Würzburg (POW) Unter dem Titel „Fürstbischof Julius Echter – verehrt, verflucht, verkannt?“ hat sich eine Tagung in der Neubaukirche in Würzburg mit Fürstbischof Julius Echter auseinandergesetzt. Die wissenschaftliche Veranstaltung stand im Kontext des 400. Todestags Echters, der im Jahr 2017 begangen wird. Welche neuen Erkenntnisse aktuelle Forschungen ergeben haben und welche populären Fehleinschätzungen korrigiert werden mussten, erläutert im folgenden Interview Professor Dr. Wolfgang Weiß, Kirchenhistoriker an der Universität Würzburg und Vorsitzender des Würzburger Diözesangeschichtsvereins.
POW: Über 200 Personen haben an der Echter-Tagung teilgenommen, so dass die Veranstaltung kurzfristig in die Neubaukirche verlegt werden musste. Wie erklären Sie sich die große Resonanz?
Professor Dr. Wolfgang Weiß: Julius Echter bewegt Würzburg und Franken offensichtlich auch nach 400 Jahren. Sein Wirken ist bis heute lebendig, einmal in seinen Gründungen Universität und Juliusspital. Zum anderen in seiner Prägung des katholischen Mainfrankens, das sich allerdings in einem gewaltigen Prozess des Umbruchs befindet. Für dieses Gebiet war er lange die Identifikationsfigur für einen traditionellen Katholizismus, der sich der Aufklärung und der gesellschaftlichen Modernisierung erwehren wollte. Heute will sich die Kirche einem Dialog nicht versagen, viele sehen in ihr trotzdem eine völlig veraltete Institution. An den Fronten der gegenwärtigen Diskussionen spielt sich auch die Bewertung Julius Echters ab. Sie spiegelt nicht selten die Einstellung zur gegenwärtigen Kirche wider. Mag Echter auch zu seiner Zeit zeitgemäß und damit modern gewesen sein, so stellen sich unsere Zeichen der Zeit nicht selten sogar fundamental anders dar. Das bringt auch einen nicht ganz konflikt- und schmerzfreien Blick auf Echter mit sich.
POW: Was meinen Sie genau?
Weiß: Es fällt nicht leicht, eine Figur, die so vielfältig in unsere Zeit hereinragt, rein historisch zu betrachten, zumal mit ihr emotional manche Unsicherheiten, persönliche Such- und Klärungsprozesse im eigenen religiösen und kirchlichen oder auch areligiösen Horizont verbunden sind. Diese Momente machen Echter zu einer auch aktuell interessanten Persönlichkeit, aber auch zur Reizfigur. Die Begegnung mit ihm besitzt existentielle Qualitäten. Manche Leserbriefe in der regionalen Presse bezeugen das.
POW: Welche neuen Erkenntnisse sind bei den Vorträgen thematisiert worden?
Weiß: Sehr erhellend empfand ich die Referate zur Erinnerungskultur und zur Geschichtsschreibung Julius Echters. Dabei wurden auch die Linien zu den unterschiedlichen Beurteilungen der Gegenwart sichtbar. Spätestens seit König Ludwig I. von Bayern im Rahmen seiner regional orientierten Geschichtspolitik Julius Echter zur mainfränkischen Leitfigur erhob und ihm 1847 ein Denkmal in der Julius-Promenade errichten ließ, wurde Echter für die liberalen Kräfte zum Feindbild. Auch die verständliche schon ältere Distanz, ja Abneigung der evangelischen Christen gegen Echter wurde verstärkt, während gerade im katholischen Bereich seine Verehrung stieg. Echter wurde so ein Objekt des Kulturkampfs. Im Klima der Ökumene haben die christlichen Kirchen zu einer sachlichen Auseinandersetzung gefunden. Auch die Geschichtsschreibung trägt zu einer objektiven Einordnung in das für uns heute so fremde und schwierige konfessionelle Zeitalter bei. Das kontrastiert mit unterschwelligen Vorbehalten und offenen Negativbeurteilungen im populären Kontext.
POW: Welche besonderen Schwerpunkte hatte die Tagung?
Weiß: Intensiv wurde Echters Wirken als Landesherr auf der Basis der politischen Handlungsstrategien seiner Zeit herausgearbeitet: Abrundung und Erweiterung des Territoriums, Wahrung einer Friedensordnung im Reich im Interesse des Ausbaus des eigenen Landes, Vereinheitlichung im Innern – auch katholisch bekenntnismäßig –, Reformmaßnahmen und Regulierungen in praktisch allen Teilen des öffentlichen Lebens wie Verwaltung, Bildung und Fürsorge. Deutlich wurde auch, wie Religionspolitik immer auch Territorialpolitik darstellte und wie dabei die protestantischen Fürsten als Vorbilder dienten.
POW: Welche Felder bedürfen insbesondere im Blick auf den 2017 anstehenden 400. Todestag noch einer genaueren wissenschaftlichen Untersuchung?
Weiß: Gerade der Aspekt der Hexenprozesse muss noch weiter untersucht werden. Es ist hier wichtig, wieder die Quellen selbst zu befragen, und nicht immer die teils falschen, schiefen und halbwahren Verzeichnungen zu wiederholen. Dann war auf der Tagung ein Vortrag über Echters Judenpolitik vorgesehen, der aber kurzfristig ausfallen musste. Er wird im Frühjahr 2017 nachgeholt werden. Diese Thematik darf auf keinen Fall unterschlagen werden. Längerfristig sollten Untersuchungen zu Julius Echters Reichs-, Bündnis- und Nachbarschaftspolitik auf den Weg gebracht werden. Auch das Verhältnis zur Kurie, der gegenüber Echter immer recht selbstbewusst auftrat, sollte betrachtet werden. Für 2017 und für die Ausstellung sollte versucht werden, die Persönlichkeit Echters, sozusagen den echten Echter, zwischen Lobsprüchen und Polemik besser zu erfassen. Hier ist es notwendig, die vielen Schichten der Forschung abzutragen, und wenn es auch nicht vollständig gelingen wird, ein authentisches Bild von Echter zu zeichnen, wenigstens die Ursprünge der Echter-Bilder zu erkennen und zu verstehen.
POW: Über Echter kursieren viele, unterschiedlich geprägte Einschätzungen. Gibt es eine Beurteilung, die nach dem aktuellen Stand der Forschung falsch ist?
Weiß: Man kann davon ausgehen, dass das Bild vom lüsternen Hexenjäger nicht zutrifft. Wenngleich auch er von der durch Volks- und Expertenmeinung abgesicherten Vorstellung ausging, dass es Hexen, Hexer und Schadenszauber gibt, so mahnte er eher zur Vorsicht. Generell sollte man bedenken, dass er geschult war, Emotionen nicht in den Vordergrund treten und sich nicht von Empathie leiten zu lassen. Er war ein frommer Mensch und gläubiger Katholik, aber kaum ein religiöser Fanatiker. Er folgte der Ratio des Zeitalters, die uns fremd ist. So erscheint uns das Element des Dissimulierens (des Vortäuschens und Verbergens) als politisches Mittel widerwärtig. Die Maxime – „der Zweck heiligt die Mittel“ – galt damals als legitim und unverzichtbar. Wir betonen heute gerne Offenheit und Vertrauen. Es sind aber immer noch nicht die Mittel der Erfolgreichen – leider.
Interview: Markus Hauck (POW)
(1516/0457; E-Mail voraus)
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