Arnstein (POW) Beim Dialogabend „Sozial ist, was stark macht“ am Freitag, 13. Oktober, hat Professor Dr. Georg Cremer, ehemaliger Generalsekretär des Deutschen Caritasverbands, vor rund 35 Menschen im Pfarrheim Maria Sondheim in Arnstein über die Herausforderungen für eine Politik der Befähigung gesprochen. Er kritisierte, dass der deutsche Sozialstaat zwar gut ausgebaut sei, aber nicht genug gegen die gesellschaftliche Spaltung leiste. Das teilt der Veranstalter „Rückenwind“, der Förderverein für den Caritasverband für den Landkreis Main-Spessart, mit.
Mit Geld allein könne das Problem nicht gelöst werden, sagte Cremer. Zentral für eine sozial gerechte Gesellschaft sei, dass alle Bürgerinnen und Bürger ihre Potenziale entfalten könnten und so die Chance zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hätten. Eine Politik, die Selbstsorge und Autonomie fördere und dabei die Fürsorge nicht vernachlässige, stärke auch die Leistungsfähigkeit des Sozialstaats, sagte Cremer. Wer ermutigt werde, traue sich mehr zu und ihm werde mehr zugetraut. So entwickelten die Menschen die Überzeugung, handeln zu können und damit Wirkung zu erzeugen. Ökonomische Ressourcen seien ein Mittel, aber nicht das Ziel menschlicher Existenz. Nicht die Verfügungsgewalt über Ressourcen mache die Wohlfahrt aus, sondern die Handlungsoptionen, die sie ermöglichten. Cremer sah Armut als Mangel an fundamentalen Verwirklichungschancen. Dabei wies er vor allem auf die Bildungsgerechtigkeit hin. Patenschaften und Mentoring-Programme könnten seiner Ansicht nach Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglichen und dazu ermutigen, durchzuhalten. Aber der Befähigungsansatz sei kein Werkzeugkasten. Verzahnung und Vernetzung seien für die Umsetzung elementar. Bürokratische Handlungsspielräume müssten zum Wohl des Menschen genutzt werden.
Im Anschluss diskutierten Sabine Sitter (CSU), Landrätin des Landkreises Main-Spessart und Schirmherrin der Dialogabende, Landtagsabgeordneter Thorsten Schwab (CSU) und Pastoralreferent Dr. Thorsten Kapperer, Koordinator im Pastoralen Raum Gemünden am Main. Ein rechtlicher Rahmen sei nötig, werde aber oft mit Bürokratismus verwechselt, sagte Sitter. „Effektive Zusammenarbeit mit anderen ist in diesen Zeiten notwendig. Jede und jeder ist aufgefordert, mutig zu sein, zu wachsen, denn jeder Einzelne ist ein Teil vom Ganzen.“ Kapperer sah auch die Kirche als Ort der Befähigung. „Der diakonische Ansatz ist der Blick Jesu auf die Menschen, die Schwachen zu stärken, nie die Hoffnung für den anderen aufzugeben. Vor allem aber müssen wir für die Menschen erreichbar sein“, betonte er. Jeder sollte die gleichen Chancen haben, sagte Schwab: „Meine Zukunftsvision ist eine Bildungs- und Sozialpolitik, die sich als Politik der Befähigung begreift, Verwirklichungschancen erweitert und somit Raum gibt für Eigenverantwortung und Selbstsorge.“ Moderatorin Pia Theresia Franke, stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins, forderte das Publikum dazu auf, sich einzubringen. „Wir würden uns freuen, von Ihnen zu hören, und sind gespannt auf Ihr Engagement und Ihre Ideen.“
„Rückenwind“-Vorsitzende Gabriele Kimmel erklärte: „Befähigung beginnt hier und heute mit jedem, mit oder ohne Funktion, privat oder beruflich. Jede und jeder kann heute Abend hier rausgehen mit dem Vorsatz, an einer Gesellschaft mitzuarbeiten, in der es für alle Menschen Handlungsoptionen und Verwirklichungschancen gibt.“ Gemeindereferent Peter Schott schloss den Abend mit den Worten: „Wir arbeiten nicht für irgendwelche Gesetze oder Verordnungen, für Parteien oder Interessen. Wir arbeiten für den Menschen, weil er kostbar ist.“
Informationen zum Verein „Rückenwind“ gibt es im Internet unter www.rueckenwind-msp.de.
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