München (POW) Unterfranken ist etwa vierzig Meter lang und besteht aus vier Ständen. Zumindest am Mittwochabend, 12. Mai, beim Abend der Begegnung zum Auftakt des 2. Ökumenischen Kirchentags in München. Es ist der Abend der bayerischen Regierungsbezirke, die sich in ökumenischer Eintracht den Gästen aus ganz Deutschland vorstellen.
Um kurz nach 18 Uhr wird es langsam voll in den Straßen rund um die Münchener Innenstadt. Immer mehr Menschen mit den orangefarbenen Schals um den Hals strömen herbei. In einem großen Kreis rings um die Münchener Altstadt flanieren die Kirchentagsteilnehmer aller Altersklassen und Münchener Passanten, um sich kulinarisch und musikalisch an der Vielfalt des Freistaats zu ergötzen.
Brote mit Gerupftem, Schweineschmalz oder – für die Kinder – mit Nutella hat das Team des Katholischen Deutschen Frauenbunds (KDFB) aus Brendlorenzen (Landkreis Rhön-Grabfeld) vorbereitet. Rund 750 Portionen wollen sie unters Volk bringen. „Wir haben uns vor längerer Zeit im Internet für diesen Begegnungsabend beworben und freuen uns jetzt natürlich, dass wir unser Bistum vertreten dürfen“, erzählt Lydia Gaß, Vorsitzende des KDFB Brendlorenzen. Außerdem hat sie das Kochbuch des Frauenbunds Brendlorenzen im Angebot. Mit mehr als 18.000 verkauften Exemplaren ein echter Bestseller aus der Rhön.
Im Zelt nebenan erklingen Verse von Walther von der Vogelweide zu Lautenklang. Ein Minnesänger wirbt für die evangelischen und katholischen Jugendhäuser in Unterfranken. Unter dem Motto „Trau Dich unter Franken“ bietet der gemeinsame Auftritt von Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) Würzburg und Evangelischer Jugendarbeit im Kirchenkreis Ansbach-Würzburg/Nord neben Unterhaltung und Information auch Speisen und Getränke aus der Region. Außer Hammelburger Dätschern, einer Brötchenspezialität, gibt es Bio-Limo aus Ostheim/Rhön und Bocksbeutel mit Marienkapellen-Motiv. Weil letztere nicht zum sofortigen Ausschank vorgesehen sind, hat keiner einen Korkenzieher, der von den Weinkäufern immer wieder angefragt wird. BDKJ-Diözesanvorsitzender Manuel Koch macht sich auf die Suche nach dem gefragten Werkzeug.
Angesichts der kühlen Abendtemperaturen passt vor allem ein Angebot von Mitgliedern und Freunden der Arbeitsgemeinschaften christlicher Kirchen (AcK) aus Miltenberg und Aschaffenburg besonders gut: der heiße Apfelwein. Die „Boten vom Untermain“, wie es auf ihren originellen Hüten zu lesen ist, bringen unter anderem Wildschweinknacker, Mainzer Räder und Kreuzbrötchen unters Volk. „Wir waren doch früher mainzisch, und an diese Zeit erinnern diese handgemachten Brotspezialitäten“, erklären die Männer und Frauen immer wieder den interessierten Kirchentagsbesuchern. Die Band „Rejoice“ aus Miltenberg bringt derweil mit ihren Gospels so manche Flaneure zum Mitschnipsen.
Auf klassisch bayerische Art bedanken sich spontan Zuhörer für die Bandbreite der von der Bläsergruppe „Soni Classico“ am Stand der Martin-Luther-Kirche aus Würzburg dargebotenen Klänge: Sie stellen eine Batterie Bierflaschen auf den großen Sombrero, der am Boden steht und auf das Hilfsprojekt der evangelischen Pfarrei für San Lorenzo hinweist. In dem Bergdorf soll eine Krankenhaus entstehen, das die stationäre medizinische Versorgung gewährleisten kann. Rund eine Million Euro werden für das ehrgeizige Projekt benötigt. „Wir helfen praktisch ausschließlich Katholiken. Das Projekt ist ein echtes ökumenisches Zeichen“, sagt Birgit Bolner und bringt Nacho-Chips und Salsa-Sauce unters Volk.
„Hier seid ihr!“, sagt ein sichtlich erleichterter Eberhard Sinner. Der in Lohr am Main beheimatete frühere Leiter der Bayerischen Staatskanzlei zückt am Stand des BDKJ den Brief, mit dem ihn Diözesanvorsitzende Kristina Bopp zu einem Besuch beim Abend der Begegnung eingeladen hat. Allerdings hat sich der Standort wohl leicht geändert. Im Schreiben heißt es „ganz in der Nähe vom Odeonsplatz“. Auf der Suche hat Sinner einen ausgiebigen Spaziergang hinter sich bringen dürfen. „Ökumene praktiziere ich übrigens seit 40 Jahren intensiv. Meine Frau ist katholisch, ich selbst bin bei den evangelischen Pfadfindern groß geworden“, erzählt Sinner und bietet den BDKJ-Leuten an, dass sie das nächste Mal auf der Dachterrasse seiner Dienstwohnung ein Zelt aufschlagen könnten, statt sich Privatquartiere zu suchen.
Mit großem Hallo begrüßt er den Diözesanjugendpfarer Thomas Eschenbacher, der früher in Rechtenbach Pfarrer war und jetzt mit einer großen Fahne „Bistum Würzburg“ in Klein-Unterfranken ankommt. Zwei Busse mit insgesamt 110 Jugendlichen beider Konfessionen haben er und Pfarrvikar Thomas Geuppert nach München begleitet. „Mensch, da sin‘ ja noch mehr Unterfranken“, jubelt eine Gruppe von jungen Senioren aus Oberwerrn, als sie die „Mir aus Frangen“-T-Shirts der Gruppe um Eschenbacher sieht.
Auch am Stand der Brendlorenzer Frauen herrscht inzwischen großes Gedränge: Sie schmieren Brote, was das Zeug hält. „Ich habe den Eindruck, dass es so richtig losgegangen ist, nachdem Volker Heißmann sich hier ein Gerupften-Brot geholt hat“, sagt Lydia Gaß. Der Fürther Komiker, der als Mariechen mit seinem Partner Martin Rassau nicht zuletzt vom Veitshöchheimer Fasching bekannt ist, weiß offensichtlich, was schmeckt. Beim BDKJ ist inzwischen ein Korkenzieher aufgetaucht. Doch der wird nicht mehr gebraucht: Kurz nach halb acht am Abend sind die 40 Bocksbeutel ausverkauft.
(2010/0649; E-Mail voraus)
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