Lieber Pater Provinzial,
liebe Mitbrüder,
liebe Festgäste,
liebe Familie Mushi,
lieber Frater Simon,
für Ihre Priesterweihe haben Sie sich das Evangelium von der Fußwaschung gewünscht. Die Kirche liest dieses Evangelium an jedem Gründonnerstag. Es ist der Tag, an dem wir der Einsetzung der Eucharistie durch Jesus gedenken, der Sie als Priester dienen wollen. So lohnt es sich, die Fußwaschung in ihrem Bezug zum priesterlichen Dienst zu meditieren.
Die Fußwaschung wird zum Ausdruck der Reinigung von der Sünde
Die Fußwaschung, die Jesus an seinen Jüngern vollzieht, symbolisiert die große Reinigung der Jünger. Gereinigt werden an diesem Abend nicht nur ihre Füße. Gereinigt wird vor allem ihre Vorstellung von Gott. Denn der Sohn Gottes kommt nicht, um sich bedienen zu lassen, wie man erwarten könnte. Ganz im Gegenteil, er kommt um zu dienen (Mk 10,45). Das ist die große Reinigung im Gottesbild. Denn die Sünder meinen, der Mensch wäre umso größer, je höher er über den anderen steht.
In seiner Lebenshingabe aber nimmt Jesus die Sünde der Welt hinweg. Er macht damit deutlich: Groß ist nicht der, der über den anderen steht. Groß ist der, der sich herabbeugt und die anderen groß macht. Hierin besteht der priesterliche Dienst Jesu, durch den er uns Menschen mit Gott verbindet. Werden Sie ein Priester nach dem Vorbild Jesu Christi, des einzigen Priesters seiner Kirche. Vergegenwärtigen Sie in der Feier der Eucharistie den dienenden Christus, der die Sünde der Welt hinwegnimmt. Er mache Sie selbst zu einem guten Diener an seiner Gemeinde.
Die Fußwaschung wird zum Ausdruck der liebevollen Ehrfurcht
Die Füße zu waschen verlangt, sich hinzuknien. Indem man sich hinkniet und klein macht, schaut man nicht von oben auf das Gegenüber herab. Man schaut vielmehr von unten zu seinem Gegenüber hinauf. Das aber bedeutet, den anderen in seiner Bedürftigkeit ernst zu nehmen. Die Fußwaschung wird zum Ausdruck der Ehrfurcht voreinander.
Christus hat diese Ehrfurcht gelebt. Aus dieser Ehrfurcht heraus ist er allen anderen mit Respekt begegnet. Er hat niemanden verurteilt, weder die Sünder, noch die Armen, noch die Pharisäer. Er hat vielmehr daran geglaubt, dass es durch die Fußwaschung möglich ist, dem Guten im anderen zum Durchbruch zu verhelfen. Versuchen Sie als Priester, mit Christus das Gute im Herzen der anderen zu sehen und es zu fördern. Sprechen Sie den Menschen die Vergebung Christi zu, wenn sie sich nach echter Umkehr sehnen. Schauen Sie mit Christus zu den Menschen hinauf und lernen Sie, die Menschen im Licht Gottes zu sehen.
Die Fußwaschung wird zum Ausdruck der zärtlichen Zuwendung
Wer die Füße anderer wäscht, darf keine Angst haben vor Berührung. Erlösung geht nur, indem wir mit anderen in direkten Kontakt kommen. Jesus sucht den Kontakt. Er ließ sich vom Schicksal der Menschen berühren und er hat die Menschen berührt: die Blinden und Tauben, die Aussätzigen und Gelähmten, ja sogar die Toten. Jesus hatte keine Angst davor, sich die Finger schmutzig zu machen. Denn wer andere waschen will, wer ihr Leben heilen will, muss bereit sein, wie ein guter Arzt anzupacken. Lassen Sie sich als Priester in der Nachfolge Jesu vom Schicksal der Menschen berühren, die ihnen anvertrauten werden. Und haben Sie keine Angst, mit ihnen in Kontakt zu treten. Denn nur das wird erlöst, was wirklich angenommen wird. Nur das kann vom Herrn durch unseren Dienst auch geheilt werden.
Die Fußwaschung als Freundschaftsdienst
Die Fußwaschung ist ein Knechtsdienst, für den es aber keine Knechte benötigt, sondern Freunde. „Ich nenne euch nicht mehr Knechte, vielmehr habe ich euch Freunde genannt“ (Joh 15,15), sagt Jesus. Er will nicht, dass wir aus Zwang handeln. Er will nicht, dass wir einander die Füße nur waschen, weil wir es müssen. Jesus sieht in seinen Jüngern keine Befehlsempfänger, sondern Freunde. Er hat uns alles mitgeteilt. Er hat uns die Liebe Gottes geschenkt. Und er hofft, dass wir aus Dankbarkeit einander dienen. Denn das Kriterium, ob ein Dienst vor Gott Wohlgefallen findet, ist allein die Liebe. Bleiben Sie als Freund Jesu in seiner Liebe. Nur wer aus seiner Liebe gibt, handelt ohne Berechnung und ohne Hintergedanken. Denn die Liebe ist ihr eigener Lohn, wie der Heilige Bernhard einmal so wunderbar gesagt hat.
Die Fußwaschung verlangt lebenslange Einübung
„Begreift ihr, was ich an euch getan habe?“, fragt Jesus. Judas hat es nicht begriffen. Denn die Fußwaschung Jesu passt nicht zu seinem Bild eines machtvollen Gottes. Petrus hat es nicht begriffen, weil er in seiner Überheblichkeit glaubt, schon rein zu sein und keiner Waschung mehr zu bedürfen. Beide, Judas und Petrus, lernen erst durch die Erfahrung ihres Versagens, wie nötig sie es haben, dass der Herr ihnen die Füße wäscht.
„Begreift ihr, was ich an euch getan habe?“ Begreifen können wir die Liebe Gottes nicht. Aber wir können uns von ihr ergreifen lassen. Bei jedem Akt der Fußwaschung waschen wir uns auch selbst ein wenig rein. Wir waschen ab unsere Engherzigkeit, unsere Zweifel, unsere Ängste und unseren Stolz. So wird jede Fußwaschung zur Tauferneuerung, in der unser alter Mensch stirbt, um mit Christus zum neuen Menschen aufzuerstehen.
Die Fußwaschung als Sakrament
Der heilige Bernhard sieht in der Fußwaschung ein Sakrament, also ein wirksames Zeichen des göttlichen Heils. Das Sakrament der Fußwaschung erinnert uns daran, dass die Feier der Eucharistie und der Dienst an den Menschen immer zusammengehören. Zur Liturgie gehört die Diakonie.
Der Gottesdienst der Kirche muss im Gottesdienst des Lebens weitergeführt werden, um echt zu sein. Denn die Aufforderung in der Eucharistie „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ findet ihre Ergänzung in der Mahnung des Herrn „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“ Wer so die Geheimnisse des Heils feiert und danach handelt, bringt sich „selbst als lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer dar“ (Röm 12,1). Das wünsche ich Ihnen heute, am Tag Ihrer Priesterweihe, von ganzem Herzen. Der Herr begleite Sie und segne Ihren priesterlichen Dienst. Amen.