Es war und bleibt in dieser Situation vordringlich, dass die Verantwortlichen unzweideutig Position beziehen und die Ablehnung aller antijüdischen und rechtsradikalen Tendenzen durch die Katholische Kirche öffentlich bekräftigen.
Als Generalvikar der Diözese Würzburg haben Sie dies in Ihrem (inzwischen veröffentlichten) Brief vom 22. Mai 2013 an den Regens des Priesterseminars in eindrucksvoller Weise getan.
Die Katholisch-Theologische Fakultät teilt Ihre Einschätzung, dass die Verbrechen der National-sozialisten durch despektierliche Äußerungen gegenüber dem jüdischen Volk nicht verharmlost und bagatellisiert werden dürfen, dass der Respekt gegenüber dem jüdischen Volk und generell Sensibilität im Verhältnis zu anderen Religionen zu den Voraussetzungen für den Priesterberuf gehören und dass hierbei auch die Glaubwürdigkeit der Priesterausbildung in der Katholischen Kirche insgesamt auf dem Prüfstand steht, auch wenn die erhobenen Vorwürfe nicht generalisiert werden dürfen.
Wir sind überzeugt, dass niemand, der sich zu rechtsradikalem Gedankengut bekennt, antijüdische und ausländerfeindliche Ansichten propagiert, Minderheiten diskriminiert, die Verbrechen der Nazis verharmlost oder den Holocaust leugnet, für einen Dienst oder ein Amt in der Kirche geeignet ist. Das trifft im Übrigen für alle in Frage kommenden Berufsgruppen (künftige pastorale Mitarbeiter/innen, Priesteramtskandidaten, Religionslehrer/innen, Professor/inn/en, Assistent/inn/en usw.) ohne Unterschied zu.
Es geht unserer Einschätzung nach auch nicht allein um die „Entgleisung“ einzelner Studenten, es steht vielmehr grundsätzlich die Anerkennung, Rezeption und Umsetzung des II. Vatikanischen Konzils – hier konkret: der Erklärung Nostra Aetate über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen – in der Katholischen Kirche auf dem Spiel.
Unsere Fakultät bemüht sich in Forschung und Lehre kontinuierlich darum, die Errungenschaften des Konzils (die gerade bei der Neubestimmung des Verhältnisses zum Judentum gegen erhebliche Widerstände durchgesetzt werden mussten) zu bewahren und weiterzuvermitteln. Ich darf an die Ringvorlesung der Fakultät im Wintersemester 2008/09 erinnern, die sich 70 Jahre nach der Reichspogromnacht mit der Frage auseinandersetzte, ob das jüdisch-christliche Gespräch erneut in die Krise geraten sei, nachdem Papst Benedikt XVI. für den außerordentlichen (tridentinischen) Messritus eine neue Karfreitagsfürbitte „Pro Iudaeis“ formuliert hatte, die für erhebliche Irritationen sorgte. Ich darf auch darauf hinweisen, dass – nicht zuletzt mit Unterstützung der Diözese Würzburg – im Jahr 2012 eine Professur für Missionswissenschaft und Dialog der Religionen eingerichtet wurde, deren besonderes Anliegen es ist, Toleranz und Verständnis der Studierenden für andere Kulturen, Traditionen und Religionen zu fördern.
Dass solche Bemühungen weiterhin notwendig sind, zeigt die entstandene Unruhe in Würzburg sehr deutlich.
Gerne sind wir bereit, uns in der kommenden Zeit an einer vertieften Diskussion über die aufgeworfenen Probleme zu beteiligen.
Mit freundlichen Grüßen
Professor Dr. Franz Dünzl, Dekan
(2313/0589; E-Mail voraus)