„Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn.“ (2. Lesung, Hebr 1,2)
Liebe Schwestern und Brüder, es mag nicht erstaunen, dass der heilige Paulus im Verweis auf die Propheten, die zu den Vätern gesprochen haben, auch auf Christus, den Sohn Gottes, hinweist, der mit göttlicher Vollmacht zu uns gesprochen hat. Ist es aber nicht verwunderlich, dass er die Zeit, in der der Sohn Gottes zu uns spricht, als Endzeit bezeichnet?
Wir leben nach den Worten des heiligen Paulus in der Endzeit!
Der Völkerapostel hebt den Unterschied des Gottessohnes zu den Propheten deutlich hervor, wenn er von ihm sagt, dass „ (Gott ihn) zum Erben des Alls eingesetzt und durch … (ihn) auch die Welt erschaffen hat.“ (Hebr 1, 2)
Im Kind von Betlehem kommt der Erschaffer und Erbe des Weltalls zu uns! Ohne den Sohn Gottes wäre weder das Weltall noch irgendeiner von uns. Christus ist – wie es an einer anderen Stelle der Heiligen Schrift heißt: „Das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende.“ (vgl. Offb 1,8)
Von daher ist das Fest seiner Geburt nicht einfach die Rückerinnerung an einen für uns Menschen normalen Vorgang, sondern das Bewusstmachen der Zeitenwende.
Die Menschen haben ihr Dasein immer als schwierig, belastet und herausfordernd verstanden. Auf unterschiedlichste Weise wurde nach Lösungen gesucht. Gefunden wurde keine wirklich bahnbrechende und das grundsätzliche Elend wendende Lösung – bis Gott selbst in Jesus Christus in unsere Geschichte eintrat. Mit dem Wort Gottes, das Fleisch angenommen hat, wie es im soeben gehörten Johannesprolog eindringlich heißt, beginnt eine neue Zeit: die Endzeit.
Durch Christus sind wir aus der Todesfalle befreit worden und haben eine berechtigte Hoffnung auf das Ewige Leben. Mit ihm ist das Gottesreich angebrochen. Da, wo Christi Heilstat angenommen wird, wo seine Lehre, wo seine Weisungen, seine Sakramente greifen, beginnt die Herrschaft Gottes, beginnt schon die erwartete Vollendung.
Aber wir wissen selbst, liebe Schwestern und Brüder, wie es um uns in dieser Weltzeit steht. Wir bekommen die Dunkelheiten unseres Lebens täglich medial und auch real zu spüren. Für manche sieht die Zukunft nicht gerade rosig aus. Und doch, wer aus der Frohbotschaft dieser Weihnachtsfreude heraus in die Zukunft schaut, der erkennt die verheißene Gottesherrschaft als tröstliche Glaubensgewissheit.
Im Chorhaupt unseres Sankt Kiliandomes sehen wir den wiederkehrenden Christus mit ausgebreiteten Armen gleichsam auf uns zukommen. Im Glaubensbekenntnis, im Credo, bekennen wir: „Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden…“ und wenig später heißt es: „Er sitzt zur Rechten des Vaters und wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten; seiner Herrschaft wird kein Ende sein.“
In jeder heiligen Messe bekennen wir nach der Wandlung: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“
Wir leben im Advent der Weltgeschichte, einer Zeit der Erwartung der Gottesherrschaft. Manchmal scheint uns, dass Gott sich aus der Welt zurückgezogen habe, besonders dann, wenn schwere Prüfungen über uns kommen. Weihnachten ist aber keine Idylle, die uns eine märchenhafte Traumwelt beschert. Mit der Geburt des Gottessohnes in der Armut von Betlehem bleibt die Zerbrechlichkeit menschlicher Träume. Wir werden durch Christi Leben in eine Nachfolge berufen, die mit ihm die dunklen Stunden des Lebens teilt, um mit ihm den Glanz der Vollendung zu erfahren. Uns selbst mutet Gott zu, seiner Herrschaft den Weg zu bereiten. Das ist die große Herausforderung dieses Festes an uns. Mit unserer Liebe bauen wir die im Adventslied besungene Straße: „Bereitet doch beizeiten den Weg dem großen Gast…Macht eben jeden Pfad, die Täler all erhöhet, macht niedrig was hoch stehet, was krumm ist macht gerad.“ (GL 113,2.)
Liebe Schwestern und Brüder, der Glanz dieses Weihnachtsfestes, der uns in den Lichterbäumen, dem kostbaren Schmuck, der wundervollen Musik und der festlichen Liturgie aufstrahlt, kann nur ein schwacher Abglanz dessen sein, was uns in der Wiederkunft Christi am Ende der Zeiten verheißen ist. Wir brauchen keineswegs zögerlich mit der Verkündigung dieser Botschaft zu sein. Teilhard de Chardin sagte: „Die Welt gehört denen, die ihr die größere Hoffnung anbieten.“ Im letzten Buch der Heiligen Schrift, der Apokalypse, wird uns eindringlich die Endzeit und ihre Finalisation geschildert. Darauf dürfen wir uns heute nicht nur freuen, daran können wir tatkräftig mitwirken.
Amen.