Würzburg (POW) „Es ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, für sich selbst zu sorgen.“ Das hat Privatdozentin Dr. Elisabeth Jentschke am Montag, 3. November, vor den rund 100 Teilnehmern beim Diözesanen Priestertag in Würzburg betont. In ihrem Vortrag „Stark im Wandel – achtsam im Alltag. Vom konstruktiven Umgang mit Belastung“ zeigte sie auf, wie Dauerstress Körper, Geist und Seele belastet und was man dagegen tun kann. Bischof Dr. Franz Jung feierte im Anschluss mit den Priestern im Neumünster eine Messe. Er dankte allen „für Ihren Dienst und Ihre Treue in diesen bewegten Zeiten“.
Der Umbruch in der Kirche, der unter anderem mit Personalmangel, einem Anstieg der Bürokratie und hohen Rollenerwartungen einhergehe, habe Auswirkungen auf die Gesundheit der Seelsorger, sagte Jentschke. Sie ist Psychologin, Psychotherapeutin, Vorsitzende des Klinischen Ethikkomitees sowie Leiterin der Abteilung für Psychoonkologie und Palliativpsychologie am Universitätsklinikum Würzburg. Studien hätten ergeben, dass 13 Prozent der Priester von Burn-out betroffen und 33 Prozent gefährdet seien. „Stress entsteht, wenn die Bewältigungsstrategien nicht mehr mit den Veränderungen Schritt halten“, erklärte sie. Dabei liefen im Körper die gleichen Mechanismen ab wie vor Jahrtausenden, als die Menschen noch vor wilden Tieren flüchten mussten. Als Beispiele nannte sie etwa einen erhöhten Blutdruck oder ein gehemmtes Immunsystem. Nicht kompensierter Stress könne zu Symptomen wie Tinnitus, Zähneknirschen, Depressionen oder kognitiven Einschränkungen führen. Sie nannte auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Schlaganfälle als mögliche Langzeitfolgen.
Unter den Faktoren, die zum Erhalt der Gesundheit beitragen, wie Ernährung, Bewegung, Entspannung und soziale Kontakte, hob Jentschke besonders die Atmung hervor. „Stress macht eng, Atmung macht weit“, sagte sie. Auch der Volksmund rate dazu, „erst einmal durchzuatmen“ oder „über eine Sache zu schlafen“. Der Mensch atme rund 20.000 Mal am Tag. „Aber wer atmet wirklich bewusst?“, fragte die Referentin. Mit den Teilnehmern übte sie deshalb eine Achtsamkeitsübung, die sogenannte „Lichtatmung“. Sie forderte sie dazu auf, sich einen blauen Himmel vorzustellen. Dann sollten sie bewusst Sauerstoff und Energie einatmen, bis in den Bauch hinein spüren, um dann alles auszuatmen, was sie nicht brauchten, wie Angst und Schmerz. Dadurch würden Stresshormone abgebaut. „Wenn Sie eine Minute wirklich atmen, merken Sie, dass Sie ruhiger und aufmerksamer werden“, erklärte Jentschke.
In ihrem Vortrag befasste sie sich auch mit dem Umgang mit Ablehnung. „Man darf Ablehnung nicht sofort als persönlichen Angriff verstehen. Ich muss nicht immer von allen mit offenen Armen empfangen werden“, sagte sie. Ablehnung entstehe oft „aus Not oder Enttäuschung des Anderen“. Sie riet dazu, Verständnis für das Gegenüber zu zeigen, anstatt sich zu verteidigen – was nicht bedeute, dass man sich alles gefallen lassen müsse. Sie betonte die Wichtigkeit von Netzwerken: „Gerade, wenn uns etwas getroffen hat, ist es wichtig, die Situation im Team zu besprechen.“ Jentschke schloss mit den Worten: „Möge Ihre Arbeit mit anderen Menschen getragen sein von Aufmerksamkeit, Selbstfürsorge und dem Vertrauen, dass auch das Gebet heilsam wirkt.“ Bei der anschließenden Diskussion stellte ein Priester fest: „Körper, Seele und Geist sprechen zu uns, aber manchmal sind wir nicht aufmerksam. Ich muss mich darum kümmern, welche Signale mein Körper gibt.“
Bischof Jung betrachtete in seiner Predigt ein Gebet von Jesuitenpater Rupert Mayer. Aus dem Gottvertrauen, das daraus spreche, gewinne der Beter die Zuversicht, „die Herausforderungen, die das Leben für ihn bereithält, auch meistern zu können“. Der Bischof betrachtete vier Grundhaltungen, die sich aus den Strophen ergäben. Das Gebet beginnt mit den Worten „Herr, wie Du willst, soll mir gescheh’n“. Wenn das Leben gerade anders verlaufe als geplant, sei „Ambiguitätstoleranz“ gefragt, erklärte der Bischof. Das ist die Fähigkeit, mehrdeutige oder widersprüchliche Situationen zu akzeptieren. „Sie hilft, nicht sofort einen Rückzieher zu machen und aufzugeben.“ Der Ruf Gottes treffe Menschen oft unvorbereitet und bringe ihre Zeitpläne durcheinander. „Wann ist es Zeit, einen Einschnitt zu setzen? Wann geben wir dem Neuen eine Chance?“, fragte Bischof Jung. „Unsicherheitstoleranz bewahrt uns davor, uns vor einem Neustart lähmen zu lassen. Sie glaubt an die Gnade des Rufes.“
Die „Selbstwirksamkeitserwartung“ wiederum bestärke darin, das Beste aus einer Situation zu machen. „Die Erfahrung lehrt immer neu, dass man an den Herausforderungen auch wachsen kann“, sagte Bischof Jung. Die letzte Strophe beginnt mit den Worten: „Herr, weil Du‘s willst, drum ist es gut“. Mit „Kohärenzgefühl“ beschreibe man die Zuversicht, dass das, was auf einen zukomme, nicht willkürlich, sondern grundsätzlich verstehbar sei. „Neues und Unerwartetes wird uns in der derzeitigen kirchlichen Situation oft abverlangt. Dass dieses Neue uns stimmig erscheint, trotz aller Unwägbarkeiten, ist immer auch Gegenstand unseres Betens.“ Das Gebet von Pater Mayer könne eine Hilfe sein, gut mit Unsicherheiten und Unwägbarkeiten umzugehen.
sti (POW)
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