Würzburg (POW) Am 3. Februar 1969 weihte Josef Kardinal Frings im Kölner Dom den späteren Bischof von Würzburg, Dr. Friedhelm Hofmann, zum Priester. Bischof Hofmann feiert das 40. Priesterjubiläum bei einem Pontifikalamt zum Fest der Darstellung des Herrn am Montag, 2. Februar, um 17.30 Uhr im Würzburger Kiliansdom. Im folgenden Interview blickt Bischof Hofmann auf seine Priesterweihe und sein Priesterleben zurück. Sein Fazit: „Ich würde den Weg wieder gehen.“
POW: Herr Bischof, welche Gedanken verbinden Sie mit dem Tag Ihrer Priesterweihe vor 40 Jahren?
Bischof Dr. Friedhelm Hofmann: Der Tag meiner Priesterweihe war der Beginn einer großen Liebe. Ich denke mit einem großen Glücksgefühl daran zurück. Die Priesterweihe bedeutete einen Aufbruch in ein großes Abenteuer mit Gott, das jetzt schon 40 Jahre dauert und im Grunde von seiner Faszination nichts verloren hat. Wir waren neun Weihekandidaten und wurden als Letzte von Josef Kardinal Frings geweiht. Am Schluss der Weihemesse wurde der spätere Kardinal Joseph Höffner als Koadjutor und Nachfolger von Kardinal Frings vorgestellt. Unser eigentlicher Weihetag sollte das Lichtmessfest sein, aber wegen des Hochfestes hatte man die Weihe auf den folgenden Blasiustag verschoben.
POW: Wie haben Sie Priesterweihe und Primiz gefeiert?
Bischof Hofmann: Die Weihe im Kölner Dom mitten im kalten Winter war ein herausragendes Ereignis. Über Schnee und Eis zogen wir in die sehr kalte Kathedrale. Die Tatsache, dass uns Kardinal Frings weihte, verband uns mit einer großen Bischofsära, die weit über Köln hinaus von Bedeutung war. Meine Primiz wurde wenige Tage später in der Pfarrkirche Sankt Konrad in Köln-Vogelsang gefeiert. Die ganze Gemeinde nahm daran Anteil. Mein Primizspruch lautete: „Alles ist aber aus Gott, der uns mit sich versöhnte durch Christus und uns den Dienst der Versöhnung übertrug.“
POW: Wurde Ihnen die Entscheidung für den Priesterberuf in die Wiege gelegt oder hatten Sie als Jugendlicher andere Berufswünsche?
Bischof Hofmann: Schon als kleiner Bub hatte ich den Blick aufs Priestertum gerichtet. Das hing mit dem Pfarrer und dem Kaplan meiner Gemeinde zusammen; beide waren Persönlichkeiten, die mich faszinierten. So hatte ich als Kind schon diese Perspektive, die sich allerdings nicht bruchlos durch meine Jugendzeit zog. Auf dem Gymnasium, kurz vor dem Abitur, habe ich schon mit mir gerungen, welchen Weg ich gehen soll: Sollte ich Kunst studieren, was mein Kunsterzieher für absolut stringent hielt? Oder sollte ich dem lange währenden Gedanken treu bleiben? Ich entschied mich für die Theologie und bin froh darüber, dass ich diesen Weg dann so konsequent gegangen bin. Was ich damals noch nicht ahnen konnte: Mir wurde später nochmals die Möglichkeit gegeben, Kunstgeschichte zu studieren und damit die Kunst in den Priesterberuf einzubinden.
POW: Was war ausschlaggebend für Ihre Entscheidung zum Priesterberuf?
Bischof Hofmann: Wenn ich auch als Künstler erfolgreich geworden wäre, hätte ich dennoch dem Priesteramt immer nachgehangen. Das hat mich letztlich dazu bewogen, konsequent meinen Weg zu gehen. Die Frage nach dem Zölibat war sicherlich eine der herausragenden Fragen, die man sich auf dem Weg zum Priestertum stellt: Kannst du diesen Weg auch wirklich so gehen? Der Ausblick auf den Gewinn, den ich durch meine Entscheidung erhalten würde, war aber größer als der Verzicht auf Ehe und Familie. Ich habe mir deshalb gesagt: Ich riskiere es! Wichtig war auch, dass man diesen Weg nicht alleine gegangen ist, sondern in einer Gemeinschaft, in der jeder andere für sich auch diese Entscheidung getroffen hat. Wir hatten und haben bis heute ein sehr gutes Miteinander in unserem Weihekurs. Die ähnlichen Entscheidungen eines jeden Einzelnen haben da einander wirklich getragen.
POW: Sie wurden nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil geweiht, gleichzeitig auch kurz nach dem Jahr 1968. Wie erlebten Sie als Weihekandidat Kirche und Gesellschaft in dieser Zeit?
Bischof Hofmann: Mein Theologiestudium absolvierte ich genau während der Umbruchszeit des Zweiten Vatikanums, das im Herbst 1962 in Rom eröffnet wurde. Im Frühjahr 1963 machte ich Abitur und erlebte damit die gesamte Konzilsära während des Studiums mit: all die Aufbrüche, all die Hoffnungen. Besonders im Ohr habe ich noch den Ausspruch von Johannes XXIII., der sagte: „Macht die Fenster der Kirche weit auf.“ Es war wirklich eine Aufbruchsstimmung. Auf der anderen Seite habe ich während des Studiums die 68er erlebt. In der Universität gab es Aufstände, Streiks und Bedrohungen. All das hat mich innerlich noch weiter für die Theologie aufgeschlossen, weil ich darin den Hort der Freiheit gegenüber einer sich sehr kämpferisch gebärdenden Ideologie sah. Während dieser Spannung zwischen den 68ern, die einen anderen Staat, eine andere Gesellschaft wollten, und dem, was die Kirche im Aufbruch durch das Zweite Vatikanum verkündete, bin ich zur Weihe gegangen. Das hat auch die ersten Jahre meines Priesterseins bestimmt.
POW: Welches Priesterbild herrschte in dieser Zeit vor und wie hat es sich im Laufe von vier Jahrzehnten verändert?
Bischof Hofmann: Der Pfarrer war ein Abbild des guten Hirten. Er war derjenige, der die ganze Gemeinde in seiner Person zusammenführte. Der Pfarrer war als Seelsorger für die Menschen da und kümmerte sich auch um deren materielle Nöte. Dieses Bild habe ich wahrgenommen und dieses Bild war gleichzeitig mein Anreiz, in diese Fußstapfen zu treten. Für die Priester wurde es später sicherlich komplizierter. Gerade weil eben oftmals nicht mehr die eine überschaubare Gemeinde existiert, sondern der Pfarrer jetzt auch einen größeren Verantwortungsbereich mit vielen Problemen zugesprochen bekommt. Es ist nicht mehr ausschließlich dieses Bild von Hirte und Herde. Das hat sicher das Priesterbild ein Stück verändert. Geblieben ist die Tatsache, dass Christus als der eigentliche Hirte der Garant ist, dass wir trotz der eigenen Schwächen diesen Weg gehen können. Der Blick auf Christus ist damals wie heute genau der gleiche. Wer Christus nicht in seiner Mitte hat, der kann diesen Weg nicht gehen.
POW: Welchen Dienst als Priester haben Sie am liebsten ausgeübt? Gibt es hierfür einen besonderen Grund, ein prägendes Beispiel?
Bischof Hofmann: Das war sicherlich die Seelsorge. Ich habe sehr gerne Hausbesuche gemacht und die Sakramente gespendet – vor allen Dingen im Kölner Dom. Dort habe ich 20 Jahre lang jede Woche 25 Stunden Beichte gehört. Das war ein riesiger Dienst. Und das „Mit-den-Menschen-leben“ ist das Faszinosum, das mich bis heute begleitet.
POW: Die meiste Zeit Ihres Priesterlebens haben Sie am Kölner Dom gewirkt. Was verbinden Sie mit dem einzigartigen Gotteshaus?
Bischof Hofmann: Es gibt wohl kaum einen Priester, der so mit dem Kölner Dom verwachsen ist wie ich. Zum einen habe ich 30 Jahre als Seelsorger in diesem Dom gewirkt, zum anderen habe ich durch die Kunstgeschichte dieses Bauwerk als etwas Extraordinäres erfahren. Es ist in seiner theologischen Grundlegung ein Abbild des himmlischen Jerusalems. Im Kölner Dom wird etwas von der Größe, der Weite und der Unauslotbarkeit Gottes sichtbar. Dieses Staunen habe ich während all der Jahre im Dom nicht verloren. Im Gegenteil: Ich habe immer wieder neue Dinge entdeckt, die ich bisher noch nicht wahrgenommen hatte. Der Kölner Dom ist schon etwas Herausragendes.
POW: Gibt es in einem solch langen Priesterleben auch Tiefpunkte und wie sollte ein Priester damit umgehen?
Bischof Hofmann: Tiefpunkte sind sicherlich das Miterleben des Scheiterns anderer: wenn Ehen auseinander gehen, wenn Priester ihren Beruf aufgeben, wenn Katastrophen Menschen an den Abgrund ziehen. Es bleibt einem als Priester nicht erspart, das mitzuerleben. Aber die angesprochene Rückbindung an Christus ist das Entscheidende. Man muss sich als Priester klar machen: Ich bin nicht der Mittelpunkt der Welt. Es geht nicht um mich, es geht nur um Christus. Ich bin nur der, der versucht, ihm Auge, Ohr und Mund zu leihen. Aber die Probleme und Nöte, die durch die Menschen an den Priester herangetragen werden, müssen von Christus her gelöst werden. Wir können sie nur weitergeben. Das ist für mich der entscheidende Grund, diese Tiefpunkte zu überwinden.
POW: Wie ist es bei eigenen Tiefpunkten, eigenen Problemen?
Bischof Hofmann: Da muss man sich genauso in die offenen Arme Gottes fallen lassen. Wir dürfen das Heil nicht von uns erwarten. Wir sind nicht die Supermacher, die alles ändern können. Aber die Erfahrung, dass die Wirklichkeit Gottes einen trägt, macht auch eine persönliche Katastrophe überwindbar.
POW: Welches besonders beeindruckende Erlebnis gab es für Sie als Priester?
Bischof Hofmann: Die Konversion meines Vaters und meine Bischofsweihe waren zwei herausragende Ereignisse. Und natürlich der Weg nach Würzburg: Das war wie ein neues Leben. Da fängt man nochmal ganz neu an, geht nochmal in eine ganz ungewisse Situation – aber eben auch in dem Vertrauen, dass man getragen wird.
POW: Heute wird der Priestermangel immer dramatischer. Wie sollten heute junge Männer für den Priesterberuf motiviert werden?
Bischof Hofmann: Die äußeren Umstände für das Reifen von Berufungen sind äußerst kompliziert geworden. Das wissen wir alle. Die jungen Leute müssen von uns Priestern konkret erfahren, dass das Priestersein etwas sehr Schönes ist. Für mich ist das der schönste Beruf der Welt. Ich kann mir keinen anderen Beruf vorstellen, der die Spannbreite eines menschlichen Lebens so umfasst wie der des Priesters, der vom Beginn des menschlichen Lebens bis zum letzten Atemzug die Menschen in allen Situationen begleiten darf; dem so viel Vertrauen entgegengebracht wird, der heilen darf, der von seiner Aufgabe her helfen darf. Insofern bedauere ich auch jene, die diesen Weg nicht wählen, dass sie dies nicht als ein wirkliches Glück erfahren. Was müssen wir also tun? Vielleicht sollten wir mehr darüber reden, dass die Aufgaben des Priesters etwas Wunderbares sind. Wir müssen jungen Leuten Mut machen, sich auf dieses Lebensexperiment einzulassen.
POW: Es lohnt sich auch und gerade heute, Priester zu werden?
Bischof Hofmann: Es lohnt sich. Es gibt einfach keinen schöneren Beruf. Davon bin ich fest überzeugt. Wenn ich heute zurückschaue: Ich würde den Weg wieder gehen. Trotz allem, was unterwegs so gewesen ist.
POW: Ihr persönliches Fazit nach 40 Priesterjahren?
Bischof Hofmann: Es waren insgesamt erfüllte Jahre – mit unglaublich vielen Begegnungen mit Menschen; aber auch Jahre, in denen die Gottesliebe und die Erfahrung gewachsen sind, dass Gott im Alltagsleben eines Menschen tatsächlich dabei ist. Gerade in Krisensituationen erlebt man, dass man getragen und geführt wird. Ich bin sehr dankbar für diese Jahre und es erfüllt mich eine tiefe Freude. Ich bin deshalb gegenüber den existierenden Problemen und den kommenden ziemlich gelassen, weil ich genau weiß, dass ich nicht alle Probleme lösen kann und muss. Ich kann nur das einbringen, was mir möglich ist. Und natürlich hoffe ich, dass ich durch das Getragenwerden von Anderen die Kraft habe, auch in Zukunft missionarisch für die Kirche einzutreten.
Interview: Bernhard Schweßinger (POW)
(0509/0121; E-Mail voraus)
Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet