Würzburg (POW) Mit dem Kulturpreis 2009 hat die Stadt Würzburg am Donnerstagabend, 10. Dezember, Domkapitular Dr. Jürgen Lenssen, Bau- und Kunstreferent der Diözese Würzburg, ausgezeichnet. Oberbürgermeister Georg Rosenthal würdigte den Preisträger als Persönlichkeit, „die in Würzburg und der Region Mainfranken innovative Maßstäbe nicht nur für die Diözese, sondern für alle an christlicher Kunst und Kultur interessierten Bürger setzt“. An der Feier im Ratssaal des Würzburger Rathauses mit über 100 geladenen Gästen aus Kultur und Gesellschaft nahmen neben zahlreichen Mitgliedern des Stadtrats auch Vertreter des Bezirks, der Universität und der Fachhochschule Würzburg sowie des bayerischen Landtags teil, außerdem die Bischöfe Dr. Paul-Werner Scheele, Ulrich Boom und Helmut Bauer, Mitglieder des Domkapitels sowie Dekan Dr. Günter Breitenbach als Vertreter der evangelischen Kirche.
Muchtar Al Ghusain, Kulturreferent der Stadt Würzburg, würdigte zum Auftakt der Veranstaltung „das Gesamtkunstwerk Lenssen“. In herausragender Weise habe dieser die kulturelle Entwicklung in Würzburg und darüber hinaus mitgestaltet. Es tue gut, dass Lenssen zum Beispiel im Museum am Dom eine liberale Haltung zu zeitgenössischer Kunst vertrete. „Auf diese Weise hat er das öffentliche Bild der katholischen Kirche sichtbar gewandelt“, attestierte Al Ghusain. Der Domkapitular habe sich bei seinem Schaffen stets dafür eingesetzt, dass existentielle Fragen der Menschheit angesprochen werden. „Er hat sich auch immer dafür stark gemacht, dass der öffentliche Raum nicht zum allein ökonomischen Raum verkommt.“ Diese Position habe Lenssen sicher viel Kraft gekostet, weil er für seinen heute gefeierten Einsatz mitunter extrem angefeindet worden sei.
Als einen Brückenbauer zwischen Kunst und Kirche würdigte Professor em. Dr. Horst Schwebel, emeritierter Inhaber des Lehrstuhls für Praktische Theologie und Direktor des Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart an der evangelischen Fakultät der Universität Marburg, Lenssen in seiner Laudatio. Die Schere zwischen zeitgenössischer Kunst und Kunst im kirchlichen Raum, die sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts auftat, habe der Kunstreferent der Diözese Würzburg wieder zusammen gebracht. „Das ist sein Lebenswerk“, betonte Schwebel. Die Liebe zur Kunst sei Lenssen in die Wiege gelegt worden: Für seinen Vater, der in der Textilindustrie arbeitete, habe er schon in jungen Jahren den einen oder anderen Stoff entwerfen dürfen. Aufgrund seiner Liebe zur Kunst habe er auch während des Theologiestudiums heimlich Kunstgeschichte studiert. 1989 wurde Lenssen zum Bau- und Kunstreferenten der Diözese ernannt.
„Als ich ihn ein Jahr später erstmals besuchte, war ich beim Anblick seines Arbeitszimmers überwältigt“, sagte Schwebel. Großformatige Ölgemälde, Skizzen und das Modell eines Altarentwurfs hätten ihm schon damals klar gemacht: Hier sitzt kein Verwalter, sondern jemand, der gestalten möchte. Lenssen habe in seinem Wirken die gute Tradition zeitgenössischer Kunst fortgeführt, die nach dem Krieg schon durch Döpfner, Schädel senior oder auch Meistermann vorangetrieben wurde. Ihm sei zu verdanken, dass es heute im Bistum einen Kranz von Museen gebe, und seit 2003 das Museum am Dom. „Es wendet sich an Suchende und Zweifelnde, die hoffen, dass ihnen dort die wesentlichen Dinge begegnen.“ Im Museum am Dom sind unter anderem auch Werke von Künstlern aus der ehemaligen DDR vertreten. Einer von ihnen, Wolfgang Mattheuer, habe Lenssen bei einem Besuch in Würzburg attestiert: „Hier ist ein Museum, das uns ernst nimmt und uns nicht einordnet.“
Typisch für Lenssen ist es nach Schwebels Worten, dass er das Gespräch zwischen verschiedenen künstlerischen Epochen ermöglicht. Das Würzburger Neumünster, in dem seit der Renovierung auch zeitgenössische Kunst zu finden ist, sei ein Beispiel für diesen Ansatz. Außerdem verstehe es der Domkapitular, Freundschaften zu pflegen und Mitarbeiter zu motivieren. So entstehe ein „fruchtbarer Acker, in dem Qualität und Talente entspringen können“.
Lenssen dankte mit einer offenen Rede für seine Ehrung. „Zuweilen konnte sich der Eindruck aufdrängen, ich sei in dieser Stadt eine persona non grata, heute aber stehe ich dank Ihrer Großzügigkeit sowie Ihrer inneren Freiheit vor Ihnen als eine persona grata, das heißt als ein Mensch, der von tiefer Dankbarkeit und Freude erfüllt ist“, sagte Lenssen. Er sei zutiefst überrascht gewesen, als er vor Monaten in einem Brief von der Auszeichnung erfuhr. „Meine Verwunderung wurde noch dadurch gesteigert, dass ein ausschlaggebender Grund für diese Ehrung das Museum am Dom war, wissen wir doch alle um die öffentlichen Auseinandersetzungen vor dessen Eröffnung.“ Lenssen dankte allen, die ihn auf seinem Weg stärkten und begleiteten, insbesondere seinen Eltern. Sein persönliches Leitbild sei, Traditionspflege nicht als ein Festmachen an der Vergangenheit zu verstehen, sondern das Handlungsprinzip der Vorfahren aufzugreifen, „das heißt, das Erscheinungsbild unserer Stadt von der jeweils gegenwärtigen Sprache der Kunst und Architektur prägen zu lassen“, ganz nach dem Vorbild Balthasar Neumanns.
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