Würzburg/Karlstadt (POW) „Hier, riech mal.“ Behutsam hält Kaplan Klaus Weber das Gefäß mit dem Chrisam hoch. Samuel Weber schnuppert an dem Salböl. „Es riecht frisch“, sagt er. Seine Augen wandern über den Taufstein in der Karlstadter Pfarrkirche Sankt Andreas, über die Bankreihen bis zum Altar. Das Innere der Kirche liegt im Halbdunkel. Die Augen des 25-Jährigen leuchten, seine Wangen sind leicht gerötet – vor Aufregung und vor Vorfreude. In dieser Kirche, in die er heute einen ersten kurzen Blick wirft, wird er nach rund einem Dreivierteljahr intensiver Vorbereitung in der Osternacht getauft werden.
Samuel Weber, aufgewachsen in Hessen, ist einer von derzeit insgesamt zehn erwachsenen Taufbewerbern im Bistum Würzburg. Nicht nur für die Taufbewerber, auch für die meisten Priester ist eine Erwachsenentaufe etwas Außergewöhnliches. „Es ist ein Lernprozess“, sagt Kaplan Weber, der zum zweiten Mal einen Erwachsenen auf dem Weg zur Taufe begleitet. „Und es ist immer ein individueller Weg. Jeder Mensch bringt andere Fragen, andere Erfahrungen mit sich.“ Samuel Weber beispielsweise ist nicht getauft. Seine Eltern gehören unterschiedlichen Konfessionen an: Die Mutter ist katholisch, der Vater evangelisch. Für ihre Kinder beschlossen sie: Sie werden nicht getauft, denn sie sollen einmal selbst entscheiden, welchen Glauben sie annehmen wollen. Und so stand er schon als Grundschüler vor der Entscheidung: katholischer oder evangelischer Religionsunterricht? „Ich bin dahin, wo meine Freunde hingegangen sind – in den evangelischen Religionsunterricht.“
Doch die Neugierde, was denn „die anderen“ machen, war geweckt. So besuchte er während seiner Schulzeit mal den evangelischen, mal den katholischen Religionsunterricht und befasste sich im Fach Ethik „mit allen Glaubensrichtungen“. Auch durch seine Freunde lernte er unterschiedliche Religionen kennen. „Ich hatte Freunde türkischer und arabischer Herkunft, einen indischen Freund …“, erzählt er. Vor allem seine muslimischen Freunde und ihre Familien machten auf ihn einen tiefen Eindruck, denn sie praktizierten ihre Religion und ließen ihn daran teilhaben. Dieses religiöse Selbstbewusstsein imponierte ihm: „Sie stehen zu dem, was sie glauben.“ Eine besonders enge Bindung hatte Samuel Weber zu seinem Großvater. „Er war katholisch. Er hat den Glauben gelebt.“ Gemeinsam gingen sie in die Kirche, auch außerhalb der Gottesdienste. Nach dem Tod des Großvaters habe er begonnen, sich intensiv mit seinem Glauben zu befassen, sagt Samuel Weber. „Es war der Beginn der Suche: Wo bin ich zu Hause? Wo kann ich mich hinwenden?“ Für Kaplan Weber ist das nicht überraschend: „Es war schon immer eine gewisse Sehnsucht nach mehr da.“
Den für ihn richtigen Weg fand Samuel Weber schließlich, als er seine jetzige Freundin kennenlernte. Sie und ihre Familie sind praktizierende Katholiken. „Sie leben den Glauben“, sagt er. „Ich habe bei ihnen erfahren, was es heißt anzukommen.“ Im August 2012 schrieb er eine E-Mail an Kaplan Weber mit der Frage, wie er katholisch werden könne. „Man hat in der E-Mail gemerkt, wie ernst es ihm ist“, erinnert sich der Kaplan. Da für den Herbst ohnehin ein Glaubenskurs geplant war, lud er Samuel Weber ein, daran teilzunehmen. Ein solcher Kurs richte sich zwar in erster Linie an getaufte Christen, erklärt der Kaplan. „Aber er bietet auch die Möglichkeit, in einer kleinen, konstanten Gruppe seine Fragen, Erfahrungen und Zweifel auszudrücken. Auch andere Menschen tun sich manchmal schwer mit dem Glauben, obwohl sie getauft sind.“ Als der Kurs abgeschlossen war, trafen sich Samuel Weber und Kaplan Weber – eine zufällige Namensgleichheit, die heute noch beide schmunzeln lässt – regelmäßig zu Glaubensgesprächen. „Es ist wichtig, dass man weiß, worauf man sich einlässt“, betont der Kaplan. „Beide Seiten müssen diesen Schritt verantworten können.“
Allen vorherigen Erfahrungen und Recherchen zum Trotz betrat Samuel Weber Neuland. Heute kann er über viele Dinge lachen, zum Beispiel seinen Versuch, die Bibel wie ein ganz normales Buch von Anfang bis Ende zu lesen: „Ich hätte nicht gedacht, dass man für ein Buch eine Anleitung braucht.“ Aber im Laufe der meist wöchentlichen Gespräche fand er das, wonach er gesucht hatte. „Für mich muss der Glaube in mein Leben integrierbar sein, ich muss ihn leben können“, betont Samuel Weber. „Ich möchte mich in meinem Glauben wohlfühlen.“
Wenn er von seiner bevorstehenden Taufe spricht, geht ein Leuchten über Samuel Webers Gesicht. Kaplan Weber wird ihn vorher noch einmal ausgiebig durch die Pfarrkirche Sankt Andreas führen. In der Osternacht werden Familie und Freunde Zeugen sein, wie er sich vor der Gemeinde zur katholischen Kirche bekennt. „Und dann“, sagt Samuel Weber mit einem Lächeln, „geht es erst richtig los!“
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