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Dem Geheimnis des Lebens auf der Spur

„MFM“ – „My fertility matters“: Sexualpädagogisches Aufklärungsprogramm der Diözese Würzburg – Spielerische Aufklärung mit „Zyklusshow“ und „Agenten“–Training – Fortsetzung für Teenager in der Testphase

Iphofen/Würzburg (POW) Samtig-weiche Tücher in leuchtendem Gelb, Pink und Lila, Zitronenscheiben und kleine Liegestühle, mittendrin ein rotes Schloss an einer goldenen Kette: So sieht die „Bühne des Lebens“ aus, die Anna-Maria Burkard, Theologiestudentin und MFM-Referentin aus Karlstadt, aufgebaut hat. Darum herum machen es sich 17 Mädchen auf Decken bequem. „Die meisten Frauen merken gar nicht, was in ihrem Körper passiert“, beginnt die junge Frau. „Wir sind heute auf einer riesengroßen Entdeckungstour zu Geheimwissen. Denn die wichtigste Gleichung auf der Welt, das ist die Gleichung des Lebens. Ohne sie gäbe es uns alle nicht.“ Burkard legt ein prall gefülltes Gummisäckchen auf den Boden, daneben eine große goldene Kugel, und als Ergebnis – eine Babypuppe. Die Viertklässlerinnen rutschen noch ein Stückchen näher.

Der Workshop, den Burkard und ihr Kollege Stefan Heining, Pastoralreferent aus Unterspiesheim, heute für die vierten Klassen der Dr.-Karlheinz-Spielmann-Volksschule in Iphofen geben, ist Teil des Programms „MFM“ des Fachbereichs „Natürliche Familienplanung“ der Diözese Würzburg. MFM steht für „My fertility matters“ – „Meine Fruchtbarkeit hat Bedeutung“. In den Workshops werden Jungen und Mädchen im Alter von zehn bis 13 Jahren spielerisch mit den Vorgängen in ihrem Körper während der Pubertät vertraut gemacht und erfahren, wie neues Leben entsteht. „Wir wollen den Kindern einen wertschätzenden Umgang mit dem eigenen Körper und dem anderen Geschlecht beibringen“, erklärt Kirsten Danelzik, Referentin für Natürliche Familienplanung und in der Diözese Würzburg verantwortlich für das Programm. „Die Kinder sollen Körperkompetenz gewinnen, ihren Körper wertschätzen und das dazu nötige biologische Wissen erwerben.“ Für die Eltern gibt es im Vorfeld eine eigene Infoveranstaltung.

In der „Zyklusshow“ erfahren die Mädchen, wie ihr Körper mit Beginn der Pubertät alle paar Wochen alles vorbereitet für einen „supertollen Gast“ – die befruchtete Eizelle. Schmetterlinge symbolisieren die Hormone, die vom Gehirn ausgesandt werden. Gummisäckchen stehen für die Spermien, die sich auf den langen und gefährlichen Weg zur Eizelle machen. Dabei lauert auf sie die saure „Körperpolizei“ in Form von Zitronen, aber es gibt auch „Liegestühle“, in denen sie Kraft tanken können. Jedes Detail der phantasievollen Szenerie symbolisiert einen Vorgang im Körper der Frau. Zum Schluss kommt das große Aufräumen: Die ganze Einrichtung des „Luxushotels“ Gebärmutter – Kissen und Plüschtierchen – wird von den Mädchen in ein Tuch gewickelt und weggezogen. Eine prima Überleitung zu den Hygieneartikeln, die Burkard nun vor den neugierigen Kindern ausbreitet.

In einem anderen Raum absolvieren die Jungen derweil ihr „Agenten“-Training. „Mit der Ausbildung neuer Spezialagenten muss sofort begonnen werden. Es geht um das Überleben der Menschheit!“, befiehlt Mister Hypo Physe alias Hirnanhangdrüse. Mit „Spezialagenten“ sind natürlich die Spermien gemeint. Ein knallhartes Training hat sich Heining dafür ausgedacht: Die 14 Jungs schwitzen sich durch Kniebeugen und Liegestütze, absolvieren einen Geschicklichkeitsparcours und beweisen ihre Kondition beim Seilspringen. Wer alle Aufgaben erfolgreich bewältigt, bekommt eine „Schatzkarte“ – sie weist den Weg zur Eizelle. Bevor sie den „Körper“ des Mannes wieder verlassen, pumpen die Jungen einen Luftballon auf und überlegen gemeinsam, welche Namen es für den Penis gibt und welche davon man besser nicht in der Öffentlichkeit benutzt – vor allem wenn Mädchen in der Nähe sind. „Wie bringen Sie das fertig, so offen zu sprechen?“ Das habe ein Vater einmal völlig konsterniert in einer Elternveranstaltung gefragt, erzählt Danelzik. Die Kinder jedenfalls haben nach dem Workshop kein Problem mehr damit, die Dinge beim Namen zu nennen. „Wenn man die Worte oft genug sagt, baut sich die Schamgrenze ab“, ist die Erfahrung von Anna-Maria Burkard.

Seit 1999/2000 wird MFM in den bayerischen Bistümern angeboten. Entwickelt wurde das Programm von der Ärztin Dr. Elisabeth Raith-Paula. Mit der Unterstützung des Fachbereichs Ehe und Familie der Erzdiözese München-Freising brachte sie 1999 das Buch „Was ist los in meinem Körper?“ heraus und stellte zugleich ihren Workshop für Mädchen „Die Zyklusshow“ vor. Seit 2003 gibt es mit dem Workshop „Agenten auf dem Weg“ auch ein Angebot für Jungen. Man habe damals eine „Marktlücke“ getroffen, sagt Danelzik. Seit dem Start des Programms haben sich die Teilnehmerzahlen nahezu versechsfacht. Wurden im Jahr 2000/2001 in der Diözese Würzburg 25 Veranstaltungen angeboten, an denen insgesamt 265 Mädchen teilnahmen, so waren es 2012 insgesamt 150 Workshops mit 950 Mädchen und 869 Jungen sowie 31 Elternvorträge mit 774 Teilnehmern. Neun Referentinnen und sieben Referenten werden derzeit für die Workshops auf Honorarbasis beschäftigt. „Eine Lehrerin hat gesagt, bis zu ihrer Pensionierung bucht sie schon mal im Voraus für jedes Jahr“, erzählt Danelzik.

Mittlerweile werden MFM-Workshops auch in Österreich, der Schweiz, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, England und Ungarn angeboten. Das Programm ist mehrfach ausgezeichnet und erhielt unter anderem den bayerischen Gesundheitsförderungs- und Präventionspreis sowie die EU-Auszeichnung als „Best Practice“-Projekt. Um die Qualität zu sichern, wurde am 26. November 2012 in München der Dachverband „MFM Deutschland e.V.“ mit Dr. Elisabeth Raith-Paula an der Spitze des Vorstands gegründet. Zu seinen Aufgaben gehören die Organisation der zentralen Aus- und Fortbildungen für die Referenten sowie die Erstellung von Materialien und Flyern.

Die Workshops beschränken sich bewusst auf die Themen Körper und Fruchtbarkeit. „Wir finden, dass es für das Thema Empfängnisregelung in dieser Altersgruppe noch zu früh ist“, sagt Danelzik. MFM setzt in einem Alter an, in dem die Pubertät noch nicht oder gerade erst begonnen hat. Denn die Kinder sollen die körperlichen Veränderungen in einer positiven Weise erleben. So endet auch die „Zyklusshow“ an diesem Tag mit der ersten Periode. Als Erinnerung an den Workshop verteilt Anna-Maria Burkard an die Mädchen mit Herzchen bemalte Plastikkugeln, in denen eine goldene Kugel – eine Eizelle – steckt. Aber damit soll noch nicht Schluss sein, wünschen sich viele Eltern und Lehrer. „Es gibt ganz viel Nachfrage nach Workshops für ältere Kinder“, sagt Danelzik. Und so wird im Erzbistum Bamberg derzeit ein Folgeprojekt getestet, das sich an Schüler der achten und neunten Klassen richtet: „Es geht um die Themen Körper, Empfängnisregelung, Partnerschaft und Freundschaft.“

Weitere Informationen zum MFM-Programm gibt es im Internet unter www.mfm-projekt.de sowie auf der Homepage vom Fachbereich Natürliche Familienplanung (NFP) der Diözese Würzburg unter www.nfp.bistum-wuerzburg.de, Stichwort „Projekt MFM“.

Kerstin Schmeiser-Weiß (POW)

(2513/0636; E-Mail voraus)

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