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„Als Pfarreiengemeinschaft zur Mitte aufbrechen“

Interview mit Dekan Monsignore Erhard Kroth zur Situation im Stadtdekanat Würzburg angesichts der Errichtung der Pfarreiengemeinschaften

Würzburg (POW) Zehn Pfarreiengemeinschaften und zwei Einzelpfarreien mit insgesamt rund 70.000 Katholiken bilden künftig das Stadtdekanat Würzburg. In folgendem Interview spricht Dekan Monsignore Erhard Kroth (Stift Haug und Sankt Gertraud) über die Errichtung von Pfarreiengemeinschaften im Stadtdekanat Würzburg, über die City-Pastoral, über neue Formen der Seelsorge und über den Vorrang der Spiritualität vor allen Reformen.

POW: Wie würden Sie den aktuellen Stand des Prozesses der Errichtung der Pfarreiengemeinschaften im Dekanat umschreiben?

Dekan Erhard Kroth: Das Dekanat Würzburg-Stadt hat – dem Wunsch des Bischofs entsprechend – alle im Moment möglichen Pfarreiengemeinschaften errichtet. Zwei Pfarreien bleiben vorerst für sich: Sankt Josef in Grombühl und Lengfeld; im Osten der Stadt ist im Blick auf die ehemaligen amerikanischen Kasernen und die Planung eines neuen Stadtviertels die Situation noch unklar; da braucht es noch Zeit. Was das „Leben“ in diesen Pfarreiengemeinschaften angeht, steht auf einem anderen Blatt. Da sind wir alle weiterhin unterwegs aufeinander zu. Es gibt viele positive Schritte, etwa die Einbindung der Ordensgemeinschaften in der Sanderau, das Bemühen um Ausgewogenheit in der Zellerau, die Verbindung von Dorfstruktur und Neubaugebiet im Süden – Heuchelhof mit Rottenbauer.

POW: Wo liegen die besonderen Probleme, wo die besonderen Chancen in Ihrem Dekanat?

Kroth: Eine Chance, die sich schon immer auftat, liegt gerade im Kernbereich der Stadt, was aber auch für Randgebiete gilt: dass die Menschen bisher schon über die Grenzen der Pfarrgemeinde hinaus geschaut, eine Auswahl getroffen haben, die verschiedenen Möglichkeiten der Pfarreien und Ordensgemeinschaften wahrzunehmen. Ich denke, die Menschen sind offen für die Umgestaltung der Strukturen. Diese Chance müssen wir als Hilfe aufgreifen, um die Pfarreiengemeinschaften zu stärken. Was uns als Aufgabe bleibt, ist die Gewinnung der Ehrenamtlichen, ehrliche Kompromisse zu schließen und von dem Denken wegzukommen: „Das war bei uns schon immer so!“ Damit würden wir alle Bewegungen blockieren. Es gilt, das Gute der jeweils anderen Gemeinde zu erkennen und für das Ganze der Pfarreiengemeinschaft nutzbar zu machen.

POW: In der Innenstadt wurde im Januar die größte Pfarreiengemeinschaft der Stadt errichtet. Welche Bedeutung hat „Würzburg-Innenstadt“ für die gesamte Stadt?

Kroth: Ich denke, wenn die Zusammenarbeit der Hauptamtlichen gut läuft, kann das in die ganze Stadt ausstrahlen; ebenso der Versuch mit einem Gesamtpfarrgemeinderat, worüber wir im Vorfeld ja lange diskutiert haben. Ich wünsche mir sehr, dass dieses Gremium seiner Bedeutung gerecht wird für die Kooperation der gesamten Pfarreiengemeinschaft, wobei aber der „Gemeindeausschuss“ – andernorts wird er „Ortsausschuss“ genannt – die seelsorgerliche Arbeit vor Ort konkret leisten muss. Die Einbindung der sogenannten „City-Pastoral“ auf ökumenischer Basis wird sicher auch nicht ohne Wirkung auf die gesamte Stadt sein.

POW: Ist in einer Großstadt wie Würzburg das Bewusstsein für die eigene Pfarrei überhaupt noch ausgeprägt? Interessiert städtische Pfarrgemeinden der Umstrukturierungsprozess?

Kroth: Sicher waren zunächst vor allem die Hauptamtlichen und die Gremien mit diesem Prozess befasst. Und da fällt es vielen schwer, sich zu öffnen. Viele der Gemeindemitglieder werden erst im Nachhinein feststellen, dass „sich da etwas geändert“ hat. Anderen dürfte das Bewusstsein für die eigene Pfarrei schon längst abhanden gekommen sein. In den Gemeinden, die vor knapp 30 Jahren in die Stadt eingegliedert wurden, ist das Pfarrbewusstsein schon noch sehr groß, deshalb ist auch der Zaun noch sehr hoch, über den man schauen lernen muss.

POW: Wie reagieren die neuen Pfarreiengemeinschaften auf die besonderen Herausforderungen einer Seelsorge in der Stadt?

Kroth: Da der Prozess der Umstrukturierung doch noch sehr „in den Kinderschuhen steckt“, kann dazu noch nicht viel gesagt werden. Die Unterschiede zwischen dörflichem Zentrum und Großstadt-Wohn-Silos ohne gewachsene Mitte sind erheblich. Da brauchen wir einen langen Atem.

POW: Wie sollte eine „City-Pastoral“ in Würzburg ausgerichtet sein?

Kroth: Mir war von Anfang an wichtig, dass die sogenannte „City-Pastoral“ ökumenisch ausgerichtet ist. Hier gibt es bereits ein gutes Miteinander. Es kommt auf eine gute Absprache und auf ständige Kommunikation mit den Pfarreiengemeinschaften Innenstadt und den umliegenden Pfarreiengemeinschaften an. Da sind wir noch im Aufbau. Es wäre Kräftevergeudung, wenn Aktivitäten und Projekte parallel und nebeneinander verdoppelt würden. Hier kann die City-Pastoral auch als Entlastungsfaktor für die Pfarreiengemeinschaften wirken.

POW: In Würzburg wirken zahlreiche Ordensgemeinschaften. Wie werden sie in die neuen Pfarreiengemeinschaften eingebunden?

Kroth: Es gibt bereits einen viel versprechenden Versuch in der Pfarreiengemeinschaft Sanderau, wo eine enge Zusammenarbeit in bestimmten Themenbereichen mit den Ritaschwestern geübt wird. Das wird sicher Schule machen. Seit ich Dekan bin, habe ich jährlich die zehn Männer- und 13 Frauen-Ordensgemeinschaften zu einem Gespräch mit der Dekanatsleitung eingeladen. Daraus hat sich manche Verbindung entwickelt. Es ist aber auch noch vielfach ausbaufähig – gerade in der Innenstadt, wo eine besondere Dichte von Ordensgemeinschaften zu verzeichnen ist. Aber da braucht es noch Zeit.

POW: Wie wirken sich die neuen Seelsorgeeinheiten auf die Ökumene und auf den Dialog mit den Religionen aus?

Kroth: Hier wird die bewährte Zusammenarbeit der einzelnen Gemeinden mit den evangelischen Schwesterkirchen sich sicher auch auf die Pfarreiengemeinschaft ausweiten, soweit es vom Sprengel her sich anbietet. In der Innenstadt haben wir zum Beispiel den Arbeitskreis Ökumene auf das Gebiet der Pfarreiengemeinschaft ausgedehnt; ebenso wird auch die Aktion „Eine Stunde Zeit füreinander“ für die ganze Pfarreiengemeinschaft ökumenisch entwickelt. Im Blick auf den Dialog mit den Religionen gibt es für den Bereich der Pfarreiengemeinschaft meines Erachtens keine Auswirkung. Dieser ist sicher auf anderer Ebene anzusiedeln.

POW: Hat die Pfarrseelsorge in einer Großstadt Ihrer Meinung nach noch Zukunft oder müssen andere Formen der Seelsorge entwickelt werden?

Kroth: Ich habe im Laufe der Jahre die Erkenntnis gewonnen: Ohne lebendige kleine Gemeinschaften, Zellen oder Pfarreien wird auch keine lebensfähige Pfarreiengemeinschaft entstehen. Das heißt: Es braucht ein Sowohl-als-auch! Die Pfarrseelsorge wird sich verändern. Wenn in zehn Jahren noch weniger Pfarrer zur Verfügung stehen, braucht es erst recht in den kleinen Einheiten Verantwortliche, die die Verbindung halten zwischen Pfarrei und Pfarreiengemeinschaft, die als Ansprechpartner in den Fragen und Nöten der Menschen vor Ort fungieren. Darauf können wir auf keinen Fall verzichten. Das ist auch mein Appell an unseren Bischof, dass dieses Anliegen von oben her aktiv angegangen wird und man nicht wartet, bis von unten Klagen und Anfragen kommen. Wenn „der Mensch der erste Weg, den die Kirche bei der Erfüllung ihres Auftrags beschreiten muss“ (Papst Johannes Paul II.) ist, dann muss sie auch sorgen, dass sie mit dem Menschen vor Ort wirklich verbunden bleibt oder neu wird. Der Kirche hat es um nichts anderes zu gehen als um den konkreten Menschen im Hier und Jetzt. Anders gesagt: Will also Kirche den Menschen vor Ort nahe sein, braucht sie unabdingbar Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Kirche sichtbar vor Ort leben und repräsentieren. Daneben ist die City-Seelsorge sicher auszubauen.

POW: Was möchten Sie am ersten Fastensonntag 2010 mit Blick auf das Stadtdekanat Würzburg sagen können?

Kroth: Da kommt es darauf an, wem ich etwas sagen soll: Den Gemeinden mit ihren ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeitern rufe ich zu: Geht mit Zuversicht und Geduld aufeinander zu. Sucht das, was für alle das Beste ist, zu erreichen ohne Angst, vom eigenen Image etwas zu verlieren. Den Verantwortlichen der Diözese möchte ich zuerst Dank sagen für die jahrelange Begleitung und Hilfe beim Prozess der Umstrukturierung und zugleich die Bitte aussprechen, dass diese Begleitung noch lange gewährt wird. Mein Pfarrgemeinderatsvorsitzender hat im Pfarrbrief geschrieben – ich denke, das gilt für alle in der Stadt: „Wir hoffen und wünschen uns, dass genügend lebensfrohe und engagierte Mitglieder unserer Gemeinde bereit sind, in den Gremien mitzuwirken. Daneben sind die vielen ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen – denen ich an dieser Stelle ausdrücklich danken möchte – in den verschiedensten Diensten von großer Bedeutung.“ Wichtiger als alle Reformen und Umbaumaßnahmen ist die Spiritualität, die unser Tun trägt und leitet. Sie muss über der Struktur stehen. So sehe ich als Ideal an, wenn wir es fertig bringen, dass die Hauptamtlichen ebenso wie die Ehrenamtlichen und Gemeindemitglieder überhaupt sich regelmäßig zum Gebet treffen, damit das Fundament unseres Tuns stimmt. Über das Ganze des Unternehmens kann ich schreiben: „Als Pfarreiengemeinschaft: Aufbrechen zur Mitte, in der Kraft des Heiligen Geistes, zu Jesus Christus – in Gottes Namen.“

(0610/0172; E-Mail voraus)

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