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Bistum stellt sich seiner Geschichte

Externe Anwaltskanzlei hat im Auftrag der Diözese Würzburg Akten des pastoralen Personals für den Zeitraum von 1946 bis 1999 gesichtet – 13 Personalakten an Generalstaatsanwaltschaft übermittelt – Umfangreiche Maßnahmen als Konsequenz

Würzburg (POW) Das Bistum Würzburg hat zusätzlich zur sogenannten MHG-Studie knapp 3000 Akten des gesamten pastoralen Personals für den Zeitraum von 1946 bis 1999 von einer externen Anwaltskanzlei sichten lassen. „Der Diözese Würzburg ist eine möglichst umfangreiche Aufklärung wichtig“, betonte Generalvikar Thomas Keßler beim Vorstellen der Ergebnisse am Freitag, 31. Mai, in Würzburg. „Wir sind diese Aufarbeitung und die Konsequenzen, die wir daraus ziehen, allen Betroffenen schuldig. Viele Betroffene leiden ihr Leben lang unter diesen Übergriffen und Missbräuchen – bis heute.“ Der Kirche von Würzburg gehe es darum, verlorengegangenes Vertrauen wiederzugewinnen. „Das können wir nur, wenn wir uns der eigenen Geschichte stellen und mutig vorangehen“, sagte der Generalvikar.

Deshalb habe die Diözesanleitung entschieden, ergänzend zur MHG-Studie die Personalakten des gesamten pastoralen Personals untersuchen zu lassen, das zwischen dem 1. Januar 1946 und dem 31. Dezember 1999 im Verantwortungsbereich der Diözese Würzburg eine Funktion ausübte oder sich im Ruhestand befand. Zusätzlich zu mutmaßlichen oder tatsächlichen Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger seien dabei auch Fälle körperlicher Gewalt erfasst worden. „Für alle Fälle von sexuellem Missbrauch und von Gewalt gegenüber Minderjährigen und Schutzbefohlenen bitte ich im Namen der Diözese Würzburg und unseres Bischofs Franz um Vergebung“, sagte Generalvikar Keßler.

Wie Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochen Schrepfer erläuterte, wurden in Abgrenzung zur MHG-Studie nicht nur Hinweise auf sexuellen Missbrauch und sexualisierte Gewalt gesammelt. Erfasst wurden auch Hinweise auf Gewalttaten ohne sexuellen Bezug wie strafbares Verhalten und Verhalten, das unterhalb der Schwelle zur Strafbarkeit lag, „aber vom Betroffenen als unangenehm empfunden wurde“. Das aufgefundene Material sei sowohl an die Diözese als auch an die Generalstaatsanwaltschaft zur weiteren Ermittlung weitergeleitet worden. Laut Schrepfer wurden aufgrund des Aufarbeitungsprojekts durch die Diözese 13 Personalakten zur weiteren Ermittlung und Klärung des Sachverhalts an die Generalstaatsanwaltschaft übersandt. „Hiervon enthielten zehn Akten einen Sachverhalt mit sexuellem Bezug, eine Akte einen Sachverhalt ohne sexuellen Bezug. Zwei Akten enthielten lediglich Andeutungen, aus denen nicht eindeutig hervorging, ob ein grenzüberschreitendes Verhalten vorliegt.“

Schrepfer und Kollegen hätten auch Akten als auffällig vermerkt, aus denen noch keine eindeutigen Hinweise auf ein solches Verhalten hervorgingen, deren Aktenmaterial aber dennoch Anlass zur weiteren Recherche gab. Zunächst seien die Personalakten derjenigen Seelsorgerinnen und Seelsorger untersucht worden, bei denen kein Sterbedatum angegeben und deren Laufzeit auf einen Zeitraum zwischen 1970 und 1999 datiert war. „Hintergrund ist, dass eventuell auffindbares relevantes Verhalten wegen der noch laufenden Verjährungsfrist unter Umständen noch strafrechtlich verfolgbar ist“, sagte Schrepfer.

Insgesamt hätten bei der Untersuchung 47 der 94 Priesterakten mit Auffälligkeiten Hinweise auf grenzüberschreitendes Verhalten mit sexuellem Bezug enthalten, 29 solche auf grenzüberschreitendes Verhalten ohne sexuellen Bezug. „Bei den restlichen 18 Akten blieb unklar, ob überhaupt ein relevantes Verhalten im Sinne des Projekts vorlag“, erklärte Schrepfer. Von den auffälligen Akten fallen 19 in den Zeitraum 1970 bis 1999 und 75 in den Zeitraum 1946 bis 1969. Unter den Personalakten der Diakone sowie der Pastoral- und Gemeindereferenten konnten nach Schrepfers Angaben keine Auffälligkeiten entdeckt werden.

Zudem hätten 35 Akten Hinweise auf Sachverhalte enthalten, denen bereits seinerzeit nachgegangen worden sei. „In zehn Fällen war das Ermittlungsverfahren bereits durch die Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Hiervon betrafen fünf Akten einen Sachverhalt mit sexuellem, vier Akten einen Sachverhalt ohne sexuellen Bezug. Bei einer Akte war eine Zuordnung nicht möglich. 20 Fälle endeten mit Urteil, davon betrafen 17 Fälle einen Sachverhalt mit sexuellem Bezug.“ In zwei Fällen sei eine Zuordnung nicht möglich gewesen, bei fünf Fällen habe sich aus dem Aktenmaterial nicht ergeben, wie das Verfahren endete.

Generalvikar Keßler sagte, die Ergebnisse der Untersuchung der Knabeninternate des Bistums stünden noch aus. Zu den Züchtigungen von Kindern, vor allem im schulischen Religionsunterricht und in der pfarrlichen Seelsorge, erklärte er: „Aus dem Geist des Evangeliums hätte ein Priester auch schon damals solche Züchtigung als erzieherische Maßnahme nicht durchführen dürfen. Dieses Vorgehen war falsch und tut uns als Kirche leid. Auch die Opfer dieser jedenfalls moralischen Verfehlungen bitten wir um Vergebung. Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Würde und körperliche Unversehrtheit.“

Insgesamt sieben Punkte stellte Generalvikar Keßler als Konsequenzen der Aktensichtung vor. So setze die Diözese auf enge Zusammenarbeit mit den staatlichen Strafverfolgungsbehörden. Zudem würden plausible Vorwürfe auch kirchenrechtlich untersucht. „Die Akten werden der Glaubenskongregation zur Klärung des weiteren Vorgehens vorgelegt.“ Bischof Dr. Franz Jung stellte sich im Dezember im Burkardushaus dem öffentlichen Gespräch mit Betroffenen. Gemeinsam mit dem Generalvikar werde er sich außerdem am 5. Juni mit Betroffenen sexualisierter Gewalt treffen, um von diesen zu erfahren, welche weiteren Schritte das Bistum aus deren Perspektive zur Aufarbeitung des Geschehens im Raum der Kirche sowie zur Prävention tun könne. „Wie 2018 angekündigt, haben wir ein Team von Seelsorgerinnen und Seelsorgern für Betroffene sexualisierter Gewalt etabliert.“

Bei Missbrauchsvorwürfen aus der jüngsten Zeit habe sich gezeigt, wie wichtig der Einsatz eines Interventionsteams in betroffenen Gemeinden sei. Laut Generalvikar Keßler ist besonders die Abwägung zwischen verantwortbarer Öffentlichkeit und den Persönlichkeitsrechten von Betroffenen und Beschuldigten schwierig. Intensiviert und verbessert worden seien die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen den Diözesen. So würden beispielsweise Umzüge von Ruhestandspriestern, denen unabhängig von einer Verurteilung Vorwürfe gemacht wurden oder werden, der neuen Wohnortdiözese schriftlich mitgeteilt. Schließlich verfasse eine Arbeitsgruppe der Deutschen Bischofskonferenz, zu der auch ein Vertreter des Bistums gehöre, eine neue, einheitliche Aktenordnung, die der Transparenz diene.

„Für uns ist diese ergänzende Studie schließlich ein Auftrag, uns besonders für die Menschen einzusetzen, die Gewalt erfahren, die missbraucht und erniedrigt werden. Und wir müssen das uns Mögliche tun, dies zu verhindern“, erklärte Generalvikar Keßler.

mh (POW)

(2319/0611; E-Mail voraus)

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