Würzburg (POW) Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Bistum Würzburg hat einen neuen geistlichen Leiter: Matthias Zöller. Wie der 39-jährige Pastoralreferent seine Aufgabe definiert und wie in seinen Augen Jugendarbeit in der Kirche aussehen soll, schildert er im folgenden Interview.
POW: Herr Zöller, am 1. Januar 2009 treten Sie die Stelle des geistlichen Leiters des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend im Bistum Würzburg an. Welche Aufgaben wollen Sie an Ihrem ersten Arbeitstag angehen?
Matthias Zöller: Ich denke, die ersten Tage werden davon geprägt sein, gut hinzuhören und hinzuschauen. Ich komme nicht mit fertigen Antworten, sondern möchte mit meinen neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammen Visionen und Konzepte für die Zukunft entwickeln. Dabei können wir sicherlich auf viel Gutes und Bewährtes zurückgreifen. Insgesamt liegt mir eine gute Teamarbeit sehr am Herzen. Deshalb wird mir eine gute Teamentwicklung am Anfang sehr wichtig sein. Neues braucht seine Zeit, gute Reflexion und qualifiziertes Handeln, aber auch das Vertrauen und den Glauben an Gott, nicht alles selber machen zu müssen.
POW: Sie haben am Wahlabend für einen BDKJ als Dachmarke der Jugendarbeit plädiert. Was genau stellen Sie sich darunter vor?
Zöller: Das bedeutet für mich, dass der BDKJ als der kompetente und zuverlässige Dialogpartner für den Bereich der Kirchlichen Jugendarbeit sich in Kirche und Gesellschaft etabliert und wahrgenommen wird. Das hat etwas mit einer klaren Identität des BDKJ, aber auch mit seinem Image zu tun. Es geht also zum Beispiel einerseits um qualifizierte Stellungnahmen und Angebote zu Fragen der Kirchlichen Jugendarbeit, andererseits auch um ein professionelles Corporate Design.
POW: Die Ministranten sind eine Gruppe von Jugendlichen, die im Bistum Würzburg zahlenmäßig deutlich größer ist als der BDKJ und außerdem praktisch in jeder Pfarrei vertreten ist. Möchten Sie die Ministranten auch in den BDKJ integrieren? Falls ja, wie könnte das aussehen?
Zöller: Es ist sehr erfreulich, dass sich so viele Kinder und Jugendliche für den Ministrantendienst ansprechen lassen. Auch mein ältester Sohn Luzius ministriert seit zwei Jahren in der Pfarrei Heiligkreuz in Würzburg. Dieser Dienst am Altar hat aber zunächst einmal nichts mit einer kirchlichen Jugendarbeit zu tun, wie sie die Würzburger Synode beschreibt.
POW: Können Sie das bitte erläutern?
Zöller: Um Missverständnisse zu vermeiden: Ich verstehe Kirchliche Jugendarbeit als einen Teil der gesamten Jugendpastoral, also des gesamten Engagements von Kirche für Kinder und Jugendliche, zu dem noch andere wichtige Arbeitsfelder der Kirche gehören, wie zum Beispiel der Ministrantendienst, der Religionsunterricht, die Katechesen oder die Schul- und Jugendsozialarbeit. Allerdings haben in vielen Pfarreien Jugendliche damit begonnen, über den Ministrantendienst hinaus Jugendarbeit für Ministranten aufzubauen und zu organisieren, mit regelmäßigen Gruppenstunden und Freizeitangeboten. Diese Jugendarbeit ist in der Regel nicht schlechter oder besser als sie in den klassischen Jugendverbänden geleistet wird. Häufig besitzt diese "ministrantliche" Jugendarbeit sogar ein hohes Maß an Identifikationspotenzial, demokratische Strukturen und Vernetzung auf andere Ebenen. Damit erfüllt sie zum Beispiel wesentliche Voraussetzungen für eine Jugendorganisation wie sie die neue Satzung des BDKJ vorsieht. Deshalb hoffe ich, dass viele Ministrantengruppen – vor allem auf mittlerer Ebene – sich von diesem Angebot ansprechen und in den BDKJ einbinden lassen. Häufig engagieren sich hier hoch motivierte und sehr kreative Jugendliche und junge Erwachsene. Ich bin der Überzeugung, dass von einer solchen Vernetzung beide Seiten profitieren können.
POW: In den Medien ist oft zu hören und zu lesen, es gebe einen Trend zur Spiritualität. Wie kann kirchliche Jugendarbeit heute ganz konkret junge Menschen für Christentum und Kirche begeistern?
Zöller: Moderne Jugendstudien zeigen tatsächlich, dass es eine spirituelle und religiöse Sehnsucht bei Jugendlichen gibt, die aber in der Regel an den Angeboten der Kirche vorbeigeht. Religion dient den meisten Jugendlichen heute nicht mehr dazu, stimmige ethische oder intellektuelle Orientierung für das Leben abzuwerfen. Es geht ihnen vielmehr um starke Gefühls- und Erlebniserfahrungen, um Gemeinschaftserfahrungen, die aber nicht bindend sind, und um Erfahrungen, die sich für sie biographisch und sozial als nützlich erweisen. Liest man vor diesem Hintergrund den Synodentext zur Kirchlichen Jugendarbeit von 1975, kommt man schnell zu der Einsicht, dass diese Konzeption ganz und gar nicht veraltet ist. Sie besitzt nach wie vor große Aktualität und kann Antworten auf die Bedürfnisse heutiger Jugendlicher bieten. Danach vollzieht sich kirchliche Jugendarbeit in erster Linie in Peer-Groups, versteht sich als Ermöglichungsraum zur Entfaltung und Selbstverwirklichung, handelt absichtslos, ohne Missionierungs- oder Rekrutierungsdruck, bietet ein personales Angebot, das sich und den christlichen Glauben anbietet. Jugendverbände, die ein solches Angebot in vielen Pfarreien leisten und anbieten, können meiner Überzeugung nach immer noch einen großen Teil der Jugendlichen ansprechen und für Christentum und Kirche begeistern. Die Erfahrung aus Begegnungen mit einer Vielzahl von Jugendgruppen in der Katholischen jungen Gemeinde (KjG) gibt mir Recht.
POW: Was halten Sie von religiösen Großveranstaltungen wie dem Weltjugendtag? Welche spirituellen Impulse möchten Sie der verbandlichen Jugendarbeit mitgeben?
Zöller: Events wie der Weltjugendtag geben Antworten auf Bedürfnisse von Jugendlichen in postmoderner Gesellschaft – wie vorhin beschrieben. Sie werden zu Marktplätzen oder Fachmessen, auf denen Gleichgesinnte zusammentreffen. Fragt man Jugendliche, die beim Weltjugendtag in Köln waren, war für sie am beeindruckendsten die Erfahrung, zahllose andere Jugendliche zu treffen, die genauso „ticken“ wie sie und das Gefühl, mit ihrem Lebensentwurf und ihrem Engagement nicht allein zu sein. Events haben so eine wichtige biographische und soziale Funktion, bieten sie doch eine Bestätigung des eigenen Lebensentwurfes und darüber hinaus eine starke Verbindung von Abenteuer und spirituellem Erlebnis. Daraus lassen sich aber auch Merkmale für alle spirituellen Impulse in der kirchlichen Jugendarbeit ablesen.
POW: Welche Merkmale meinen Sie?
Zöller: Spirituelle Impulse müssen einen starken biographischen Bezug haben, das heißt, Jugendliche müssen in Gottesdiensten und in Predigten spüren: „Es geht wirklich um mich und mein Leben!“ Gleichzeitig müssen religiöse Angebote ästhetisch anspruchsvoll und professionell inszeniert werden. Und schließlich muss Glaube erlebbar sein, religiöse Angebote müssen eine dramatische und religiöse Dimension haben. In der KjG haben wir in diesem Sinne in den letzten Jahren sehr erfolgreich eine experimentelle Form von Wortgottesdiensten entwickelt, die so genannten „Litfass-Gottesdienste“ (Liturgie zum Anfassen), die großen Zuspruch bei den Jugendlichen erfahren haben.
POW: Wie sieht Ihre Vision einer jugendgerechten katholischen Kirche aus? Ist das Einrichten von Jugendkirchen in Würzburg, Schweinfurt und Aschaffenburg ein Schritt in die richtige Richtung?
Zöller: Eine jugendgerechte katholische Kirche muss eine diakonische Kirche sein, die sich nicht nur an die „religiös hochbegabten“ Jugendlichen richtet, sondern eine Vielzahl von Angeboten macht. Sei es mit dem klassischen Angeboten der Kirchlichen Jugendarbeit, die Gruppenstunden, Räume zur Selbstentfaltung und ein personales Angebot durch kirchliche Mitarbeiter anbietet. Seien es Jugendkirchen, die den Jugendlichen Gottesdiensträume präsentieren, um darin jugendgemäße Ausdrucksformen des Glaubens zu finden. Sei es in den zahlreichen Angeboten der Jugendsozialarbeit, die benachteiligten Jugendlichen Hilfe zur Selbsthilfe anbietet, wie es die Caritas oder die Salesianer Don Boscos tun, oder sei es in der Offenen Jugendarbeit, die sich vorbehaltlos jedem Jugendlichen öffnet.
POW: Als Geistlicher Leiter des BDKJ im Bistum Würzburg gehören Sie der Leitung der kirchlichen Jugendarbeit (kja) an. Wie sehen Sie Ihre Rolle, wenn es zu Konflikten zwischen den Jugendlichen und den Ansichten des kirchlichen Lehramts kommt, zum Beispiel bei Moralvorstellungen?
Zöller: Ich sehe dabei eine dreifache Aufgabe für mich. Zunächst einmal ist es meine Aufgabe, die (An-)Fragen und die Kritik der Jugendlichen an die Kirche und ihre Vorstellungen aufzugreifen und ins Wort zu bringen. Eine weitere Aufgabe ist es, die Vorstellungen und Vorgaben der Kirche den Jugendlichen zu erklären und darzustellen. Die dritte Aufgabe besteht darin, zwischen diesen beiden Seiten vermittelnd und ausgleichend tätig zu werden, vor allem aber die Kirche zu motivieren, sich mit den Vorstellungen und Fragen der Jugendlichen auseinanderzusetzen. Denn meiner Überzeugung nach hat Jugend eine prophetische Kraft, eine Offenbarungsfunktion, in der Kirche etwas über sich und über unseren Gott lernen und erfahren kann – ganz in dem Sinne, wie es einmal Klaus Hemmerle, der frühere Bischof von Aachen, als Grundsatz seiner Jugendpastoral formuliert hat: „Lass mich dich lernen, dein Denken und Sprechen, dein Fragen und Dasein, damit ich daran die Botschaft neu lernen kann, die ich dir zu überliefern habe!“
POW: Der BDKJ war in den früheren Jahrzehnten sehr stark politisch engagiert. Viele heute aktive Politiker stammen aus diesem Milieu. Liegt heute beim Selbstverständnis des BDKJ („katholisch-politisch-aktiv“) der Fokus eher auf spirituellen Aspekten?
Zöller: Kirche und kirchliche Mitarbeiter nehmen dankbar wahr, dass religiöse und spirituelle Themen und Angebote weniger Ressentiments erfahren als noch vor zehn oder 15 Jahren. Man kann wieder über Religion und religiöse Erfahrungen sprechen. Gleichzeitig muss man eine gewisse Politikverdrossenheit feststellen, ein großes Desinteresse an politischen Fragen oder Gestaltungsmöglichkeiten. Mir ist es deshalb ein wichtiges Anliegen, Spiritualität und Politik wieder zusammenzubringen, wie es beispielhaft im Magnifikat von Maria zum Ausdruck kommt. In einer Vision sieht sie die Ankunft des Messias‘ und des Reiches Gottes, was ganz konkret zu Veränderungen im Hier und Jetzt führt: „ Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten. Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen“, heißt es im Lukasevangelium. Eine echte christliche Spiritualität führt immer auch zu einem politischen Veränderungswillen von ungerechten oder unmenschlichen Strukturen oder Machtverhältnissen.
POW: Welches Fazit Ihrer Arbeit als Geistlicher Leiter des BDKJ möchten Sie eines Tages ziehen können?
Zöller: Ich hoffe, dass sich der BDKJ zu diesem Zeitpunkt als qualifizierter und zuverlässiger Dialogpartner zu Fragen der Kirchlichen Jugendarbeit etabliert hat. Ich wünsche mir, dass die Jugendverbände nach wie vor eine große Zustimmung und Legitimation erfahren und sie auf einer guten finanziellen und personellen Basis stehen werden. Ich wünsche mir auch, dass der BDKJ die Öffnung zu Jugendorganisationen gut gestalten und zahlreiche Jugendorganisationen innerhalb des BDKJ begrüßen konnte; und dass die Kirchliche Jugendarbeit als Dienst der Kirche an und mit der Jugend weiterhin ein wichtiger Bestandteil der Jugendpastoral in unserer Diözese und in allen Pfarreien bleibt.
Zur Person:
Matthias Zöller (39) stammt aus der Pfarrei Sankt Alfons in Würzburg. Er studierte in Benediktbeuern und Würzburg Sozialpädagogik und katholische Theologie. Als Pastoralassistent wirkte er von 1998 bis 2003 in der Würzburger Pfarrei Sankt Laurentius. Seit 2003 ist er geistlicher Leiter der KjG. Zöller ist verheiratet und hat zwei Söhne.
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