Würzburg (POW) Nur fünf Prozent der jungen Leute zwischen 14 und 24 Jahren haben engen kirchlichen Kontakt. „Es braucht also Anknüpfungspunkte, um als Kirche mit der Mehrheit der Jugend ins Gespräch zu kommen.“ Das hat der Theologe und Soziologe Matthias Sellmann beim Symposium „So nah und doch so fremd“ am Dienstag, 22. Februar, im Kilianeum – Haus der Jugend hervorgehoben. Vor rund 100 Haupt- und Ehrenamtlichen der evangelischen und katholischen Jugendarbeit sprach er sich dafür aus, neue Wege für den Kontakt mit den verschiedenen Milieus der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu entwickeln. Sellmann arbeitet in Hamm für die Katholische Sozialethische Arbeitsstelle (KSA) der Deutschen Bischofskonferenz.
„Ähnliche Werte schaffen sich ähnliche Ausdrucksformen“, sei eine wesentliche Erkenntnis aus der vom Sozialwissenschaftlichen Institut Sinus angefertigten Milieustudie. Sellmann verdeutlichte anhand von Fotos der Wohnzimmer, Häuser und Freizeitgestaltung die Gemeinsamkeiten der einzelnen Milieus. Die „Gravitationspunkte“, um welche die einzelnen Milieus wie Planeten um die Sonne kreisten, wirkten sich auch auf das jeweilige Kirchen- und Gottesbild aus: Die meisten Pfarreien bedienten – von wenigen Ausnahmen abgesehen – lediglich die Bürgerliche Mitte und die Traditionsverwurzelten. „Die einen engagieren sich nicht politisch und sozial, die anderen stehen allem Neuen skeptisch gegenüber.“ Unter anderem das mache es schwer, in der von den deutschen Bischöfen im Jahr 2000 beschriebenen „Zeit der Aussaat“ die Menschen zu erreichen, die nicht mehr kirchlich sozialisiert sind. Unumgänglich sei es, die Fähigkeit zu erarbeiten, auch außerhalb von Kirchen und Pfarrzentren die Verkündigung möglich zu machen. Dazu müssten die Katecheten der Zukunft in der Lage sein, ihren Glauben in einer Sprache zu verkünden, die von der Zielgruppe verstanden wird.
Reinhold Ostermann vom Amt für evangelische Jugendarbeit in Bayern plädierte in seinem theologischen Impuls für eine stärkere Differenzierung der kirchlichen Jugendarbeit. „Das heißt, sie muss sich von den Milieus her jeweils neu erfinden in Methodik, Pädagogik, Aktionen, Spiritualität und Theologie.“ Einen Dreischritt in der Jugendseelsorge empfahl – ausgehend von der biblischen Erzählung von David und Goliath – Bernhard Spielberg vom Lehrstuhl für Pastoraltheologie der Universität Würzburg.
Es sei wichtig, zunächst wahrzunehmen, dass mit dem Wandel der Grundorientierung sich auch der individuelle Zugang zu Gott gewandelt habe. Dann müssten die Jugendarbeiter erkennen, dass die gegenwärtigen Sozialformen der Kirche an den Überzeugungen der Menschen ausgerichtet seien, deren Wertorientierung traditionell oder postmateriell sind. Der Weltjugendtag 2005 habe gezeigt, dass ein Dialog mit Menschen anderer Wertorientierung möglich sei. „Dass die katholische Kirche das kreative Potenzial zu solchen Prozessen hat, hat sie in ihrer Geschichte immer wieder bewiesen“, betonte Spielberg. Ohne Tradition und Innovation gegeneinander auszuspielen sei ein solcher Brückenschlag weltweit zuletzt im Zweiten Vatikanischen Konzil gelungen. Nicht zuletzt gelte es, "fünf Steine" zu finden. „Treffende Seelsorge hat keine Angst vor nassen Füßen auf ungewohnten Wegen, ermöglicht Individualisierung und Identität, ist gegenüber Kult und Wahn kritisch, verschweigt nicht die Frage nach der Macht und geht davon aus, dass die Kirche in der Jugend die Botschaft Gottes lesen kann“, sagte Spielberg.
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