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„Dann bricht eine Sehnsucht nach Gott auf“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann am ersten Weihnachtstag, 25. Dezember 2016, im Würzburger Kiliansdom

Liebe Schwestern und Brüder,

Weihnachten. Weihnachten ist ein aufgeladener Begriff: Weihnachtssterne, Weihnachtsgebäck, Weihnachtsdekoration, Weihnachtsbraten, Weihnachtsmärkte und so weiter. Was wird eigentlich unter Weihnachten verstanden? Interviewer bringen oft ernüchternde Antworten zusammen. Und ist nicht manchmal dieses Fest als Familientreffen so aufgeladen, dass die Enttäuschungen nach allzu großen Erwartungen überwiegen? Unabhängig davon wird in unserer zunehmend säkularisierten Gesellschaft Weihnachten leider immer mehr zu einem Fest des Konsums.

Vor wenigen Tagen ist ein Lastwagen in einen Berliner Weihnachtsmarkt nahe der Gedächtniskirche gerast und hat viele Menschen getötet oder verletzt. Dieses Attentat hat uns ebenso erschüttert wie der Terror in Paris, Brüssel und Nizza.

Nach dem schrecklichen islamistischen Terrorakt am 13. November 2015 in Paris rief der französische Premier (Valls) über Radiosender aus: „Kommen Sie nach Paris! Hier ist es sicher! ...Geben Sie Geld aus! Leben Sie! Gehen Sie wieder in Konzerte, ins Kino, ins Theater!“ Es sind nicht die Appelle, die abstoßen. Es ist ihre Reihenfolge: „Geben Sie Geld aus! Leben Sie!“

„Ist es tatsächlich so um das Lebensgefühl der Europäer bestellt? Leben wir erst, wenn wir Geld ausgeben?“, fragt ein deutscher Journalist kritisch an. Und er fügt an: „Spüren wir uns selbst nur noch, wenn die Kreditkarte glüht oder uns die Euroscheine durch die Finger rinnen? Ist Konsum gar identitätsstiftend geworden? ... Würde René Descartes heute dekretieren: Ich konsumiere, also bin ich?“

Viele gewinnen die Erkenntnis, dass wir inzwischen weniger in einer Marktwirtschaft als vielmehr in einer Marktgesellschaft leben, in der das Wertesystem des Marktes in alle Bereiche menschlicher Bemühungen eingedrungen ist. Was uns dabei aufhorchen lassen muss ist die Erkenntnis, dass marktorientiertes Denken auf Aspekte des Lebens übergreift, die bisher von Normen außerhalb des Marktes gespeist wurden.

Mehr und mehr bestimmen nicht mehr die uns überkommenen christlichen Werte das gesellschaftliche Leben sondern die Suche nach dem Profit. Das aber stellt letztlich unsere Grundordnung auf den Kopf und verschärft die Spaltung zwischen Arm und Reich.

Schauen wir auf die Weihnachtsbotschaft: Gott wird Mensch in dem kleinen Kind von Bethlehem. Gott begibt sich arm und hilflos in unsere geschöpfliche Welt und widerlegt so schon im Beginn die Regeln einer kommerziellen Gesellschaft. Hierin ist die Würde eines jeden Menschen in seiner Gottebenbildlichkeit begründet. Jeder Mensch – gleich welcher Nation, Hautfarbe oder Religion – hat damit seine unantastbare Würde. Und das gilt vom ersten Augenblick bis zum letzten Atemzug.

Das hat riesige Konsequenzen für unser jetziges Leben! Die Hingabe Gottes an uns erfordert unsere Hingabe an den Nächsten. Gott kommt auf uns zu und schafft so die Grundlage, dass auch wir auf den Nächsten zugehen. Es darf deshalb weiterhin nicht das Gesetz des Marktes unser Denken und Handeln bestimmen, sondern die Liebe Gottes, die uns einholen und verwandeln will. Es gilt durch Weihnachten nicht mehr der Satz: „Ich konsumiere, also bin ich!“, sondern: „Ich lebe, weil ich liebe!“ Muss das nicht unser Gegenprogramm sein zur Welt des Konsums und der Welt der Gewalt? Ist diese Weihnachtsbotschaft letztlich nicht auch der Schlüssel zur Überwindung von Ungerechtigkeit und Terror?

Wenn uns Weihnachten innerlich berührt, wenn wir über rein emotionale Gefühle hinaus uns diesem unfassbaren Geschehen öffnen, es an uns heranlassen, dann bricht in uns eine Sehnsucht nach Gott auf, die uns mitten in das Abenteuer unseres Glaubens führt.

Edith Stein, die für ihr jüdisches Volk in die Gaskammern nach Auschwitz ging, schrieb einmal vom Heiligen Abend: „Wenn am Abend Lichterbäume brennen und die Gaben getauscht werden, da dringt die unerfüllte Sehnsucht immer noch hinaus, nach einem anderen Lichtglanz, bis ... das Wunder der heiligen Nacht sich auf licht- und blumengeschmückten Altären erneuert: ‚Und das Wort ist Fleisch geworden…‘“ Amen.