Liebe Schwestern und Brüder im Herrn,
zurzeit erleben wir eine Zölibatsdebatte, die alle bisherigen Diskussionen und Auseinandersetzungen in den Schatten stellt. Unterschiedlichste Gruppen innerhalb – und auch außerhalb – der Kirche melden sich bei uns zu Wort und fordern die Aufhebung des priesterlichen Zölibates. Während die einen die Aussprache darüber wollen, verbinden andere mit der Zölibatsdiskussion die Forderung der Freistellung oder gar Aufhebung. Unterschiedlichste Gründe werden dafür angebracht: Der Priestermangel, das Aufgeben des Priesterberufes um der Ehe willen, das Scheitern einzelner im Umgang mit der Sexualität und sexuelle Übergriffe im Bereich der Pädophilie, die zu Unrecht dem zölibatären Leben angelastet werden.
Der heutige Festtag der Darstellung des Herrn erlaubt uns einen Blick in das Wesentliche der zölibatären Lebensform zu werfen, der ja nicht nur die Priester sondern genau so insgesamt die Ordensleute betrifft. Denn die Aufopferung Jesu im Tempel von Jerusalem war die Hingabe dieses Kindes an Gott. Im Judentum gab es die Tradition, am 40. Tag nach der Geburt den Erstgeborenen Gott zurück zu schenken. Jedes Kind wurde dankbar als ein Geschenk Gottes betrachtet, das nur in unsere Obhut übergeben wird, aber Gott selbst angehört. Und so ist es ja auch! Die Aufopferung im Tempel macht deutlich, dass Gott als der Geber des Lebens ein Anrecht auf den Menschen – jeden Menschen – hat. Kinder sind und dürfen nie als Eigentum des Menschen betrachtet werden. Es dürfen daher weder Kinder um jeden Preis gezeugt, gestylt, selektiert oder vorgeburtlich getötet werden.
In jedem Lächeln eines neugeborenen Kindes wird uns deutlich, dass Gott diese Welt noch nicht aufgegeben hat – heißt es. Jedes neugeborene Kind rührt uns, weil die Reinheit, Heiligkeit und das völlige Angewiesensein des Kindes auf menschliche Fürsorge die Liebe Gottes zu uns eben auch in der Zumutung offenbart, dass wir in der Lage sind, dem Kind eine vorübergehende Heimstatt zu bieten. Gott traut uns zu, dass unsere Liebe stark genug ist, dem Kind den Weg in das Leben und in die Liebe Gottes zu bahnen. Gott steht am Anfang und am Ende allen irdischen Lebens. Nur auf ihn hin kann unser Leben gelingen.
Der greise Simeon und die Witwe Hanna, deren Alter mit vierundachtzig Jahren angegeben ist, sind dafür sprechende Zeugen. Sie preisen Gott im Tempel von Jerusalem. Von Hanna heißt es sogar: „Sie hielt sich ständig im Tempel auf und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten.“ (Lk 2,37) Beide, Simeon und Hanna, dienten Gott als geisterfüllte Menschen (vgl. Lk 2,25). Ihre Frömmigkeit schloss die Erwartung des verheißenen Messias mit ein.
Als Maria und Joseph Jesus in den Tempel brachten, schenkten sie ihn Gott zurück. Sie erfüllten damit nicht nur das mosaische Gesetz, sondern vergewisserten sich auch, dass er ganz und gar Gott gehört und ihnen nur anvertraut wurde.
Simeon und Hanna priesen ebenfalls Gott. Sie erkannten auch in Jesus den Messias, den Erlöser, der als das Licht der Welt die Dunkelheit unseres Lebens aufbricht und uns innerlich erleuchtet. Das „Nunc dimittis“ des greisen Simeon – Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen … ist in den Gebetsschatz der Kirche aufgenommen worden und begleitet uns täglich.
Unsere Gesellschaft hungert nach Sinngebung und Wegweisung. Einerseits stellen wir fest, dass der christliche Glaube immer mehr schwindet, auf der anderen Seite werden die Forderungen nach Änderungen kirchlicher Strukturen lauter, die etwa in der Freigabe des Zölibates eine Hilfe zur Lösung der Probleme sehen. Oft kommen diese Anfragen auch von Menschen, die aus echter Sorge um den Rückgang von Priestern und Ordensleuten meinen, damit dem Glaubensverlust entgegentreten zu können.
Der heutige Festtag verweist uns auf die grundsätzliche Ausrichtung unseres Lebens: Da gibt es Menschen, die aus der Berufung durch Gott ihr ganzes Leben Gott zurück schenken und damit Gott loben und preisen. Sie verzichten auf das hohe Gut von Ehe und Familie, um in ihrer Existenz die Einwurzelung in Gott sichtbar zu machen. Sie verweisen durch ihre ehelose Lebensführung auf den Ursprung und das Ziel jeglichen menschlichen Lebens. Nicht die Abschaffung dieses Zeichens der Ganzhingabe bringt eine vertiefte Pastoral und Neuevangelisierung sondern das Gegenteil! Glaubwürdig gelebte Hingabe ist der beste Weg, die Glaubensnot der Mitmenschen zu überwinden.
Wenn auch der Zölibat für viele ein Zeichen des Ärgernisses und des Widerspruchs ist, so ist er doch – wie auch das Zeichen des Kreuzes – gerade darin auf das Himmelreich ausgerichtet. Er steht für eine übernatürliche Sichtweise unseres Lebens, das sich eben nicht im hier und jetzt erschöpft, sondern im völligen Angewiesensein auf Gott seine lebensstiftende Nähe bezeugt. Durch die Askese und Enthaltsamkeit einfordernde Lebensweise wird die Realität Gottes als tragfähiges Lebensfundament in eine säkular ausgerichtete Gesellschaft eingebracht.
Nicht eine nur quantitative Vermehrung der Priester bringt die Lösung der Probleme, sondern ein vertieftes, glaubwürdiges priesterliches Leben. Priester dürfen nicht zu abhängigen Angestellten einer bischöflichen Behörde deklariert werden. Ihre Lebenshingabe ist ein Katalysator von Gott zu uns und von uns zu Gott. Dies gilt es zu stützen und zu fördern, um der Glaubensnot unserer Zeit entgegen zu wirken.
Wir können nicht nur darauf hinweisen, dass der Zölibat des Weltpriesters apostolischen Ursprungs ist und auf die Praxis und Weisung des Herrn selbst zurück geht. Wir können vielmehr auch deutlich machen, dass die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen von unzähligen Frauen und Männern gelebt, zu einem großen Segen für die Mitmenschen geworden ist. Bis heute hat die katholische Kirche diesen Schatz – trotz aller Wirrungen, allen Versagens einzelner und aller Angriffe – hochgehalten und damit den Menschen immer wieder einen Weg zu Gott gebahnt.
Die Darstellung Jesu im Tempel ist ein deutlicher Hinweis auf unser Angewiesensein auf Gott. Gott zu ehren, sein Lob zu mehren, ist die schönste Herausforderung unseres Lebens. Dies sollte uns Ansporn und Wegweisung sein. Amen.