Liebe Schwestern und Brüder,
mit großem Ernst und in aller gebotenen Feierlichkeit begehen wir diese heilige Nacht. Im Dreischritt von Lichtfeier, Wortgottesdienst und Tauffeier werden wir auf die Eucharistiefeier eingestimmt, in der sich das Geheimnis dieser Nacht vergegenwärtigt.
Die Kirche weiß darum, dass die Botschaft von der Auferstehung Jesu Christi alles menschliche Denken übersteigt, ja, alle menschliche Erfahrung aushebelt und doch zugleich den Menschheitstraum vom ewigen Leben Realität werden lässt.
Um diese frohe Botschaft nicht isoliert stehen zu lassen, werden wir in der Lichtfeier auf unsere Urerfahrung von Dunkelheit und Licht, von Angst und Hoffnung, von Tod und Lebenssehnsucht eingestimmt.
In den ausgewählten Lesungen durchschreiten wir im Eilschritt die geschichtliche Menschheitswanderung, in der sich Gott immer wieder als der uns Suchende und Liebende zeigt.
In der Tauffeier werden wir in das Auferstehungsgeschehen dieser Nacht hinein wiedergeboren. Menschliches Leid und Angst vor dem ewigen Tod wird in die Zusage des göttlichen Lebens gewandelt. Die Frucht der Auferstehungsbotschaft wird so ganz konkret heute Nacht hier in Neumünster einem Kind zuteil: Das Neugeborene wird Kind Gottes und Erbe des ewigen Lebens. Wir dürfen uns alle miteinander froh unserer eigenen Berufung zum ewigen Leben bewusst werden.
In der sich anschließenden Eucharistiefeier wird der Tisch des Abendmahlsaales über das Kreuz in das Licht der Auferstehung hinein ausgezogen. Der auferstandene Herr spricht jede und jeden einzelnen von uns an und nimmt uns schon jetzt mit in die neue Lebenswirklichkeit, in der Gott alles in allem sein wird.
Liebe Schwestern und Brüder,
jeder von uns hat Träume, die er gerne in seinem Leben verwirklicht sehen möchte. Die Sehnsucht nach einem erfüllten Leben umfasst nicht nur das Erlangen von Freiheit, Liebe und Erfolg in Familie und Beruf, sondern auch im Innersten den Wunsch nach einem Leben ohne Ende. Wir können uns nur schwer damit abfinden, dass wir sterben müssen. Und doch ist dies gerade die umfassende Erfahrung, die uns bedrängt und die wir zwar zeitweise verdrängen aber letztlich nicht abschieben können.
So ist die Botschaft von der Auferstehung Jesu die revolutionierendste, die die Menschheit je gehört hat. Hier scheiden sich die Geister: Dem unstillbaren Verlangen nach ewigem Leben steht die tägliche Erfahrung des Sterbens gegenüber. Woher wissen wir, dass diese Botschaft von der Auferstehung Jesu wahr ist und nicht ein trügerisches Märchen ist?
Das bezeugen die Frauen am leeren Grab. Einige werden mit Namen genannt: Maria von Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus und Salome.
Petrus und Johannes können selbst am leeren Grab noch nicht an die Auferstehung glauben. Sie begegnen dem Herrn am Ostersonntagabend im Kreis der anderen Apostel im verschlossenen Abendmahlssaal. Zwei weitere Jünger begegnen dem Herrn auf dem Weg nach Emmaus. Viele andere Begegnungen werden in der Heiligen Schrift festgehalten. Paulus bemerkt an einer Stelle, dass noch 500 Personen leben, die dem Auferstandenen begegnet sind (vgl. 1 Kor 15,6).
Man kann also nicht von Einbildung, Halluzination einiger weniger religiöser Fanatiker reden. Die Zahl der Augen- und Ohrenzeugen ist zu groß, der Zeitraum, in dem sie dem Auferstandenen begegnet sind, zu lange, der Preis für die Botschaft, der eigene Tod, zu hoch.
Über den Grundmauern eines ehemaligen Bauernhauses in Auschwitz-Birkenau, „Weißes Haus“ genannt, in dem 1942 zusammen mit vielen anderen auch Edith Stein vergast wurde – die Leichen wurden anschließend auf freiem Feld verbrannt – steht eine Gedenktafel mit einem Wort von Edith Stein: Die Liebe wird immer unser ewiges Leben sein.
Amen.