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Dokumentation

​​​​​​​„Christus geht uns voraus zum Vater“

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung bei der Diakonenweihe von Benediktinerbruder Melchior Schnaidt in der Abteikirche Münsterschwarzach an Christi Himmelfahrt, 13. Mai 2021

Lieber Vater Abt,
lieber Bruder Melchior,
liebe Schwestern und Brüder,

zur Diakonenweihe von Bruder Melchior möchte ich Ihnen vier Gedanken vorlegen, die von den heutigen Lesungen zum Hochfest Christi Himmelfahrt inspiriert sind.

I. Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung in eurer Berufung: ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist.

Mit seiner Himmelfahrt verlässt der erhöhte Herr seine Kirche nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Christus geht uns voraus zum Vater. Er möchte, dass alle dort sind, wo er ist. Deshalb ruft Christus seine Jünger über sich hinaus in die Fülle des Vaters. Sein Gott soll auch unser Gott werden. Gott möchte durch Christus im Heiligen Geist alle erfüllen bis alle in dem einen Leib der Kirche und in dem einen Geist geeint sind zu dem einen neuen Menschen. Christus ist der Anker im Himmel, der alle an sich zieht. Er hält unsere Hoffnung auf Wachstum in uns wach und ruft uns immer neu über uns hinaus.

Die Mönche geloben genau das bei ihrer Profess im Gelübde der „conversatio morum“ (RB 58.17), was man übersetzen kann mit „beständiger Umkehr“. Jeden Tag geht es aufs Neue darum, das Herz zum Herrn zu erheben, auf den Herrn hinzuwachsen und dadurch auch in die Gemeinschaft der Brüder hineinzuwachsen. Es geht um die Selbstüberschreitung jedes Einzelnen, näher zu Gott und näher zur Gemeinschaft, bis alle ein Leib und Geist sind.

Der Diakon hat durch sein Amt den Auftrag, diese Conversatio nicht nur selbst vorzuleben, sondern sie auch durch seinen Dienst zu fördern. Als Diener will er über sich hinauswachsen und dafür Sorge tragen, dass die Gemeinschaft geistlich weiterwächst. Die Berufung zur Hoffnung lässt ihn dabei in seinem Dienst nie erlahmen.

II. Wenn es heißt: Er stieg aber hinauf, was bedeutet dies anderes, als dass er auch zur Erde herabstieg? Derselbe, der herabstieg, ist auch hinaufgestiegen über alle Himmel, um das All zu erfüllen.

Paulus meditiert das Geheimnis der Himmelfahrt. Dabei kommt er zu der tiefen Einsicht: „Derselbe, der herabstieg, ist auch hinaufgestiegen.“ Kein Aufstieg zum Himmel, ohne vorher abgestiegen zu sein zur Erde. Mit anderen Worten: Wer meint, einfach in den Himmel kommen zu können, irrt gewaltig. Zum Himmel kommt nur der, der wie der Herr die Tiefen der Erde durchschritten und durchlitten hat. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt und wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.

Im 7. Kapitel seiner Regel, die sich mit der Haltung der Demut beschäftigt, fasst es der Heilige Benedikt so zusammen: „Ganz sicher haben wir dieses Herab- und Hinaufsteigen so zu verstehen: Durch Selbsterhöhung steigen wir hinab und durch Demut hinauf“ (RB 7.7). Aufstieg nur durch Abstieg, das ist das paradoxe Grundgesetz des geistlichen Lebens. In diesem Gesetz wird das Geheimnis der Inkarnation zum Lebensgesetz des Mönches, aber auch zum Lebensgesetz des Diakons.

Wer anderen dienen will, wird sich also auf einen Weg innerer Läuterung vorbereiten müssen. Dienen heißt nicht von oben herab dienen. Dienen heißt lernen, dass man selbst des Dienstes anderer bedarf, bis man die nötige innere Reife erlangt hat. Das heißt dann die eigene Überheblichkeit abzulegen, weil wir unnütze Diener sind und bleiben. Das heißt auch, das eigene Besserwissen abzulegen, weil wir vom anderen her erst lernen müssen, was wirklich nützt und gebraucht wird. Das bedeutet nicht zuletzt, auch mit den eigenen Schwächen konfrontiert zu werden, weil uns andere unsere Grenzen immer neu aufzeigen: an Geduld, Barmherzigkeit, Ausdauer, Urteilen, Sorgfalt und Liebe. Er weiß, dass er alles Gute immer Gott zuschreiben muss und nicht sich selbst; und alles Schlechte sich selbst und nicht Gott (RB 4.42-43). Und er möchte auch nicht heilig genannt werden, bevor er es wirklich ist (RB 4.62).

Nur wer mit Christus abgestiegen ist, auch in die Abgründe des eigenen Lebens, lernt die Demut kennen. Und wer die Demut gelernt hat, ist zugerüstet für das Dienen und das Amt des Diakons. In der Erniedrigung beginnt der Aufstieg zum erhöhten Herrn.

III. In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; sie werden in neuen Sprachen reden; wenn sie Schlangen anfassen oder tödliches Gift trinken, wird es ihnen nicht schaden; und die Kranken, denen sie die Hände auflegen, werden gesund werden.

Wer mit Christus in seiner Himmelfahrt über die Erde erhöht ist, lebt aus der Kraft seiner Auferstehung. Der Tod hat für ihn seinen Schrecken und seine angsteinflößende Macht verloren. Das zeigt sich in den Werken, die von denen ausgehen, die an Christus glauben.

Sie finden eine Entsprechung in den Weiheversprechen der Diakonenweihe.

  • Da ist als erstes das Gehorsamsversprechen des Diakons. In der Haltung des Gehorsams werden die Jünger Christi die Dämonen austreiben. Denn diese können alles, außer gehorchen. Wer aber wie ein guter Jünger sein Herz zu den Weisungen Christi hinneigt, lässt es nicht zu, dass die Dämonen und unreinen Geister Macht über sein Leben gewinnen.
  • Als zweites gelobt der Diakon, mit Eifer die Heilige Schrift so zu lesen, so dass das Wort Gottes das eigene Leben prägt und verwandelt. Auf diese Weise beginnt er in neuen Sprachen zu reden ohne in die alten Klischees, Vorurteile oder schablonenhaften Gedanken zurückzufallen.
  • Als drittes verspricht der Diakon ein Leben in Keuschheit und Lauterkeit. Wer reinen Herzens ist, der fürchtet sich weder vor Schlangen noch schreckt er vor dem vergifteten Becher zurück. Auch wenn man zuweilen einander Gift geben könnte und auch wenn das heiligmäßigste Kloster ein Hort teuflischer Schlangenbrut sein kann, so wird dennoch der Mensch bestehen, der sich unbeirrt auf den Herrn hin ausrichtet und konsequent die bösen Gedanken an Christus, dem Felsen, zerschmettert (RB 4.50).
  • Als viertes erklärt der Diakon seine Bereitschaft, den Armen und Kranken beizustehen und den Heimatlosen und Notleidenden zu helfen. Denn die Verheißung des auferstandenen Herrn steht, dass all diejenigen geheilt werden, denen die Jünger die Hände auflegen. In diesem Sinne ist der diakonische Einsatz für Geflüchtete und Schutzsuchende besonders zu würdigen, den die Abtei und die ganze Gemeinschaft in vorbildlicher Weise praktizieren und vorleben.
  • Als fünftes verspricht der angehende Diakon ein Mann der Innerlichkeit und des Gebets zu werden. Stellvertretend tritt er mit seinem Gebet ein für alle, die nicht beten können. Er weiß, dass seit der Aufnahme Christi in den Himmel kein Gebet mehr unerhört verklingt, sondern im Geist durch Christus beim Vater Gehör findet. Das Gebet wird damit zum Grund allen diakonischen Handelns.
  • Wenn schließlich Paulus ausführt, dass alle Aufgaben und Ämter dazu gegeben werden, „um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zuzurüsten, für den Aufbau des Leibes Christi“ dann erinnert er an das sechste Versprechen des Diakons. Diener der Eucharistie soll er sein. Die Feier der Eucharistie soll sein Leben prägen. Er soll also nicht nur Leib und Blut Christi anderen spenden, sondern sich selbst darbringen nach dem Vorbild des Herrn. Mit dem Abt übernimmt er – wenn man so sagen darf - die „schwierige und mühevolle Aufgabe“, der Eigenart vieler zu dienen (RB 2.31), um so die Vollgestalt Christi im Kloster sichtbar zu machen.

IV. Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat. Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde.

Die abschließende Weisung des scheidenden Christus bezieht sich auf die Dimension der Zeit. Wie bei jedem Dienst fragt man sich bisweilen, wie lange noch? Christus jedoch gebietet den Jüngern, nicht nach den Zeiten und Fristen zu fragen. Sie sollen vielmehr den gegenwärtigen Augenblick ganz leben. Wer jetzt ganz bei der Sache ist, der erlahmt nicht in seinem Eifer im Blick auf eine ungewisse Zukunft. Wer jetzt ungeteilten Herzens dem Herrn dient, der bereitet seine Wiederkunft schon vor. Damit geht es um die Stabilitas (RB 58.17), die Beständigkeit und Treue zum Herrn, zur Gemeinschaft und zur eigenen Berufung.

In Jerusalem sollen die Jünger bleiben, sagt der Herr. Jerusalem wird dabei zum Inbegriff der himmlischen Stadt, zu der wir seit der Himmelfahrt Christi alle unterwegs sind. Es ist die Stadt der schon vollendeten Heiligen. Jerusalem haben die Väter übersetzt mit „Schau des Friedens“. Wer in dem erhöhten Herrn diesen Frieden schaut, der bleibt seiner Sendung treu. Als Missionsbenediktiner ist er sogar bereit, sich vom Herrn bis an die Grenzen der Erde senden zu lassen, um Zeugnis zu geben von der Macht seiner Auferstehung.

Wir wollen also eine Schule für den Dienst des Herrn einrichten“ (RB Prolog 45)

Der heilige Benedikt beschließt den fulminanten Prolog seiner Regel mit dem Hinweis, eine Schule für den Dienst des Herrn einrichten zu wollen.

Ich erbitte Ihnen am heutigen Tag Ihrer Diakonenweihe, lieber Bruder Melchior, dass Ihr Dienst als Diakon eine solche Schule für den Dienst des Herrn sein möge. Möge es Ihnen gegeben werden, immer tiefer zu verstehen, was der Herr an uns getan hat. Möge es Ihnen geschenkt werden, den Spuren dessen nachzufolgen, der nicht gekommen ist, sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen – hier innerhalb der Gemeinschaft und bei all den Menschen, zu denen Sie gesandt werden. Amen.