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Besinnung und Entscheidung

Predigt von Bischof em. Dr. Paul-Werner Scheele bei der Heiligen Messe für die Rosenkranzbruderschaft Würzburg am 24. September 2005 in der Marienkapelle Würzburg

Tägliche Anforderung

Tag für Tag wartet eine Doppelaufgabe auf jeden von uns. Meistens ist sie sogar mehrfach fällig. Sie heißt: „Besinne dich! Entscheide dich!“ Immer wieder werden Entscheidungen von uns gefordert, die wir nur fertig bringen, wenn wir klar sehen, worum es geht, wenn sich deutlich zeigt, worauf es ankommt. Das erkenne ich in der Regel erst dann, wenn ich die Kraft zur Besinnung habe. Erst wenn ich weiß, was richtig ist, kann ich die richtige Entscheidung treffen. Deshalb sind wir gut beraten, wenn wir beide Aufgaben bewusst und beherzt angehen. Dabei kann uns der Rosenkranz in besonderer Weise helfen. Er macht fit für eine gründliche Besinnung; er stärkt uns für die fälligen Entscheidungen.

Rosenkranzhilfe zur Besinnung und Entscheidung

Besinnung

Es ist nicht immer leicht, das Rechte zu erkennen. Unterschiedliche Stimmen raten uns wer weiß wie oft Entgegengesetztes. Die Hektik des modernen Lebens macht vor keinem Menschen halt. Da kostet es Mühe, sich zu sammeln. Das zeigt sich bereits bei Kindern. Lehrkräfte berichten, dass viele Schüler nicht in der Lage sind, sich in Ruhe zu konzentrieren. Von den vielen Eindrücken, die sie von allen Seiten her empfangen, werden sie hin und her gerissen und durcheinander gebracht. Sie verlieren dabei nicht nur die Kraft zur Aufmerksamkeit, sondern überdies die Fähigkeit, Wichtiges mit offenen Sinnen wahrzunehmen und sich zu eigen zu machen. Auf die eine oder andere Weise ist bei uns allen die Konzentration gefährdet, ohne die es keine rechte Besinnung gibt.

In dieser Situation erweist sich der Rosenkranz als eine Kette, die zusammenbringt, was zusammengehört. Es ist keine Kette, die Fesseln anlegt; es ist eine Kette, die frei macht. Der Rosenkranz kann uns helfen, die Gedanken zu sammeln; er führt uns hin zu unserer Mutter, die immer bereit ist, uns beizustehen. Der Rosenkranz lenkt unseren Blick auf die wichtigsten Gegebenheiten in dieser Welt. Oft kommt es zu Fehlurteilen und zu falschen Entscheidungen, weil wir blind sind für das, worauf es unbedingt ankommt. Die Geheimnisse des Rosenkranzes betreffen allesamt Fakten, die zu unserem Leben gehören. Für uns ist Gottes Sohn Mensch geworden; für uns hat er gelitten; für uns ist er gestorben; uns betrifft seine Auferstehung und Himmelfahrt; uns ist der Heilige Geist zugedacht, den Maria zusammen mit den Jüngern am Pfingstfest empfangen hat; es geht um unsere Zukunft, wenn schließlich von der Aufnahme Mariens in den Himmel und von ihrer Krönung die Rede ist. Erst wenn uns das aufgeht, gewinnen wir den weiten Horizont, in dem wir leben dürfen; erst dann kommen wir aus dem Klein-klein heraus, das uns gefangen nimmt und uns am Ende klein und hässlich macht.

Im Anschluss an die Geschichte der Berufung unserer lieben Frau, an ihre Erfahrung bei Elisabet und das Weihnachtsgeschehen hält der Evangelist Lukas fest: „Maria bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach“ (Lk 2,19). Man kann auch übersetzen: Sie „behielt das alles und bewegte es in ihrem Herzen.“ Nachdem sie den zwölfjährigen Jesus im Tempel wieder gefunden hatte und von ihm zu hören bekam: „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,49) heißt es erneut: „Seine Mutter bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen“ (Lk 2,51). Der Rosenkranz regt uns an, dieses im Herzen Bewahren und Bewegen von unserer Mutter zu lernen. Je mehr das gelingt, umso besser können wir die notwendigen Entscheidungen treffen.

Entscheidung

Jedes Ave Maria ist ein Entscheidungsimpuls. Das erste Ave, das auf Erden gesprochen wurde, forderte von dem jungen Mädchen in Nazaret eine Entscheidung, von der das Heil der Welt abhängen sollte. Zugleich wies es hin auf die Entscheidung, die Gott für Maria und für die Menschheit getroffen hatte. Das steht hinter den Worten: „Du bist voll der Gnade, der Herr ist mit dir“ (Lk 1,28). Sodann erfährt Maria Näheres über die Entscheidung des Herrn: In ihr will Gott selber Mensch werden, ihr Sohn soll zugleich „Sohn des Höchsten“ sein (Lk 1,32); „seine Herrschaft wird kein Ende haben“ (Lk 1,33). Durch das Wirken des Heiligen Geistes soll ihr Kind „heilig und Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,35).

So fest die Entscheidung Gottes steht, sie setzt sich nicht über den freien Willen Mariens hinweg. Gottes Entscheidung zielt die Entscheidung des Menschen an; sie ermöglicht sie durch seine Gnade; sie schenkt die Freiheit, die zu einer echten Entscheidung gehört, und nimmt sie nicht weg. Jedes Ave Maria erinnert uns daran, dass unsere liebe Frau die rechte Entscheidung getroffen hat. Jedes Ave Maria lässt uns mit Elisabet sagen: „Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes“ (Lk 1,42).

Es tut uns gut, dass wir eingeladen werden, beim Rosenkranz das Ave Maria immer wieder zu sprechen; das kann uns anregen, immer tiefer zu erfassen, was seine wenigen Worte beinhalten und was sie für uns und die Welt bedeuten.

Die das Ave Maria abschließende Bitte weist auf die beiden wichtigsten Momente unserer Entscheidungen hin: „Jetzt und in der Stunde unseres Todes“ sind sie fällig. Was der jetzige Augenblick bedeutet, hat Andreas Gryphius eindrucksvoll herausgestellt. Der größte Teil seines Lebens war durch den Dreißigjährigen Krieg überschattet. Vielleicht hat die Not und die Gefährdung des menschlichen Lebens ihn hellsichtig gemacht für das, was in jedem Moment ansteht. Jedenfalls trifft er den Nagel auf den Kopf, wenn er schreibt:

„Mein sind die Jahre nicht, die mir die Zeit genommen;

Mein sind die Jahre nicht, die etwa möchten kommen;

Der Augenblick ist mein, und nehm ich den in acht,

So ist der mein, der Jahr und Ewigkeit gemacht.“

Was vergangen ist, liegt nicht mehr in unserer Hand; was die Zukunft bringt, ist noch offen. In der Gegenwart entscheidet sich, was aus uns wird. Der jetzige Augenblick ist mir von Gott anvertraut. Nütze ich ihn in der rechten Weise, dann werde ich mit Gott und seinen Entscheidungen zutiefst verbunden: „So ist der mein, der Jahr und Ewigkeit gemacht.“ „Jetzt und in der Stunde unseres Todes“ fallen die Entscheidungen, von denen unser Geschick in Zeit und Ewigkeit abhängen. Wer sich im letzten Augenblick seines Lebens für Gott entscheidet, wird mit Maria und allen Heiligen im Himmel vereint sein. Deshalb ist es gut, ihre Hilfe für diesen allerwichtig-sten Augenblick unseres Lebens zu erbitten und ihn unsererseits in jedem „jetzt“ nach Kräften vorzubereiten.

Danken wir unserem Herrn für das Geschenk des Rosenkranzes. Machen wir es uns nach Kräften zu eigen. Bitten wir unsere Mutter Maria, dass wir uns im Aufblick zu ihr die Gaben der Besinnung und Entscheidung zu eigen machen. Bitten wir um ihre Hilfe „jetzt und in der Stunde unseres Todes.“ Amen.

(3905/1227)