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Arbeitslosigkeit ist keine Schande

Vinzenztag des Caritasverbands für die Diözese Würzburg – Thema „Arbeitslos 2005: Chancen statt Vorurteile“ – Hartz IV keine Erfolgsstory – Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe aber Meilenstein – Politik überfordert Bundesagentur für Arbeit als „Bundesagentur für alles“

Würzburg (POW) „Wer Arbeit sucht, findet auch welche – das sagen die, die nicht selbst betroffen sind!“ Das betonte Eugen Hain, Leiter der Agentur für Arbeit in Würzburg, beim diesjährigen Vinzenztag des Caritasverbands für die Diözese Würzburg in der Don-Bosco-Berufsschule. Auf dem Podium diskutierten Vertreter von Caritas, Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und öffentlichen Einrichtungen das Thema „Arbeitslos 2005: Chancen statt Vorurteile“. Rainer Sans, Rechtsdirektor des Deutschen Caritasverbands in Freiburg, hielt das Impulsreferat. Domkapitular Dietrich Seidel, Vorsitzender des diözesanen Caritasverbands, gab den geistlichen Impuls.

Caritasdirektor Martin Pfirem wies in seiner Begrüßung den Vorwurf von Seiten der Gewerkschaften und der gewinnorientierten Privatwirtschaft zurück, die Caritas als Verband der freien Wohlfahrtspflege wolle sich an der Not der Arbeitslosen durch billige Ein-Euro-Jobber bereichern oder doch zumindest ihre Position am Markt sozialer Dienstleistungen zu Lasten anderer ausbauen. Der Vorwurf sei ein Widerspruch in sich. Er zeige, wie wenig man die Caritas, ihrer Ziele und Strukturen kenne.

„Hartnäckig hält sich in Deutschland die Meinung, dass viele Arbeitslose gar nicht arbeiten wollen. 2001 glaubten das bereits 66 Prozent der Deutschen“, erläuterte Sans. Dabei sei die Misere auf dem Arbeitsmarkt allgemein bekannt. Nachweislich würde ein sehr hoher Prozentsatz der Arbeitslosen nichts lieber tun, als wieder einer Beschäftigung nachzugehen. Denn langanhaltende Arbeitslosigkeit wirke sich bekanntermaßen extrem belastend auf die wirtschaftliche Existenz, das Familienleben, die physische und psychische Gesundheit, die sozialen Beziehungen und den Erhalt der beruflichen Qualifikation aus. Die Caritas, die sich nach ihrem Leitbild als „Anwalt und Partner Benachteiligter“ verstehe, könne nicht hinnehmen, dass den Betroffenen zu ihrer Not auch noch die Schmach öffentlicher Diffamierung zugefügt werde.

Dass Hartz IV nicht die große Erfolgsstory ist, darin waren sich die Diskussionsteilnehmer einig. „Das Problem der Arbeitslosigkeit kann damit nicht gelöst werden“, stellte Sans fest. Das Hauptproblem sei dabei die Frage der Zusätzlichkeit. Einerseits bestehe die Gefahr, dass reguläre Arbeitsverhältnisse durch Ein-Euro-Jobs verdrängt würden. Das wolle man dadurch vermeiden, dass die hier eingesetzten Arbeitskräfte nur Zusatzjobs verrichten dürften. Andererseits verhindere dieses Kriterium aber auch, dass mehr Menschen eingestellt würden. „Hartz IV schafft keine Arbeitsplätze, das kann nur die Wirtschaft“, kritisierte Eberhard Nuss, stellvertretender Landrat des Landkreises Würzburg. Dennoch sei das Gesetz nicht ganz zu verdammen, da es die Leute immerhin aus dem lethargischen Herumsitzen in der Wohnung heraushole. Der Landkreis habe in diesem Jahr auch tatsächlich einige hundert Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zurückbringen können.

„Der Begriff Hartz IV ist eigentlich eine Volksverdummung“, beanstandete Dr. Alexandra Pirzer von der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw), München. Kaum jemand wisse, dass sich dahinter das „Gesetz zur Grundsicherung für Arbeitsuchende“ verberge. Mit Gabriele Meyer von der Gewerkschaft ver.di war sich Pirzer einig, dass die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld trotz aller Kritik ein Meilenstein gewesen sei. „Diese Trennung gab es nirgends in Europa.“ Zwar stellten sich manche Arbeitslose schlechter als zuvor, vor allem jene mit Vermögen, die für das Alter gespart hätten und nun das Ersparte aufbrauchen müssten. Andere, die nichts gespart hätten, bekämen sofort Unterstützung. Dies werde in der Bevölkerung zu Recht als unfair empfunden. Jedoch seien durch das Gesetz auch viele Menschen wieder in die Sozialversicherung hineingekommen, die zuvor aus ihr herausgefallen waren, die vorherigen Sozialhilfeempfänger.

Deutliche Kritik übte Hain an der Überforderung der Bundesagentur für Arbeit durch die Politik: „Sie wird langsam zu einer „Bundesagentur für alles“, die sich nicht nur um Arbeitsuchende kümmern soll, sondern auch um all die psychosozialen Probleme, die mit der Arbeitslosigkeit zusammenhängen. Das ist nicht zum Nulltarif zu haben!“ Die entscheidende Frage sei, wie Deutschland aus der Tretmühle herauskomme, die Massenarbeitslosigkeit nur zu verwalten. Bedenklich finde er hier auch das Haupthindernis zur Aufnahme von Arbeit – das Alter. „Es ist doch erschreckend, dass die meisten Personalchefs in einem Alter sind, in dem sie glauben, selbst über hohe Qualifikationen zu verfügen – die sie aber gleichzeitig den gleichaltrigen Bewerbern gerade wegen ihres Alters absprechen!“

Meyer kritisierte, dass es zwar viele Bestrebungen in der Gesellschaft gebe, das Problem Arbeitslosigkeit zu lösen, eine konzertierte Aktion aber fehle. Obwohl die Gewerkschaft das Gesetz mitgetragen habe, habe es innergewerkschaftlich starke Kritik an den unsozialen Bestandteilen gegeben. Sie wünsche sich etwa eine gleiche Behandlung von Arbeitslosen in Ost und West sowie einen längeren Bezug von Arbeitslosengeld 1 für ältere Arbeitnehmer, da diese auch sehr lange ihre Solidarleistung erbracht hätten. Wie auch Pirzner sprach sich Meyer für einen klaren Schutz vor Lohndumping aus.

(3905/1232; E-Mail voraus)

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