Wir sind nun schon im zweiten Jahr der Corona-Pandemie. Eine Krise in diesen Dimensionen haben wir in unseren Breiten lange nicht mehr erlebt. Die ältere Generation mag Ähnliches erfahren haben im Blick auf Einschränkungen im öffentlichen und privaten Raum während des oder nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber das war vor 70, 80 Jahren. Gewiss gibt es auch existenzielle Krisen, die uns Menschen ganz persönlich betreffen und die wir bisweilen ein Leben lang mitschleppen.
Ein kleiner Virus bestimmt plötzlich unser Leben. In Schule und Erziehung haben Sie sich auf Neues einstellen müssen. Unterricht per Video haben wir vor Corona als Ergänzung und Bereicherung gedacht. Homeschooling mit den digitalen Medien war nun keine Alternative mehr, sondern oft die einzige Möglichkeit. Grenzen und Schwierigkeiten kennen wir zu genüge. Gewiss gibt es auch Erfreuliches. Darüber haben Sie bei Ihrem Besinnungstag in den Bildern von Steinen und Blumen gesprochen. Aber wie immer im Leben kommen die Schwachen zu kurz.
Es ist geradezu unheimlich, wenn etwas, das nicht sichtbar ist, so tiefgreifend unsere Lebenswelten und -wirklichkeiten bestimmt. Dann mutiert ein solcher Virus noch, tritt in immer neuen Varianten auf. Werden wir ihn in den Griff bekommen? Wie gelingt es uns mit ihm zu leben, wenn wir ihn schon nicht besiegen können? Der Arzt hat mir nach meiner zweiten Impfung gesagt: Bleiben Sie achtsam!
Es gibt noch einen Virus, der auch in vielen Varianten auftritt. Es ist der Virus des Misstrauens. Er vermag gewachsene gute Beziehungen zu zerstören und Konflikte zu fördern, dass sie das Leben bedrohen, ganz nah und weltweit. Wo das Misstrauen die Übermacht gewinnt, ist zum Schluss die Hölle los. Wir kennen dies aus unserem persönlichen Leben. Ähnliches können wir in Klassen- und Lehrerzimmern, in Seminarräumen und Vortragssälen wiederfinden. Was kann da helfen? Es ist der Impfstoff des Vertrauens, der dem entgegenzusetzen ist. Aber auch hier gilt es: Achtsam sein.
Wenn wir in unserem Bistum Würzburg in dieser Woche auf unsere Frankenapostel Kilian, Kolonat und Totnan schauen, können sie uns Vorbilder und Helfer sein. Sowohl im Blick auf die globale Krise, die verursacht ist durch den Corona-Virus, als auch auf die noch tiefer sitzende Verunsicherung durch den Virus des Misstrauens.
Kilian und seine Gefährten müssen Menschen gewesen sein mit einem unerschütterlichen Vertrauen. Wir nennen das auch Gottvertrauen. Sie verließen ihre gesicherten Verhältnisse der gewachsenen Strukturen ihrer Klostergemeinschaft. Sie ließen sich auf die Wellengänge der Meere bei ihrer Überfahrt ein. Sie stellten sich dem Ungewohnten. Ihr Leben war nicht ein Weglaufen, sondern ein Weitergehen, ein Zugehen auf das Fremde.
Gewiss werden die Frankenapostel auch Fragen und Zweifel gekannt haben, gewiss waren sie mit Sorgen und Nöten immer wieder konfrontiert. Aber sie müssen ein tiefes Vertrauen gehabt haben, das sich gründet in einem Vertrauen in sich selbst: Das kann ich; in den Nächsten: Ich bin nicht alleine; aber noch mehr in den, den wir Gott nennen. Dieses Gottvertrauen hat ein Gesicht. Gottes Gesicht ist das Antlitz Jesu Christi. In ihm hat Gott uns gezeigt, wie nahe er uns ist in unserem Leben und Sterben, in unseren Unsicherheiten und Ängsten.
Das ist das Plus unseres Glaubens. Der Zuspruch der Nähe Gottes ist allen Menschen geschenkt. Als Christinnen und Christen wurde uns dies aber in Taufe und Firmung ausdrücklich zugesagt: Gottes Geist, der stärker ist als alle Welt- und Zeitgeister, er hilft unserer Schwachheit immer wieder auf (Röm 8,26). Gott lässt uns nicht liegen und zurück, wenn wir am Ende sind mit unserem Können und Vermögen.
Es ist so, wie wir es in der Lesung aus dem Epheserbrief gehört haben (Eph 4,7.11-16). Getaufte und Gefirmte sind nicht mehr unmündige Kinder, ein Spiel der Wellen, die gerade über das Land gehen, geschaukelt und getrieben von dem, was gerade wichtig zu sein scheint, Spielball auf dem Markt der Möglichkeiten. Was der Apostel Verschlagenheit nennt, ist oft das Profilieren und Machtspiel von denen, die an anderen Orten und Stellen ihre Position in der Gesellschaft sichern wollen. Für Christinnen und Christen gilt: „Er, Christus, ist das Haupt“ (Eph 4,15). Er ist Orientierung für unser Denken und Handeln. Bei allen Sachzwängen, die es geben mag und gibt: Christus ist die Hauptsache.
Das war wohl tief in den Herzen von Kilian und seinen Gefährten. Sie sind anspruchsvolle Patrone. Aber ihr Leben ist zuerst ein Zuspruch im Schauen auf unsere Nachfolge Christi. Sie ermutigen uns bei allen Krisen, in die wir in Kirche und Welt, im persönlichen und gesellschaftlichen Leben, immer wieder geraten, den Blick auf Gott nicht zu verlieren. Gott hat uns zuerst geliebt, bevor wir Liebe weitergeben. In Jesus Christus hat er uns Hoffnung und Zuversicht geschenkt. Dafür sollen wir in unserem Dienst in Schule und Erziehung Zeuginnen und Zeugen sein. Amen.