Im Monat Februar beschäftigten Vorgänge in der katholischen Kirche die öffentliche und veröffentlichte Meinung in einem Ausmaß, wie lange nicht mehr. Leider überwogen weniger positive Meldungen und Kommentare, als vielmehr sorgenvoll-kritische. Gestern nun veröffentlichte die Deutsche Bischofskonferenz den Brief des Heiligen Vaters „an die Bischöfe der katholischen Kirche in Sachen Aufhebung der Exkommunikation der vier von Erzbischof Lefebvre geweihten Bischöfe“. Ein solch umfangreicher, persönlicher und offener Brief des Papstes ist kein alltäglicher Vorgang und verdient deshalb umso mehr Aufmerksamkeit. Ebenso wie der Vorsitzende der Bischofskonferenz und der Präsident des ZdK bin ich darüber erfreut und dafür sehr dankbar. Wenn wir uns mit einer solchen Aussage nicht zu wichtig nähmen, könnte man sagen, er ist wie ein Geschenk zu unserer Frühjahrskonferenz. Freimütig gesteht Benedikt XVI. in diesem Brief missliche Pannen ein, zeigt gebotene Korrekturen auf, erklärt die Beweggründe seines Handelns im Dienst an der Einheit und die nötigen Konsequenzen für die Pius-Bruderschaft und ihre Bischöfe, bekräftigt eindrucksvoll sein Festhalten am Zweiten Vatikanischen Konzil, sowie sein Bekenntnis zur Versöhnung zwischen Juden und Christen, zur Ökumene und zum interreligiösen Dialog.
Wegen der vielfältigen Reaktionen in den letzten Wochen halte ich es dennoch für angebracht, den von mir schon vorher formulierten Rückblick zu referieren. Am 24. Januar war die Aufhebung der Exkommunikation der durch Erzbischof Lefebvre illegal geweihten Bischöfe der Priesterbruderschaft Pius X. bekannt geworden, von denen einer wenige Tage vorher mit schlimmen, nicht hinnehmbaren Äußerungen an die Öffentlichkeit getreten war, in denen er die schrecklichen Verbrechen des Holocausts leugnete und zu relativieren versuchte. Ein solches Verhalten ist zudem nicht nur als Ignorierung der historischen Fakten skandalös, sondern hat zusätzlich eine moralische Komponente. Daran erinnerte Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand in seinem Grußwort für den Max-Mannheimer-Vertragsabend im Shalom Europa, wenn er formuliert: „eine Leugnung bzw. Verharmlosung des Holocaust stellt für Christen ein sündhaftes Verhalten dar, weil es wahrheitswidrig ist und dazu beiträgt, das unsägliche Leid der Opfer zu verdrängen“. Das zeitliche Zusammentreffen dieser beiden eigentlich getrennt zu wertenden Fakten – Leugnung der systematischen Judenvernichtung und Aufhebung der Exkommunikation – erzeugte gerade in Deutschland aus verständlichen Gründen ein hochexplosives Nachrichtengemisch, was die nötige differenzierte Betrachtungsweise erschwerte. Bei vielen Katholiken, Christen und Mitbürgern machte sich schnell eine Stimmung breit, die gekennzeichnet war von blankem Entsetzen bis hin zu tiefer Trauer. Dafür tragen meiner Meinung nach allerdings nicht kirchenfeindliche Journalisten oder andere kritische Geister die Verantwortung, sondern hochrangige Vatikanstellen, welche die notwendige Kommunikation und Konsultation unterließen und wichtige Informationen nicht weitergaben oder erst viel zu spät publizierten. So nahm Papst Benedikt vier Tage später am 28. Januar bei der Generalaudienz zu beiden Themen Stellung. Seine klare Stellungnahme sowohl zur Aufhebung der Exkommunikation als auch zur Leugnung des Holocausts wurde aber erst am 06. Februar in der deutschen Ausgabe des Osservatore Romano publiziert. Und auch erst am 04. Februar hatte Kardinalstaatssekretär Tercisio Bertone seine erfreulich deutliche Erklärung zu beiden Themen veröffentlichen lassen.
Dankbar bin ich der Deutschen Bischofskonferenz, dem ZdK, vielen Erzbischöfen und Bischöfen und besonders auch unserem Bischof für die frühzeitigen klaren Äußerungen (POW-Meldung vom 02.02., Mainecho-Interview vom 07.02.). Verständlicherweise wurden in dieser Situation auch Theologen, Verbände und Laienorganisationen um Stellungnahmen gebeten.
Ich selbst wurde am Dienstag, den 03. Februar - also noch vor der Veröffentlichung der Erklärung des Kardinalstaatssekretärs – auf die „Petition Vaticanum II“ im Internet hingewiesen und dazu befragt. Auch wenn ich nicht über jede Formulierung in dieser Petition glücklich bin, meine ich immer noch, dass in ihr in erster Linie – wie es in der Überschrift heißt – die uneingeschränkte Anerkennung der dann auch benannten Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils gefordert wird. Für mich ist diese Petition keineswegs ein „Rundlauf gegen den Papst“, wie mir in einer Antwortmail einige Tage später vorgeworfen wurde. Denn das wäre nur dann der Fall, wenn man dem Hl. Vater unterstellte, er sei gegen die uneingeschränkte Anerkennung der Beschlüsse des Konzils. Dass dies in keiner Weise der Fall ist, wurde dann nochmal in der Erklärung des Staatssekretariats zwei Tage später mit dankenswerterweise unmissverständlichen Forderungen an die Bruderschaft Pius X. deutlich gemacht wurde.
Allerdings ist die Sorge vieler aufrechter Katholiken um den Weg unserer Kirche in die Zukunft und vor allen Dingen auch um ihre Glaubwürdigkeit durchaus berechtigt, wenn man verfolgt, wie vatikanische Stellen, besonders Ecclesia Dei mit Kardinal Hoyos an der Spitze, sich gegenüber den Fundamentalisten am rechten Rand verhalten. Ich frage: Gibt es denn auch nur den kleinsten Funken eines Signals dieser Brüder, dass sie bereit wären, wieder wirklich katholisch zu werden? Nein, trotz Gesprächen mit den exkommunizierten Bischöfen, Motu proprio, neuformulierter Karfreitagsbitte, und so manchem mehr verhöhnen und beschimpfen sie Konzilsväter, Päpste und unsere Bischöfe. Ihr Verhalten ist in der Tat ein Rundlauf gegen Papst, Bischofskollegium und das ganze Volk Gottes. Auf jedes Zeichen des barmherzigen Entgegenkommens, folgt doch eine in der Sache noch schroffere Zurückweisung durch die Traditionalisten. Da ist dann die Frage berechtigt: Wie weit wollen nostalgische Konservative in der Umgebung des Papstes noch den rückwärts gewandten Traditionalisten entgegenkommen, ohne die durch das Konzil definierte Identität unserer Kirche und ihre Glaubwürdigkeit in der Gesellschaft in Frage zu stellen? Noch dazu wenn man vergleicht, wie vatikanische Kongregationen in den letzten Jahrzehnten mit Vertreterinnen und Vertretern am entgegengesetzten Rand des kirchlichen Meinungsspektrums umgegangen sind.
Ein Zweites möchte ich in diesem Zusammenhang noch feststellen. Auch ich bin nicht mit allen Äußerungen mancher Unterstützer einverstanden und zum Teil ganz gegensätzlicher Meinung. Aber den Kern des Inhalts kann ich mittragen und unterschreiben – und dieses Farbe bekennen für eine auf Christus und das Heil der Menschen ausgerichtete, missionarische Kirche im 21. Jahrhundert ist mir wichtiger als das Ablehnen einiger Mitunterschreiber. Anscheinend sehen dies sehr, sehr viele gute und aufrechte Katholikinnen und Katholiken, Laien wie Amtsträger, Theologinnen und Theologen wie einfache Gläubige ebenso wie ich. Auch bin ich überzeugt vom christlichen Menschenbild mit seiner Sicht von Individualität, persönlicher Verantwortung und Freiheit, die letztlich auch die Möglichkeit des Irrens einschließt. Deshalb habe ich ganz bewusst nicht einfach „dazu aufgefordert“, die Petition zu unterstützen, sondern die um ihre Unterschrift gebeten, die „die Anliegen der Petition unterstützen“. Und darum haben auch alle, die möglicherweise aus Sorge um die Einheit der Kirche anderer Meinung sind, ebensomeinen Respekt.
Gestatten Sie mir noch vier abschließende Bemerkungen:
1. Ich lese aus dem Text nicht den Versuch heraus, Papst und Konzil gegeneinander auszuspielen und ebenso wenig den Vorwurf, der Papst verrate das Konzil.
2. Ich halte mich immer noch für ein gläubiges, engagiertes Mitglied der katholischen Kirche, die für mich Heimat bedeutet und glaube nicht, dass ich zum Beweis dieser Tatsache ein öffentliches Glaubensbekenntnis neu ablegen muss.
3. Ausdrücklich begrüße ich auch die Tatsache, dass die Vollversammlung der DBK sich ausgiebig Zeit nahm, die Ereignisse der letzten Wochen offen zu diskutieren, und dass die substanzielle „Erklärung der deutschen Bischöfe zum gegenwärtigen Weg der katholischen Kirche“ vom 5. März 2009 einstimmig verabschiedet werden konnte.
4. Wie erleichtert und froh mich der Brief des Papstes an die Bischöfe stimmt, habe ich schon zu Beginn meines Berichtes kund getan. Ich will aber auch nicht verschweigen, dass einige Formulierungen (z. B. „dass auch Katholiken ... mit sprungbereiter Feindseligkeit auf mich einschlagen zu müssen glaubten“) und die Art und Weise, wie der Brief in die Öffentlichkeit kam, die Freude etwas trübten. Anscheinend halten es enge Mitarbeiter des Papstes immer wieder für dringend geboten, Presseorgane und Internetplattformen am Rand des konservativen Spektrums („Die Tagespost“, „FAZ“, „kath.net“) bis hin zu den Reaktionären von „kreuz.net“ vorab zu informieren, noch bevor das jeweilige Schriftstück die eigentlichen Adressaten erreicht haben kann. Auch solche peinliche und ärgerliche Pannen sind dringend zu beheben. Denn in meinen Augen ist eine Brüskierung und ein Zeichen der Geringschätzung der Bischöfe, wenn Ihnen ein persönlicher Brief des Papstes durch einschlägige Presseorgane „zugestellt“ wird.
Die Krise an den internationalen Finanzmärkten und die Wirtschaftskrise haben Deutschland mit aller Wucht erfasst. Die Menschen sind verunsichert und machen sich Gedanken um ihre Zukunft, die Zukunft ihrer Familien und um die Zukunft unseres Landes. Als verantwortungsbewusste Christen müssen wir uns an der Gestaltung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ordnung beteiligen. Im Mittelpunkt aller Bemühungen um eine globale Neuordnung der internationalen Finanzwirtschaft muss die Sorge um die Menschen stehen, und als Orientierung für die gesellschaftliche Ordnung hat sich – das habe ich in meinem letzten Bericht zur Lage schon ausgeführt – die katholische Soziallehre bewährt.
Einige Ausführungen des Vorsitzenden der DBK, Erzbischof Robert Zollitsch, sprechen mir regelrecht aus der Seele. Deshalb möchte ich sie in geraffter Form aufgreifen.
1. Freiheit braucht Ordnung!
Das Fehlen funktionsfähiger Finanzmärkte und die Verunsicherung durch die Wirtschaftskrise haben die Idee der Ordnungspolitik belebt und das Misstrauen gegen die Freiheit wachsen lassen. Deshalb braucht es ein neues Vertrauen darauf, dass die Freiheit im Ganzen mehr Dynamik zum Guten als zum Schlechten auslöst. Aufgabe des Staates ist es, die Rahmenbedingungen für die freie Entfaltung des Einzelnen zu setzen. In Deutschland haben wir uns für das Modell der Sozialen Marktwirtschaft entschieden, weil es ihr gelingt, wirtschaftlichen Erfolg mit sozialem Ausgleich zu verbinden und der Freiheit eine Ordnung zu geben. Sie impliziert eine Verpflichtung zu wertebasiertem Handeln in einem Wirtschaftsprozess, in dem Markt und Wettbewerb dem Menschen dienen sollen. Die Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft bieten auch eine Orientierung für die zu schaffenden Rahmenbedingungen des internationalen Finanz- und Wirtschaftssystems.
2. Freiheit braucht Verantwortung!
Während die einen nach dem starken Staat rufen, der ordnend eingreifen soll, beklagen andere den Verlust moralischer Selbstverpflichtung, weshalb jegliches Regelwerk nur ins Leere zielen kann. So stellt sich letztlich die Frage, ob die Rahmenordnung der Ort der Moral ist oder die ethische Gesinnung des Einzelnen. Die Krise hat viel mit menschlichen Schwächen wie Gier und Verantwortungslosigkeit zu tun. Leider bestätigten das in den letzten Tagen erst wieder neu einige Topp-Manager mit ihrer Ankündigung, selbst in Unternehmen, die durch ihre Entscheidungen in Schieflage gerieten und nur auf Kosten der Steuerzahler überleben können, Gehaltsforderungen und Bonus-Zahlungen in Millionenhöhe einklagen zu wollen. Wohl ist ein gesundes Gewinnstreben die Grundlage einer funktionierenden Wirtschaft. Aber es darf nicht zur Zügellosigkeit der Interessen kommen. In Zukunft muss die Verantwortung des Einzelnen, der Unternehmen sowie der verschiedenen Interessengruppen und ihrer Vertreter in den Vordergrund rücken. Ordnung braucht ihre Entsprechung in der Ausbildung von Werten und Grundhaltungen wie Verantwortung, Rechenschaft, Konsequenz, Transparenz, Vertrauen und langfristige Orientierung. Denn gerade angesichts der Dynamik und Komplexität der globalisierten Wirtschaft wird nicht alles, was von Rechts wegen zulässig ist, auch ethisch vertretbar sein.
3. Zukunft braucht Gerechtigkeit!
Diese grundsätzlichen Überlegungen können Orientierung für die dringend erforderliche Neuordnung der Finanzwirtschaft sein. Damit die Antworten nicht kurzatmig und kurzsichtig sind, sondern auch in Zukunft tragfähig, müssen sie am Prinzip der Gerechtigkeit und dem Wohle aller ausgerichtet sein. Dies gilt angesichts der gewaltigen Staatsverschuldung zum Beispiel für die Frage der Generationengerechtigkeit. Durch die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise stehen wir weltweit vor einer ungeahnten Schuldenexplosion. Es ist einsichtig, dass um einer notwendigen konjunkturellen Stabilisierung willen eine langfristig wirksame Staatsverschuldung in Kauf genommen werden muss, weil der Verzicht auf diese Maßnahmen an anderer Stelle eine Verschärfung der Probleme zur Folge hätte, die insbesondere die wirtschaftlich Schwächeren und Armen stark schädigen würde. Doch ist gleichzeitig immer zu bedenken, dass wir diese Staatsverschuldung den nächsten Generationen vererben. Auch scheint mir wichtig, dass die Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur zugleich über die bloße Konjunkturbelebung hinausgehende, sinnvolle Ergebnisse zeitigen sollten , z. B. in den Bereichen Bildung, Infrastruktur, Energieeinsparung oder erneuerbare Energien. Dann haben wir die Interessen der nächsten Generation im Blick! Auch wenn unser Blick sich zurzeit vor allem auf die eigenen Probleme und die unserer nächsten Nachbarn und stärksten Wirtschaftspartner richtet, dürfen wir die Schwellen- und Entwicklungsländer nicht vergessen, die darauf angewiesen sind, ihre Produkte auf unseren Märkten zu verkaufen. Ein neuer Protektionismus, aber auch ein Nachlassen im Kampf gegen Armut und Hunger sowie die Folgen des Klimawandels können nicht die Antwort auf diese Krise sein.
Mit dem für die Zukunft unserer Erde so wichtigen und entscheidenden Thema „Klimawandel / Klimaschutz“ werden wir uns im Studienteil dieser Vollversammlung eingehend beschäftigen. Deshalb möchte ich nicht schon an dieser Stelle umfangreicher darauf eingehen. Auch ist die diözesane Arbeitsgruppe Klimaschutz, in der für den Diözesanrat Felix Behl vertreten ist, mit ihren Beratungen schon ein großes Stück weiter gekommen und kann in absehbarer Zeit „Leitlinien zum Klima- und Umweltschutz“ zur Beschlussfassung und Umsetzung vorlegen. Ziel wird es sein, Pfarreien, Verbände und Einrichtungen in ihrem Bestreben zu bestärken, die Herausforderungen durch die Umweltkrise anzunehmen und die Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung als eigenen Auftrag zu begreifen. Vieles geschieht ja schon in ganz unterschiedlichen Bereichen und kann woanders als Vorbild dienen: in der Verkündigung und Bildung, bei Bau und Energie, Mobilität und Verkehr, Liegenschaften, Finanzeinsatz und Konsum. Aber der von Gott gegebene Auftrag, die Schöpfung zu bewahren, gebietet es, diese Fragen kreativ und ohne Scheuklappen immer wieder neu anzugehen. Dank sei all denen gesagt, die sich in dieser Thematik schon bisher engagiert haben und es in Zukunft weiterhin tun werden.