Würzburg (POW) Nach der Veröffentlichung des von der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Bistum Würzburg (UKAM) in Auftrag gegebenen Gutachtens geht das Bistum Würzburg erste Schritte der Aufarbeitung in einer Gemeinde. Im Pfarrsaal von Sankt Norbert in Höchberg informierten am Dienstagabend, 3. Juni, Generalvikar Dr. Jürgen Vorndran und das diözesane Krisenteam die frühere Gemeinde eines 2017 verstorbenen beschuldigten Priesters über die Tatvorwürfe. Sie stellten sich einem ausführlichen Austausch mit den knapp 100 anwesenden Gemeindemitgliedern. „Wir gehen jetzt einen weiteren Schritt der Aufarbeitung vor Ort mit Ihnen als Gemeinde“, betonte der Generalvikar.
Gleich zu Beginn des Treffens bat Vorndran auch im Namen von Bischof Dr. Franz Jung die Gläubigen um Entschuldigung dafür, dass im Jahr 2010 die damaligen Verantwortlichen des Bistums zwar Kenntnisse von den Vorwürfen erhielten, diese aber nicht zureichend bearbeitet wurden. Die Gemeinde sei damals nicht informiert worden und habe somit bis zur Veröffentlichung des Gutachtens im April 2025 keine Kenntnis von den Vorwürfen gehabt. Laut Gutachten soll der Priester die Taten in den 1970er Jahren in einer anderen Gemeinde im Raum Würzburg begangen haben.
„Die Vorwürfe wurden als plausibel beurteilt, das Leid der Betroffenen wurde anerkannt. Der Priester trat danach in den Ruhestand. Mit der Mitteilung an die Glaubenskongregation wurde der Fall damals abgeschlossen“, erklärte der Generalvikar. Er selbst habe 2017 als Würzburger Dekan das Requiem für den verstorbenen Beschuldigten gefeiert. Der Dekan des damaligen Dekanats Würzburg links des Mains, Dr. Paul Julian, habe diesen beerdigt. Beide hatten jedoch keine Kenntnis von den Vorwürfen.
Weiter berichtete Vorndran, dass Bischof Jung nach seinem Amtsantritt 2018 alle bekannten Fälle sexualisierter Gewalt von lebenden Beschuldigten der Staatsanwaltschaft übergeben habe. Da der beschuldigte Priester bereits verstorben war, war eine strafrechtliche Prüfung nicht mehr möglich. 2022 habe das Bistum den Fall der Staatsanwaltschaft zur Überprüfung auf strafbares Fehlverhalten von Verantwortungsträgern übermittelt. Da kein ausreichender Anfangsverdacht festgestellt wurde, habe die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren eingestellt. Auch das Gutachten der UKAM komme zum Ergebnis, dass es keine Anhaltspunkte für Versäumnisse der Würzburger Verantwortungsträger nach weltlichem Strafrecht gebe.
Als entscheidende Wegmarke der Aufarbeitung bezeichnete Vorndran das Gutachten vom 8. April 2025. Im Vorfeld der Veröffentlichung habe er alle Dekanate besucht, für den Themenbereich sexualisierter Gewalt sensibilisiert und alle Haupt- und Ehrenamtlichen ermutigt, das Gutachten zu lesen. Gleichzeitig habe er sich mit dem Krisenteam darauf vorbereitet, mit irritierten Gemeinden einen Weg der Aufarbeitung zu gehen. Matthias Lotz, Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft „Mariä Geburt und Sankt Norbert – Höchberg“, habe Ende April 2025 dem Bischöflichen Ordinariat Würzburg mitgeteilt, dass es Irritationen in der Gemeinde gebe. Am 19. Mai vereinbarten Generalvikar Vorndran und Pfarrer Lotz für den 20. Mai ein Informationsgespräch vor Ort mit den Vertretern von Kirchenverwaltung und Pfarrgemeinderat sowie dem Krisenteam. Noch am selben Abend sei man übereingekommen, das Bild des früheren Pfarrers in der Kirche Sankt Norbert in Höchberg abzuhängen. Eine entsprechende Information wurde auf der Homepage der Gemeinde veröffentlicht. Am darauffolgenden Sonntag wurde die Gemeinde nach dem Gottesdienst durch den Pfarrgemeinderat informiert. Einen weiteren Austausch setzte Vorndran am 26. Mai für den Abend des 3. Juni an.
Dass der Bischof mit der Betroffenenseite in Kontakt sei, unterstrich die Interventionsbeauftragte für das Bistum, Kerstin Schüller. Die Gemeindemitglieder wies sie bei der Beschäftigung mit dem Thema von sexualisierter Gewalt auf die Gefahr einer sekundären Traumatisierung hin. Im Blick auf das Bistum Würzburg erläuterte Vorndran, dass heute ein klar geregeltes Interventionsverfahren greife: „Der erste Weg führt zur Staatsanwaltschaft und nach der Freigabe durch die Staatsanwaltschaft sofort in die betreffende Gemeinde. Es braucht die Anstrengung aller auf dem Weg der Aufarbeitung. Nur so können wir unserer Verantwortung, Missbrauch konsequent entgegenzutreten, gerecht werden“, betonte der Generalvikar. „Ich fordere diesen neuen Umgang, damit wir den Glauben an die Kirche nicht verlieren“, sagte ein Teilnehmer als Reaktion auf diese Ausführungen.
Für die Gemeindemitglieder bot der Abend des 3. Juni zum einen Information, zum anderen aber auch Raum, ihre „unsägliche Wut“, ihre Kritik und ihre Forderungen zur weiteren Aufarbeitung zu äußern. Er erwarte Antworten der früheren Bistumsleitung zum Vorgehen in dem Fall. „Das ist mein Anliegen. Moralisch ist hier noch einiges aufzuarbeiten“, sagte ein weiteres Gemeindemitglied. Die stellvertretende Vorsitzende des Pfarrgemeinderats, Christina Gold, machte mit Blick auf das Gutachten deutlich: „Es war ein ganz furchtbarer Missbrauch durch den hochverehrten Pfarrer. Das kann man alles im Gutachten nachlesen. Damit müssen wir umgehen.“ Damit beschrieb sie die Aufgabe, die nun vor der Gemeinde liegt und bei der sie vom Bistum begleitet wird. „Lassen Sie uns gemeinsam Schritte der Aufarbeitung gehen und unsere Haltung stärken: ,Gemeinsam für eine sichere Kirche‘.“ Mit diesem Appell beschloss Generalvikar Vorndran den abendlichen Austausch und dankte den Gemeindemitgliedern für das konstruktive Gespräch.
Hinweis: Personen, die sexualisierte Gewalt im Bereich des Bistums Würzburg durch Kleriker oder andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst erfahren haben, können sich an die unabhängigen Ansprechpersonen des Bistums Würzburg wenden.
Unabhängige Ansprechpersonen im Bistum Würzburg:
Professor Dr. Alexander Schraml, Telefon: 0151/21265746,
E-Mail: alexander.schraml@missbrauchsbeauftragte-wuerzburg.de
Ilona an Voort, Telefon: 0151/64402894,
E-Mail: ilona.anvoort@missbrauchsbeauftragte-wuerzburg.de
Interventionsbeauftragte für das Bistum Würzburg:
Kerstin Schüller, Telefon 0931/38610004, E-Mail: intervention@bistum-wuerzburg.de
Internet: https://www.bistum-wuerzburg.de/seelsorge-hilfe-beratung/missbrauch/
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