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„Anlass zum Danken“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann beim Dankgottesdienst anlässlich seines 70. Geburtstags am 12. Mai 2012 im Neumünster in Würzburg

Liebe Mitbrüder im Bischofs-, Priester- und Diakonenamt, ehrwürdige Schwestern, liebe Schwestern und Brüder in Christus,

wir sind Wanderer zwischen zwei Welten.

Wenn wir geboren werden steht fest, dass wir auch sterben werden. Den Sterbetag der Heiligen feiern wir als Geburtstag für das ewige Leben. Das gilt für die heutigen Tagesheiligen, die frühchristlichen Märtyrer Nereus, Achilleus und Pankratius ebenso wie für den seligen Pfarrer Georg Häfner, dessen Seligsprechung vor einem Jahr in unserem Würzburger Sankt Kiliansdom gefeiert werden durfte und dessen Asche in der Krypta dieser Kirche aufbewahrt wird.

Unsere weltlichen Geburtstagsfeiern sind nur Atempausen, Zeit zur Besinnung und Anlass zum Danken. Es ist deshalb sinnvoll, einen kurzen Augenblick inne zu halten und uns über den Standpunkt auf unserem Weg zur Vollendung im Himmel klar zu werden.

„Die Christen wohnen zwar in der Welt, aber sie sind nicht aus der Welt“, entnehmen wir einem frühchristlichen Text (Diogenesbrief 6,3). Diese Welt als Gottes Schöpfung ist wunderschön. Schon die Psalmisten preisen Gottes wunderbares Wirken: „Kommt, lasst uns jubeln vor dem Herrn … Denn der Herr ist ein großer Gott, ein großer König über allen Göttern. In seiner Hand sind die Tiefen der Erde, sein sind die Gipfel der Berge. Sein ist das Meer, das er gemacht hat, das trockene Land, das seine Hände gebildet.“ (Ps 95)

Auch unsere zeitgenössischen Dichter und Schriftsteller loben unsere Erde. Am Beispiel der Festlinde von Reiner Kunze verdichtet sich der Lobpreis des Kosmos: „Die Linde steht zum Fest bereit, sie trägt ihr Blüten-Spitzenkleid mit den gelben Bändern. Von all ihren Gewändern, lindgrün, goldbraun, angeschneit ist’s ihr allerschönstes Kleid. Als Einladung liegt in der Luft süßer Lindenblütenduft.“ (Mensch im Wort, S. 8)

Wie dürfen wir Gott danken, dass er uns in das Leben gerufen hat und uns die Fähigkeit zu staunen und zu loben geschenkt hat. So danke ich Ihnen heute, dass Sie in meinen persönlichen Dank einstimmen und uns alle miteinander zu einer großen Feiergemeinde werden lassen.

Wenn der heilige Johannes im heutigen Evangelium von einem Gegensatz zwischen Welt und uns als Gotteskindern spricht, dann meint er nicht das Weltall als Lebensraum, sondern er spricht von einer Menschheit, die sich von Gott losgelöst hat und in einen Widerspruch zu Gott getreten ist.

Vielleicht kann man dies bei dem Theaterstück „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal nachvollziehen. In diesem Spiel vom Sterben des reichen Mannes lässt der Autor die Welt in einer Symbolgestalt auftreten, nämlich als Frau Welt, die als allegorische Figur einen Widerpart zum Willen Gottes bildet und Jedermann verführt, diese Welt mit all ihren Lüsten auszukosten. Jedermann wird sich jedoch vor Gott für seine Lebensweise verantworten müssen.

Diese Wirklichkeit gerät heute mehr und mehr aus dem Blick. Es besteht die Gefahr, sich von Gott emanzipieren zu wollen und an seine Stelle zu treten. Wenn aber der Blick auf das Ziel unseres Lebens, den Himmel, verlorengeht, verlieren wir den Boden unter den Füßen.

Dabei spürt auch der moderne Mensch, dass er die irdische Vergänglichkeit nicht auszublenden vermag. So dichtete Rainer Maria Rilke im Lob der Schöpfung: „Berge ruhn, von Sternen überprächtigt; - aber auch in ihnen flimmert Zeit. Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt obdachlos die Unvergänglichkeit – (Hans Egon Holthusen: Rainer Maria Rilke, rowohlts monographien, S. 137)

Die Sehnsucht nach Ewigkeit, vollkommenem Glück und Geborgenheit bleibt zutiefst Motor unseres Denkens und Handelns.

Das wussten nicht nur unsere Vorfahren im Glauben, sondern sie haben uns dies bildkräftig hier in Neumünster hinterlassen. Über der Krypta mit dem Schrein der Frankenapostel Kilian, Kolonat und Totnan erhebt sich eine große Kuppel, die im Gemälde von Nikolaus Gottfried Stuber (1736) gleichsam einen Ausblick in den Himmel ermöglicht. Über dem Gemälde mit der Dreifaltigkeit und den himmlischen Heerscharen aber führt noch einmal die alles überhöhende Laterne in die Weite des Himmels.

Gottes Himmel ist so groß und umfassend, so ganz anders als wir uns das vorstellen können, dass wir dazu Hilfe brauchen, um wenigstens ein wenig von seinem Glanz und seiner Größe zu erfassen.

Der Apostel Johannes gibt uns eine Hilfestellung. Er hat einen Blick in den Himmel wagen dürfen und ihn in der so genannten Geheimen Offenbarung, dem letzten und einzigen prophetischen Buch des Neuen Testamentes, hinterlassen. Gleichsam an der Hand eines Engels durfte er einen Blick in die großen Zusammenhänge der Weltschöpfung, der Entstehung des Bösen, der Erlösung und der Vollendung im Himmel werfen. Er bemühte sich, in faszinierenden Bildern, Symbolen und Metaphern die gewaltigen Erlebnisse in Gedanken und Vorstellungen zu formen und in eine Sprache umzusetzen, die eigentlich dafür gar nicht ausreicht.

Unser Versuch, den verheißenen Himmel zu erfassen, bleibt Stückwerk. Aber er ist dennoch nicht gänzlich unerreichbar.

Es gibt viele Berührungspunkte, die schon jetzt eine innere Verbindung ermöglichen: Wann immer wir mit Gott im Gebet Kontakte aufnehmen und Gottesdienste feiern, wann immer wir dem Willen Gottes entsprechen und die Liebe Christi leben, öffnet sich der Himmel schon einen Spalt weit.

So ist es auch jetzt: Die Feier der Heiligen Messe ist nicht nur ein Vorgeschmack auf den Himmel, wo die ganze Schar der Engel und Heiligen Gott preist, sondern Himmel und Erde verbinden sich schon jetzt zur Feier der Liebe Gottes und zum gemeinsamen Lob Gottes.

Wanderer zwischen zwei Welten sind wir. Diese frohe Botschaft in die ganze Welt zu tragen ist uns Aufgabe, Ehre und Freude. Amen.