Würzburg (POW) Hoffnung, Freude, Zuversicht, aber auch Unsicherheit, Angespanntheit, Stress: Das sind die Emotionen, mit denen Seelsorgerinnen und Seelsorger im Bistum Würzburg auf ihre Arbeit blicken. Mehr als 40 Männer und Frauen haben sich bei einer Tagung unter der Überschrift „Auf in die Zukunft! Seelsorger:in sein 2035“ am Dienstag, 27. Februar, im Würzburger Burkardushaus mit der Zukunft der Seelsorge auseinandergesetzt. Angesprochen waren insbesondere Männer und Frauen, die nach 1980 geboren sind und auch noch in zehn Jahren Dienst im Bistum tun werden. Organisiert wurde die Veranstaltung von Bettina Gawronski und Hanna Lutz-Hartmann, Referentinnen für Pastorale Entwicklung und Konzeption.
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„So, wie Kirche heute ist, war sie noch nie und wird sie nie wieder sein. Wir brauchen eine Perspektive“, stellte Gawronski zu Beginn des Abends fest. Im Jahr 2035 werde es deutlich weniger Kolleginnen und Kollegen geben als heute. Sie stellte zwei Fragen in den Raum: Welche Rolle müssen Seelsorgerinnen und Seelsorger künftig einnehmen? Welche Kompetenzen müssen sie dazu erwerben? Bischof Dr. Franz Jung berichtete von seinen Besuchen in den Pastoralen Räumen. Eine wiederkehrende Frage sei: Wer wird in zehn Jahren noch da sein? Das habe den Anstoß zum heutigen Abend gegeben. Er erhoffe sich von der Veranstaltung, „dass wir uns darauf verständigen, was wirklich wichtig sein wird und wohin wir uns entwickeln müssen“.
Wie sich die Personalsituation in den kommenden Jahren entwickeln wird, skizzierte Pastoralreferent Johannes Reuter, Leiter der Abteilung „Steuerung und Begleitung“. Demnach werde das pastorale Personal von 571 Personen (Stand September 2023) auf 362 Personen im Jahr 2035 sinken. Das entspreche – unter Berücksichtigung der Teilzeitstellen – einem Rückgang um nahezu 165 Stellen. Vor diesem Hintergrund wünschte sich Reuter eine Konzentration auf das, was „notwendig und leistbar“ sei. Zugleich müsse man die Zugangswege zu den pastoralen Berufen verbreitern, etwa durch das Angebot eines Dualen Studiums oder Nachqualifizierungen. Man müsse überlegen, welche weiteren Professionen bei der seelsorglichen Tätigkeit unterstützen können, etwa pädagogische Fachkräfte. Wichtig sei auch, engagierte Menschen zu qualifizieren und zu begleiten. „Wir sollten uns als Teams verstehen.“
„Lasst uns nicht auf die Zahlen fixieren, sondern schauen, was möglich ist“, sagte Bischof Jung. Man brauche den Mut, Dinge auch sein zu lassen. „Wo haben Menschen Kontakt mit der Kirche? Bei der Taufe, der Beisetzung, der Eheschließung.“ Für viele sei es der erste, aber vielleicht auch der letzte Kontakt, dazu komme die Konkurrenz durch freie Anbieter. „Wir müssen gut, empathisch und lebensnah bei denen sein, die unsere Dienste erbitten, und die Menschen dort abholen, wo sie stehen“, sagte der Bischof. Man müsse die Menschen auch dazu ermutigen, sich selbst mit den Grundlagen des Glaubens auseinanderzusetzen, beispielsweise mit Hilfe der „Lectio Divina“. Wichtig war Bischof Jung auch, verlässliche Angebote in den Pastoralen Räumen zu schaffen. Es brauche feste, verlässliche Zeiten und Orte für Gottesdienste und Gespräche. Man müsse die Menschen aber auch über andere Kanäle und Formate erreichen. Als Beispiel führte er die vielfältigen Angebote in den sozialen Medien an, die während der Coronopandemie entstanden waren.
In einem stetig wachsenden Schaubild stellte Gawronski die unterschiedlichen Rollen vor, die ein Seelsorger oder eine Seelsorgerin zu erfüllen habe: „geistliche Begleiter:in“, „Verwalter:in“, „Inspirator:in“, „Fundraiser:in“, „Charismenentdecker:in“… Am Ende kam die stattliche Anzahl von 20 möglichen Rollen zustande. Auf die Seelsorge komme ein „kontinuierlicher Lern- und Veränderungsprozess zu“, sagte Gawronski. „Die Rolle der beruflichen Seelsorgerinnen und Seelsorger ändert sich.“ Das pastorale Leben werde aber auch von den Menschen vor Ort getragen. „Wir haben vor allem die Aufgabe, die Getauften zu unterstützen, zu fördern und zu begleiten. Es ist eine Haltung, die darauf vertraut, dass der Geist Gottes auch in allen anderen Menschen weht.“
In mehreren Arbeitsrunden setzten sich die Männer und Frauen mit ihrem Rollenbild auseinander. Auf die Frage „Was ist mir an meiner Arbeit wichtig?“ wurden mehrfach die Begleitung von Menschen, Glaubensweitergabe und Teamarbeit genannt. Als Herausforderungen wurden unter anderem die überbordende Bürokratie, der Spagat zwischen Familie und Beruf, der Fokus auf die Finanzen, aber auch unterschiedliche Schwerpunktsetzungen im Team gesehen. „Die größeren Räume machen keine Freude“, lautete eine weitere Rückmeldung. Im Jahr 2035 werden nach Ansicht der Teilnehmerinnen und Teilnehmer weiterhin die Glaubensverkündigung und die Lebensbegleitung wichtig sein. Eine Gruppe schrieb zudem: „Transformationsprozesse positiv begleiten und offen für Experimente sein.“ Auf die Frage nach neuen Herausforderungen kamen unter anderem „Bezugsorte schaffen“, „Community-Building durch engagierte Menschen“, die Qualifizierung der Mitarbeiter oder auch „Konkurrenz belebt das Geschäft“.
„Es tut gut, dass nach Jahren des Ringens um Strukturen der Blick nun auf inhaltliche Dinge gerichtet wird“, sagte ein Teilnehmer in der abschließenden Diskussion. Verbindliche Entscheidungen von Seiten der Bistumsleitung wünschte ein anderer: „Wir müssen gemeinsam Fahrt aufnehmen. Aktuell schwimmt jedes Bötchen woanders hin.“ Momentan werde nur in Negativbildern gedacht, sagte Bischof Jung. Man könne aber auch von einem großen Transformationsprozess sprechen. „2035 ist das Schlimmste geschafft, und es werden sich neue Horizonte auftun. Ich habe gespürt, dass die Energie da ist, um etwas auszuprobieren und neue Räume zu öffnen.“
sti (POW)
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