Bad Neustadt (POW) Neun Pfarreiengemeinschaften entstehen im Dekanat Bad Neustadt im Norden des Bistums Würzburg. „Die Bereitschaft wird in der Zukunft immer wichtiger werden, über den eigenen Kirchturm hinauszuschauen, in der Pfarreiengemeinschaft zueinanderzufinden und Wege des Miteinanders und der gegenseitigen Ergänzung zu gehen“, sagt Dekan Prälat Bernold Rauch (Bad Neustadt) in folgendem Interview zur Entwicklung neuer Seelsorgestrukturen im Dekanat Bad Neustadt.
POW: Wie würden Sie den aktuellen Stand des Prozesses der Errichtung von Pfarreiengemeinschaften im Dekanat Bad Neustadt umschreiben?
Dekan Bernold Rauch: Von den neun geplanten Pfarreiengemeinschaften sind drei bereits offiziell errichtet: „Walddörfer“, „Oberelsbach“ und „Bad Neustadt“. Die Errichtung der vierten steht in diesen Tagen an: „Sankt Martin, Brend“. In den übrigen laufen die Beratungen und Vorbereitungen. De facto sind in einigen Bereichen, in denen schon seit längerer oder kürzerer Zeit ein Pfarrer für alle Gemeinden zuständig ist, Formen der Zusammenarbeit gewachsen und gemeinsame Wege angebahnt worden.
POW: Wo liegen die besonderen Probleme, wo die besonderen Chancen in Ihrem Dekanat?
Dekan Rauch: Aufgrund der Gegebenheiten sind die Voraussetzungen nicht überall gleich. Einige Seelsorgsbereiche sind seit der kommunalen Gebietsreform politische Einheitsgemeinden, die natürlich auch gewisse Probleme haben können. Andere Bereiche setzen sich aus selbständigen Gemeinden oder aus Teilgemeinden zusammen. Die schulischen Zuordnungen sind zum Teil wieder anders. Es gibt nicht überall natürliche zentrale Orte, auf die sich in gewissem Sinn auch das kirchliche Leben stärker konzentrieren könnte. Das macht die Seelsorgsarbeit manchmal schwieriger. Auf der anderen Seite sind wir dadurch nicht so sehr der Versuchung zu übermäßiger Zentralisierung ausgesetzt, sondern achten darauf, dass das kirchliche Leben in den einzelnen Gemeinden erhalten bleibt, und nutzen die Chancen, die vor Ort gegeben sind. Freilich wird die Bereitschaft in der Zukunft immer wichtiger werden, über den eigenen Kirchturm hinauszuschauen, in der Pfarreiengemeinschaft zueinander zu finden und Wege des Miteinanders und der gegenseitigen Ergänzung zu gehen. Dazu sind viele Verantwortliche und Mitglieder unserer Pfarreien schon bereit. Im Raum Bad Neustadt, wo die Kirchen sehr nah beieinander sind, ist das territoriale Prinzip schon seit langem nicht mehr so bindend. Das hat nicht nur negative, sondern auch positive Auswirkungen für die einzelnen Gemeinden.
POW: Das Dekanat ist sehr ländlich geprägt. Welche Zukunft haben die kleineren Landgemeinden? Wie kann Kirche im Dorf bleiben?
Dekan Rauch: Dieses Problem habe ich bereits oben angesprochen. Man muss darauf achten, dass die zahlenmäßig starken Gemeinden die kleinen nicht einfach schlucken. Menschen, die in diesen Gemeinden miteinander leben und zusammenwirken, zum Beispiel in Vereinen, sollen auch ihr Leben aus dem Glauben miteinander gestalten. Deshalb halte ich es für wichtig, dass die Gemeinden sich am Sonntag zum Gottesdienst versammeln, auch wenn nicht immer die Eucharistie gefeiert werden kann. Wir dürfen nicht durch radikale Konzentration den Menschen die Teilnahme am Gottesdienst abgewöhnen. Hoffentlich finden sich genügend Frauen und Männer, die mithelfen, dass kirchliches Leben am Ort – wie Bittgänge oder örtliche Feste – stattfinden können. Ich hoffe aber auch darauf, dass die Gläubigen dazu bereit sind, die Ortsgrenzen zu überschreiten und gemeinsame Angebote zu nutzen. Man muss ja auch die Belastbarkeit der Priester und pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen.
POW: Welche Rolle spielt Kirche in einer zentralen Kreisstadt wie Bad Neustadt? Wird Kirche hier in den kommenden Jahren noch stärker in das Umland ausstrahlen?
Dekan Rauch: Die Straßen im Landkreis Rhön-Grabfeld führen nach Bad Neustadt. Deshalb konzentriert sich vieles hier, wobei natürlich auch die anderen zentralen Orte ihr Leben entfalten und weiterhin entfalten sollen. Zentrale Einrichtungen in Bad Neustadt wie das Diözesanbüro mit der Regionaljugendstelle und der Familienseelsorge sowie der Kreiscaritasverband mit seinen Beratungsstellen leisten hervorragende Arbeit für den ganzen Landkreis. Die kirchenmusikalischen Angebote sind in Bad Neustadt sehr gut, aber auch in anderen Teilen des Dekanats und des Landkreises sehr vielfältig und ansprechend. Im Bereich der Erwachsenenbildung waren bereits Ansätze einer Vernetzung im Raum Bad Neustadt da, sie könnten wieder neu aufgegriffen werden. Eine Sonntagabendmesse gab es früher in der Pfarrei Mariä Himmelfahrt in Bad Neustadt. Sie musste wegen des Priestermangels gestrichen werden. In einer Zeit, in der Messfeiern nicht vermehrt werden können, muss wohl auf dieses Angebot verzichtet werden.
POW: Mit dem Rhön-Klinikum arbeitet eine große medizinische Einrichtung im Dekanat. Welche Folgen hat dies für die Seelsorge?
POW: Die im Rhön-Klinikum vereinigten Kliniken haben viele Berührungspunkte mit unseren Städten und Dörfern und strahlen in die Umgebung aus. Sie bieten zahlreiche Arbeitsplätze und Chancen der ortsnahen medizinischen Versorgung auf Spezialgebieten. Die Seelsorge im Rhön-Klinikum unterscheidet sich natürlich von der pfarrlichen Seelsorge. Sie ist auch nicht dem Dekanat zugeordnet, sondern dem Bereich „Sonderseelsorge“ im Bischöflichen Ordinariat. Gleichwohl sind die Seelsorgerinnen und Seelsorger des Klinikums in die Seelsorgekonferenz des Dekanats eingebunden. Priester aus den benachbarten Pfarreien übernehmen auch, wenn nötig, seelsorgliche Dienste im Klinikum.
POW: Welche Bedeutung haben die Franziskaner am Kreuzberg und welche Folgen hat der Verkauf des Klosters der Missionare von der Heiligen Familie in Lebenhan für das Dekanat?
Dekan Rauch: Dass die Missionare von der Heiligen Familie das Missionshaus Sankt Kilian in Lebenhan aufgeben müssen, ist bedauerlich, aber wohl unvermeidlich. Viele Jahre haben die Patres wertvolle Dienste in unseren Pfarreien und Filialen geleistet. Dafür sind wir sehr dankbar. Einige Patres bleiben noch für eine gewisse Zeit im Umland und tragen die Seelsorge mit. Das Kloster Kreuzberg ist sicher ein ausgeprägter touristischer Anziehungspunkt für viele Menschen des Landkreises, aber auch weit darüber hinaus. Aber viele Gläubige kommen auch aus religiösen Gründen zum Kreuzberg. Schon vor über 100 Jahren dichtete ja der spätere Kardinal Michael Faulhaber: Es kommen „die einen zur Kirche, die andern zum Krug“. Die vielen Wallfahrten – auch aus den Pfarreien des Umlandes – und die gut besuchten Sonntagsgottesdienste, die Nutzung der Beichtgelegenheiten und die drei Exerzitienkurse im November zeigen die religiöse Bedeutung des Kreuzbergs. Die Franziskaner auf dem Kreuzberg sind eine wichtige Stütze für die Seelsorge. Das Bruder-Franz-Haus, das demnächst seine Pforten öffnet, wird die Gelegenheit bieten, in neuer Weise – auch für Menschen ohne engere Kirchenbindung – franziskanische und geistliche Themen anzusprechen.
POW: Wie beurteilen Sie eine mögliche Fusion der Dekanate Bad Neustadt und Rhön-Grabfeld?
Dekan Rauch: Wir haben uns noch nicht zu einer Fusion der beiden Dekanate entschließen können. Aber wir arbeiten in den Dekanatsräten und in den Seelsorgekonferenzen eng und fruchtbar zusammen. Kirchliche Jugend-, Familien- und Seniorenarbeit geschehen ebenfalls in guter Kooperation oder erstrecken sich auf beide Dekanate.
POW: Was möchten Sie am ersten Fastensonntag 2010 mit Blick auf das Dekanat Bad Neustadt sagen können?
Dekan Rauch: Als Antwort auf diese Frage kommt mir eine Stelle im Jakobusbrief (Jak 4, 13-15) in den Sinn, wo es heißt: „Ihr aber, die ihr sagt: Heute oder morgen werden wir in diese oder jene Stadt reisen, dort werden wir ein Jahr bleiben, Handel treiben und Gewinne machen –, ihr wisst doch nicht, was morgen mit eurem Leben sein wird. Rauch seid ihr, den man eine Weile sieht; dann verschwindet er. Ihr solltet lieber sagen: Wenn der Herr will, werden wir noch leben und dies oder jenes tun.“
(4708/1401; E-Mail voraus)