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Im Gespräch

Als Kirche nicht Gastgeberin, sondern Gast sein

Hochschulpfarrer Burkhard Hose über den besonderen pastoralen Ansatz des Projekts „Hubland Nord“ – „Entdecken, wo Gottes Reich auch ohne kirchliches Zutun schon wächst“

Würzburg (POW) Hochschulpfarrer Burkhard Hose ist seit Januar 2023 mit halber Stelle auch Referent für das Projekt „Hubland Nord“ im Würzburger Stadtteil Hubland. Er teilt sich diese Aufgabe gleichberechtigt mit Schwester Elisabeth Wöhrle, Referentin bei der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) Würzburg. Im folgenden Interview erklärt er, worum es bei diesem pastoralen Experiment geht und wo die Chancen und besonderen Herausforderungen liegen.

POW: Was genau verbirgt sich hinter dem Projekt „Hubland Nord“?

Pfarrer Burkhard Hose: „Kirche am Hubland – ein urbanes Pionierprojekt“ – so ist ein Forschungsprojekt überschrieben, das derzeit in Kooperation mit Professor Dr. Christian Bauer (Lehrstuhl für Pastoraltheologie an der Universität Münster) und einem Team weiterer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler läuft. Tatsächlich haben in der letzten Zeit viele Akteurinnen und Akteure, darunter auch die christlichen Kirchen, das neue Wohngebiet am „Hubland Nord“ als interessantes Feld für sich entdeckt. Für die Kirchengemeinden, die schon lange in diesem Bereich präsent und auch weiterhin zuständig sind, ist es eine herausfordernde Entwicklung. In diesem neuen Stadtteil lassen sich immer mehr Menschen nieder, unter ihnen viele Familien mit Kindern, aber auch Singles, Beschäftigte der Universität und Leute, die es einfach spannend finden, in diesem neu entstehenden Bezirk zu wohnen. Städtische und kirchliche Einrichtungen versuchen, den unterschiedlichen Bedürfnissen, aber auch den neuen Möglichkeiten offen zu begegnen.

POW: Wo genau kommt Ihr Projekt da ins Spiel?

Hose: Das Bistum Würzburg hat beschlossen, nicht nur das eingangs erwähnte wissenschaftliche Projekt in Auftrag zu geben, sondern damit auch ein „pastorales Experiment“ zu initiieren. In Absprache und Zusammenarbeit mit dem Pastoralteam der Pfarreiengemeinschaft Würzburg-Ost und mit den ökumenischen Partnerinnen und Partner nehmen wir als Katholische Hochschulgemeinde die Verantwortung für dieses Projekt wahr. Gemeinsam mit den Wissenschaftler*innen und den Pastoralteams wollen wir von den Menschen lernen, was Kirche-Sein unter den besonderen Vorzeichen des Ortes heute bedeuten kann.

POW: Was ist der Unterschied zu herkömmlichen Angeboten der Gemeindeseelsorge?

Hose: In Vernetzung und bei gemeinsamen Workshops mit anderen pastoralen Pionierprojekten wie zum Beispiel „Sankt Maria als“ in Stuttgart, „Kirche in FRANKLIN“ in Mannheim oder „FranZ“ im Wiener Nordbahnviertel lernen wir gerade, was es bedeuten kann, sich als Kirche in einem Raum zu bewegen, in dem es keine gewachsenen kirchlichen Strukturen (mehr) gibt und einen offensichtlich erst einmal niemand braucht und keiner vermisst. Wir versuchen, unter diesen Voraussetzungen sozusagen neu Kirche-Sein zu lernen. So sind wir bewusst ohne eigene kirchliche Versammlungsräume unterwegs. In einer Stadt wie Würzburg mit ihren vielen kirchlichen Gebäuden ist es eine noch relativ ungewohnte Erfahrung, als Kirche nicht Gastgeberin, sondern Gast zu sein, weniger eigene Angebote zu starten als mitzumachen. In mancher Hinsicht geht es tatsächlich dabei um einen Haltungswechsel in der Pastoral, um eine Form der „Bekehrung“ von Kirche, und das ganz im Sinn des Umkehrrufs Jesu in Markus 1,15. Dort meint der griechische Begriff „Metanoia“ wörtlich eben auch „Umdenken“ angesichts einer anbrechenden neuen Wirklichkeit. Und diesen Umbruch erleben wir ja gerade in der Kirche. Neben punktuellen Angeboten wie beispielsweise „Exerzitien auf der Straße“, Veranstaltungen in Kooperation mit der Stadtteilbibliothek im Hubland-Tower oder Tagungen wie im vergangenen Oktober zum Thema „Heilige Räume“ im Zentrum für Digitale Innovation geht es also vor allem um die Vertiefung einer pastoralen Haltung, die wir bei Fortbildungen auch gerne an andere Hauptamtliche in der herkömmlichen Gemeindeseelsorge weitervermitteln.

POW: Welche besonderen Chancen sehen Sie persönlich in diesem Ansatz?

Hose: Es geht bei dem Projekt nicht um ein „Best-Practice-Modell“ mit irgendwelchen tollen Angeboten, die andere Kolleginnen und Kollegen in der Pastoral allenfalls einschüchtern, sondern darum, auch wieder Lust auf Pastoral unter den neuen Bedingungen einer vielleicht bescheideneren Kirche zu entwickeln. Die sich verändernde kirchliche Situation macht vielen in der Pastoral Angst, sie öffnet aber auch neue Freiräume und das kann Spaß machen. Für mich ist es auch ein sehr spiritueller Ansatz in einer nach-volkskirchlichen Zeit, in der herkömmliche Strukturen zusammenbrechen. Wir treffen Menschen, die außerhalb von Kirche Ideen verwirklichen wie in Formen gemeinschaftlichen Wohnens, in Urban-Gardening-Projekten oder die gastfreundlich Gemeinschaft stiften, wie es unter anderem die Stadtteilbibliothek tut. Sozusagen auf dem Weg erleben wir, wie an vielen Orten eine Saat aufgeht, die wir nicht selbst gesät haben, die aber ganz viel mit unserer Botschaft zu tun hat. Es kann auch für Menschen in der herkömmlichen Gemeindeseelsorge entlastend und motivierend sein, wenn sie mehr Raum bekämen, um interessante Projekte und Menschen zu entdecken und dabei erleben: Das Reich Gottes wächst längst schon an vielen Orten – auch ohne unser Zutun. Und es macht Freude, das zu entdecken und mit Menschen darüber ins Gespräch zu kommen.

Interview: Markus Hauck (POW)

(1023/0277; E-Mail voraus)

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