In Anbetracht der Tatsache, dass wir dieses Mal nur heute tagen, möchte ich mich im Bericht zur Lage kürzer fassen und mich nur mit einigen Themen der gesellschaftlichen Diskussion der letzten Monate befassen, auch wenn ich über so manche Diskussion, die von Rom her zur Liturgie der Heiligen Messe angestoßen wurde (Aufstellen von Kommu-nionbänken, Weitergabe des Friedensgrußes) nur den Kopf schütteln kann.
Das wichtige Thema der Pfarreiengemeinschaften in unserem Bistum wird uns nicht los lassen, wenn wir in einem eigenen Tagesordnungspunkt die nötigen Änderungen unserer Satzung der Pfarrgemeinderäte im Bistum Würzburg und vor allem der Wahlordnung behandeln. Denn wir müssen unsere Rätearbeit den neuen Strukturen in unserer Diözese anpassen und dafür sorgen, dass sie auf einem verlässlichen rechtlichen Fundament steht.
Unserem Generalvikar danke ich dafür, dass er in seinem Wort an uns Kooperation und Seelsorge in den Pfarreiengemeinschaften zu seinem großen Thema gemacht hat. Seine Gedanken können uns Mut machen, mit Mängeln umzugehen und sie vielleicht sogar als Chance zu verstehen, Möglichkeiten neu zu entdecken, wie wir als Kirche von Würzburg oder auch als Gemeinde vor Ort Communio leben und umsetzen können. Beginnen wir doch damit, Modelle zu entwickeln und zwar durchaus im Bewusstsein, dass vielleicht nicht jedes Modell für die Ewigkeit umsetzbar ist.
Die gesellschaftlichen Themen, die ich aufgreifen will, sind:
1.die Diskussion über Sterbehilfe,
2.die Krise des Finanzsystems,
3.der Klimaschutz,
4.Ladenöffnungszeiten und Schutz des Sonntags.
Ende Juni Anfang, Juli diesen Jahres berichteten wieder einmal nicht nur die regionalen Medien, sondern nahezu alle Fernseh- und Radiosender, Boulevardzeitungen und über-regionalen Zeitungen von einem Ereignis in Würzburg. Hamburgs Ex-Justizsenator Roger Kusch hatte sich nach Würzburg aufgemacht, um einer 79-jährigen Frau bei ihrem Suizid zu helfen. Diesen Vorgang ließ er auch noch als Film dokumentieren und im Netz verbreiten.
Zusammen mit unserem Bischof kann ich ein solches Verhalten nur als skandalös und menschenverachtend bezeichnen. Als Diözesanrat haben wir mehrfach bekundet:
Wir haben kein Recht auf aktive Sterbehilfe; das Leben eines jeden Menschen ist bis
zum letzten Atemzug unantastbar. Leider muss man feststellen, dass in der öffentlichen Diskussion versucht wird, dieses Prinzip auf zu weichen. Etwa mit der Begründung: Das Recht der Selbstbestimmung des Menschen schließt auch das Recht ein, über das Ende seines Lebens selbst bestimmen zu können. Wir Katholiken sollten nicht nachlassen – egal wo wir gerade stehen - , uns leidenschaftlich für die Unantastbarkeit des Lebens in allen seinen Phasen einzusetzen. Gleichzeitig sollte aber auch jede und jeder von uns seinen ganz persönlichen Auftrag erkennen, verzweifelten alten Menschen die Angst von einem Leben im Alter und in Krankheit zu nehmen, wo es möglich ist, aufeinander zu zu gehen und Hilfen professionell oder ehrenamtlich zu vermitteln.
Das beherrschende Thema der letzten Wochen und Tage war und ist die weltweite Situation auf den Finanz- und Kapitalmärkten. In der Beurteilung sind sich alle einig, sie verwenden Begriffe von Krise bis Katastrophe. Sparer haben Angst um ihre Einlagen, Re-gierungen vor einem möglichen Zusammenbruch des Banken-, Finanz- und Wirtschaftssystems und Wirtschaftsexperten prognostizieren Stagnation, ja sogar Rezession. Und nach dieser Schocktherapie für alle liest man dann Schlagzeilen wie „ Maßnahmen gegen die Finanzkrise“, „Fast 500 Milliarden zur Rettung der Banken“. Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wundern sich. Da wird bis vor kurzem noch um vergleichsweise Minibeträge für schulpflichtige Kinder aus Hartz-IV-Familien oder um Geld für notwendige und zukunftsweisende sozialpolitische, bildungspolitische und forschungspolitische Maßnahmen und Projekte gefeilscht. Kaum aber gibt es Turbulenzen in der Kapitalwirtschaft, werden dreistellige Milliardenbeträge bereit oder zumindest Bürgschaften in Aussicht gestellt.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich möchte nicht auf einen kapitalismuskritischen, populistischen Zug aufspringen und begrüße das energische und transparente, international abgestimmte und auf das Gemeinwohl ausgerichtete Handeln unserer verantwortlichen Politikerinnen und Politiker ausdrücklich. Ich erwarte aber auch,
●dass die Forderung an die wirtschaftlichen Eliten, ein ausgeprägteres Bewusstsein für echte Werte und mehr soziale Verantwortung zu zeigen, nicht nur kurzfristig gilt, sondern nachhaltig umgesetzt wird;
●dass gieriges Streben nach maximalen Renditen und Kapitalerträgen abgelöst wird von einem legitimen Gewinnstreben, das die Würde des Menschen und seiner Arbeit im Blick behält;
●dass sowohl die Bilanzvorschriften als auch das Vergütungssystem der Topmanager verändert werden.
Ich hoffe, dass die Aussage der Bundeskanzlerin, „Keiner, der Hilfe in Anspruch nimmt, wird davon kommen“, in die Tat umgesetzt wird.
Unserer Kirche bietet sich in dieser Situation eine große Chance, ja es ist ihre Aufgabe, mit Nachdruck für die Grundsätze in der katholischen Soziallehre einzutreten:
●Das Personenprinzip besagt, dass der Mensch, Träger, Schöpfer und Ziel aller gesellschaftlichen Einrichtungen ist; jedem Menschen steht der Anteil an Gütern der Erde zu, den er zum Leben braucht; er hat ein Recht auf Privateigentum; die Arbeit dient Ihm und nicht Er der Arbeit.
●Das Solidaritätsprinzip regelt die Zuordnung der Personengemeinschaft; der Einzelne trägt Verantwortung für das Ganze; Eigentum beinhaltet eine soziale Ver-pflichtung; absoluter Individualismus werden ebenso abgelehnt wie staatlicher Kollektivismus.
●Das Subsidiaritätsprinzip betont das Recht der kleinen Lebenskreise; in den jeweiligen Lebensräumen sollen Individuen und Gemeinschaft frei tätig werden; jeder soll aus eigenem Antrieb auf eigene Verantwortung und auch unter Ausschöpfung seiner eigenen Fähigkeiten seine Angelegenheiten regeln können; Gesellschaft und Staat sollen Hilfe zur Selbsthilfe leisten.
Wenn diese Prinzipien in unserem Wirtschaftssystem, in unserer Gesellschaft wieder mehr verwurzelt sind und Beachtung finden, dann werden wir auch wieder nicht nur von Marktwirtschaft sondern von Sozialer Marktwirtschaft reden können.
Der Fast-Kollaps unseres Banken-, Finanz- und Wirtschaftssystems dürfte auch dem Letzten deutlich gemacht haben, dass wir nicht auf einer Insel der Seligen leben, sondern das wir global vernetzt sind und somit auch eine Verantwortung für die globale Welt zu tragen haben. Dies wird auch ganz deutlich in den Fragen der Entwicklung unseres Klimas und der zu beobachteten Klimaveränderung. Darüber haben wir schon mehrfach gesprochen, diskutiert und auch Beschlüsse gefasst.
Über den Stand der Arbeiten unserer diözesanen Kommission zum Klimaschutz, in der auch der Diözesanrat durch seinen stellvertretenden Vorsitzenden Felix Behl vertreten ist, wird dieser im Rahmen unserer Versammlung noch einen Bericht abgeben. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, unserem Sachausschuss Bewahrung der Schöpfung für sein engagiertes Arbeiten an diesem Thema, aufrichtig zu danken. Er widmet sich immer wieder neu der Aufgabe, das große Ziel des Klimaschutzes auf unsere eigene kleine Welt herunter zu brechen, indem er sich Gedanken macht und Vorschläge erarbeitet, wie jeder einzelne von uns oder die Pfarrgemeinden, wie Gruppen, Verbände oder auch Institutionen ihren Beitrag zum Schutz des Klimas leisten können.
Wenn z.B. Pfarrgemeinden durch Energieberatung für Einsparungen fit gemacht werden, muss das Augenmerk nicht nur auf Kostensenkung, sondern primär auf die Senkung der Energieverbräuche gelegt werden.
In die Koalitionsverhandlungen nach den Landtagswahlen brachte die FDP die For-derung nach einer weiteren Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten ein und verfolgt mit ihrem Vorstoß letztlich das Anliegen, auch den Verkauf an Sonntagen in die Liberali-sierungswelle einzubeziehen. Dagegen müssen wir uns mit Vehemenz wehren und die größere Regierungspartei an die Buchstaben „C“ und „S“ in ihrem Namen erinnern. Mit einer Liberalisierung des Ladenschlussgesetzes würde ein Dominoeffekt ausgelöst, an dessen Ende nur noch der Kommerz das Leben in Bayern bestimmen würde. Wohin Gier im Geschäftsleben führt, haben die Menschen in den letzten Wochen zur Genüge erlebt. Bleiben wir also wachsam und werden, wenn nötig, auch einmal laut.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.