und Vortrag – Einblicke in das „Facebook“ des 16. Jahrhunderts

Würzburg (POW) Ein neues Format haben die vier großen Würzburger Archive für den bundesweiten „Tag der Archive“ am Freitagnachmittag, 6. März, gewählt. Erstmals präsentierten sich Universitätsarchiv Würzburg, Stadtarchiv Würzburg, Staatsarchiv Würzburg sowie Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg gemeinsam an einem Ort. Sie freue sich, dass die „Premiere“ in ihrem Haus stattfinde, sagte Katrin Schwarz, Leiterin von Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg, bei der Eröffnung. „Sie sind heute ganz herzlich dazu eingeladen, an einem Ort in diese Überlieferungsvielfalt einzutauchen.“ Die Besucher informierten sich bei Ausstellungen über die Profile der vier Archive und bewunderten bei einer Führung Kostbarkeiten wie die Restaurierungspläne für die Haßfurter Ritterkapelle. Den Abschluss bildete ein kurzweiliger Vortrag von Professor Dr. Matthias Stickler, außerplanmäßiger Professor am Würzburger Lehrstuhl für Neueste Geschichte, über Stammbücher als „Facebook“ des 16. Jahrhunderts. Künftig soll der Veranstaltungsort jeweils in ein anderes der vier Archive wechseln. Der „Tag der Archive“ stand in diesem Jahr unter dem Motto „Kommunikation – Von der Depesche bis zum Tweet“.

Im Foyer sowie auf der Galerie des Lesesaals konnten die Besucher kleine Ausstellungen mit ausgewählten Archivalien aller vier Einrichtungen besichtigen. Unter der Überschrift „Kommunikation in der Vormoderne“ zeigte der Gastgeber anhand ausgewählter Beispiele, wie sich die Ausbreitung der Schrift und des Buchdrucks auf das Leben der Gläubigen wie auch auf die Verwaltung auswirkten. Wer wollte, konnte seine Schreibkünste mit Federkiel und Tinte testen. Archivdirektor Dr. Klaus Rupprecht vom Staatsarchiv Würzburg stellte Kommunikationsmittel aus der kurzen Phase der Würzburger Räterepublik 1919 vor, darunter Telegramme und Flugblätter. Im Staatsarchiv befindet sich nach seinen Worten auch die älteste erhaltene Urkunde Bayerns aus dem Jahr 777.

Weitere Bilder

In der Ausstellung des Stadtarchivs Würzburg waren unter anderem ein knallrotes Plastiktelefon mit Wählscheibe sowie eine Gebührentabelle aus der Zeit der Hyperinflation 1923 zu sehen – damals kostete das Porto für eine Postkarte im Ortsverkehr eine Million Mark. Am Stand von Marie-Thérèse Reinhard, Mitarbeiterin des Universitätsarchivs Würzburg, gab es beispielsweise die Akte zur Errichtung einer Ehrentafel für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Angehörigen der Universität sowie Fotos von den Studentenprotesten von 1977 zu sehen. Ein Höhepunkt der Sammlung sei das Original der ersten jemals verliehenen Nobelpreis-Urkunde, erzählte Reinhard: Wilhelm Conrad Röntgen erhielt sie 1901 für die Entdeckung der Röntgenstrahlen.

Bei einer kurzweiligen Führung stellte Thomas Wehner, stellvertretender Leiter von Archiv und Bibliothek, ausgewählte Stücke vor. Beeindruckend waren die farbenprächtigen Pläne zur Restaurierung der Ritterkapelle in Haßfurt im Jahr 1890. „Das ist wie ein eigenes Kunstwerk“, sagte Wehner. Für die Ausmalung des Chors hatte ein Künstler sogar bewegliche Schablonen mit unterschiedlichen Farben und Mustern hergestellt. Anhand eines Kupferstichs aus der Turmkugel der Wallfahrtskirche Fährbrück erläuterte Wehner, wie aufwendig die Restaurierung alter Objekte sein kann. Die Gäste waren verblüfft über die große Sammlung an Missionsspardosen – ein „Forschungspunkt für Ethnologen“, wie Wehner erklärte – und bewunderten kunstvoll gestaltete Heiligenbildchen aus dem 16. Jahrhundert. Das jüngste Stück der Sammlung ist die von Papst Franziskus unterzeichnete Ernennungsurkunde für Bischof Dr. Franz Jung. Die Unterschrift des Papstes auf der großen Urkunde ist gerade mal zwei Zentimeter breit, wie die Besucher erstaunt feststellten.

Ein heute weitgehend vergessenes Phänomen stellte Professor Stickler in seinem Vortrag „Ein Facebook der alteuropäischen Universität – Die Stammbuchsammlung des Würzburger Instituts für Hochschulkunde als Quelle zur Kommunikationsgeschichte“ vor. Stammbücher seien ab der Mitte des 16. Jahrhunderts vor allem unter protestantischen Studenten Tradition gewesen. Wurden anfangs vor allem Lehrer, Professoren und andere Respektspersonen um einen Eintrag gebeten, hätten sie im späten 16. Jahrhundert den Charakter von Freundschaftsbüchern entwickelt. Neben schriftlichen Eintragungen enthielten sie oft auch Bilder, etwa Ausflugsziele oder Porträts von Kommilitonen. „Es ist bemerkenswert, dass ein Medium in der Lage war, Menschen und Landschaften miteinander zu verbinden.“

Zur Veranschaulichung präsentierte Stickler Auszüge aus zwei Stammbüchern. Das Stammbuch von Ludwig Arndt Reuther aus Saarbrücken, der wohl von 1787 bis 1790 an der Universität Gießen studierte, gibt Einblick in das Leben eines Studenten der damaligen Zeit. Aus den vielen farbigen Abbildungen schloss der Referent, dass der Student Reuther über Geld verfügte und Künstler beschäftigen konnte. Darauf deutet auch ein Bild von einer Schlittenausfahrt hin: „Schlitten musste man mieten, und das konnten nur Studenten mit viel Geld.“ Nach den Eintragungen der Kommilitonen zu urteilen, scheint er Mitglied in einigen studentischen Vereinigungen gewesen zu sein. „Die Harmonisten bezeichnen Reuther immer als Bruder“, wies Stickler auf ein Beispiel hin.

Wilhelm Schmiedeberg wiederum portraitierte in seinem Stammbuch, das im Zeitraum von 1835 bis 1839 entstand, einen Großteil seiner Kommilitonen an der Universität in Königsberg. „Er war tatsächlich ein Künstler. Wir gehen davon aus, dass er alle Bilder selbst gemalt hat“, sagte Stickler. Aus den sehr detaillierten Porträts habe man beispielsweise schließen können, dass es in Königsberg viele polnische Studenten gab. Auf einem Bild ist ein Grabhügel mit drei aufrecht gerichteten Lanzen zu sehen. „Wenn Studenten starben, gab es dafür eigene Rituale“, erklärte der Professor.

sti (POW)

(1120/0286; E-Mail voraus)

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