Liebe Soldatinnen und Soldaten! Liebe Verantwortliche in der Bundeswehr!
"Soldaten sind Diener des Friedens", so lautet der Titel der Erklärung der deutschen Bischöfe zur Stellung und Aufgabe der Bundeswehr vom 29. November des vergangenen Jahres.
Ausgerechnet Soldaten sollen "Diener des Friedens" sein?, mag so mancher fragen, der seine Schwierigkeit hat, die Bundeswehr zu bejahen. Als Soldaten dürfen Sie aber wirklich dieses Selbstbewusstsein haben, und wir Bischöfe sehen Sie als "Diener des Friedens". Natürlich wissen wir auch, dass man Soldaten und Armeen zu bösen Zielen missbrauchen kann. Jeder Soldat und alle in der Bundeswehr können als Einzelne wie als Glieder des ganzen Wehrdienstes ihre Stellung und ihre Machtbefugnisse überschreiten. Die Heilige Schrift fordert keine Abschaffung von Wehrbereitschaft und Soldatendienst. Eigentlich ist es sogar fast beleidigend, wenn man nicht vor dem persönlichen Einsatz der Soldaten in den Krisengebieten der Welt Respekt hat und ihn nicht würdigt. Vor einigen Wochen erinnerten hier im Dom die deutschen Bischöfe an das 2. Vatikanische Konzil und seinen Abschluss vor 40 Jahren. Die Väter dieser bedeutsamen Kirchenversammlung sagten: "Wer als Soldat im Dienst des Vaterlandes steht, betrachte sich als Diener der Sicherheit und des Friedens des Volkes. Indem er diese Aufgabe erfüllt, trägt er wahrhaft zur Festigung des Friedens bei" ("Gaudium et Spes" Nr. 79).
Nun könnte jemand aber auf die Stelle in der Bibel verweisen, die wir eben im Evangelium gehört haben: "Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Backe schlägt, den halte ihm auch die andere hin" (Mt 5,39).
Manche Pazifisten sagen demnach auch: "Das ist der wahre Geist der Bibel, der Geist der Bergpredigt, der Geist Jesu. Alle anderen Aussagen sind ein Eiertanz um diese ethische Forderung". Ja - wir stehen zu dieser Aussage der Bibel und wir müssen sie uns zu eigen machen - persönlich, als Gemeinschaft, als Kirche. Da gibt es kein Pardon! Ja, jeder von uns muss der verhängnisvollen Haltung der Rache abschwören, auch wenn es gegen unser "natürliches" Empfinden geht. Wir dürfen nicht im Großen und Kleinen mit gleicher Münze zurückzahlen. Wir sollen nicht meinen, wir dürften dem anderen heimzahlen, was er uns angetan hat. So stellt sich kein Friede ein, keine Versöhnung. Zu oft ist das "Zurückschlagen" auch nur ein Vorwand, um ungerechte Gewalt zu rechtfertigen. Denken Sie an den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs: "Ab 4.45 Uhr wird zurückgeschossen, wird Bombe mit Bombe vergolten." Das Ende dieser Vergeltungsmaßnahmen kennen wir.
Nur wenn wir den Geist der Rache aus unserem Denken ausschalten, im persönlichen oder politischen Bereich, kann Friede und Versöhnung werden. Ja - ein Soldat muss sogar die Feindesliebe im Herzen und im Handeln haben, sonst wird ein Krieg zu einem fürchterlichen Gemetzel und gegenseitigen "Hinschlachten". Darum gibt es ja auch die Genfer Konventionen. Es ist eine Grenze gesetzt, wo wir keine entwürdigende Gewalt auch dem Aggressor gegenüber ausüben dürfen. Auch ein Feind hat eine unverlierbare Würde, die ihm nicht genommen werden darf.
Liebe Angehörige der Bundeswehr!
Die deutschen Bischöfe schreiben in ihrer Schrift "Soldaten als Diener des Friedens": "Die Anwendung von Gewalt birgt grundsätzlich die Gefahr in sich, dass sich die Gewalt-Ausübenden in die Gewalt verstricken. Damit können sie selbst zu einem Teil der Gewalt werden. Sie können ihre Persönlichkeit bzw. die gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge auf das Empfindlichste schädigen." Ja, die Gefahr ist da. Aber weil wir um diese Gefährdung wissen, ist gerade ein Weltfriedenstag für die Soldaten ein wichtiges Datum zur Besinnung und zum Ausrichten auf den Geist des Evangeliums. Es braucht aber mehr als nur moralische Appelle, um nicht in den Sog des Gewalt-Denkens verstrickt zu werden. Es braucht positive Erfahrungen und Vorbilder, die aufzeigen, dass nicht von vornherein Soldat-Sein mit dem Ungeist von Gewalt und Vergeltung in Verbindung gebracht werden muss und darf. Im Gegenteil: dieser Gottesdienst ist eine Gelegenheit, Ihnen, den Soldatinnen und Soldaten und Ihren Vorgesetzten zu danken. Was Ihre Kameraden gerade in diesen Tagen an den Brennpunkten internationaler Konflikte im Kosovo, Afghanistan, in Afrika und Asien leisten, ist bewundernswert. Sie helfen durch ihren Dienst und ihre Geisteshaltung, den Frieden zu sichern. Nicht alles kommt in die Schlagzeilen der Medien, was Sie leisten, aber immerhin weiß die Öffentlichkeit, dass heute deutsche Soldaten in einer neuen Geisteshaltung Dienst tun, der nun doch von der Bibel und den Worten Jesu gedeckt ist. Ich schließe in diesen Dank auch die Familienangehörigen ein, die den Friedensdienst unserer Soldaten mittragen und ganz besonders auch die Familie des getöteten Soldaten in Kabul.
Unseren Soldaten gebühren Anerkennung und Ermutigung, weil sie nicht mehr siegreiche Schlachten feiern, sondern den mühseligen Dienst der Friedenssicherung leisten. Sie erfahren, dass Friede nicht darin besteht, wenn nur die Waffen schweigen, und Friede nicht bloß Sicherung des Gleichgewichtes der Kräfte ist, sondern Friede ist das Werk der Gerechtigkeit. Man befriedet auf Dauer eine Region, ein Land nicht als Besatzer, mit militärischen Mitteln, sondern durch Achtung und Respekt vor der Eigenart der Menschen. Sinnesänderung der Gegner ist nur möglich im Geist der Versöhnung. Dazu braucht es aber den Geist Jesu.
Und darum geht es bei diesem Gottesdienst. Wir reden hier nicht nur vom Frieden, sondern wir empfangen die Kraft zum Frieden. Denn Christus ist unser Friede. Ohne ihn und seinen Geist gibt es keinen Frieden, der diesen Namen verdient. Jesus hat wie wohl kein Mensch dieser Erde Gewalt und Hass, Bedrohung und Feindschaft erlebt von klein auf. Er konnte als Kind den mörderischen Soldaten des Herodes nur durch die Flucht ins Ausland entzogen werden. Er wurde gequält, verhöhnt und hingerichtet von römischen Legionären. Er ließ gleichsam an sich die ganze brutale Macht austoben, zu der Menschen fähig sind. Und brachte das Böse zur Ermattung. Gesiegt hat das Opfer, gesiegt haben nicht die Täter. Er betete nicht um Rache und Vergeltung, sondern um Verzeihung und Vergebung. "So kann Friede werden. Friede sein."
Hier bei diesem Gottesdienst stellen wir in die Mitte die Gedächtnisfeier an Jesus Christus. Sein Blut am Kreuz vergossen, sein Leib von der Brutalität der Henker entstellt, wird durch das Wirken des Heiligen Geistes gegenwärtig. So stehen wir am Altar des Domes am Quellort des Friedens. Er ist unser Friede, und am Kreuz Jesu schreit das Blut nicht nach Vergeltung, sondern nach Versöhnung. So lassen wir uns in dieses friedenstiftende Geschehen hineinziehen, weil wir ja in der Geschichte erfahren durften, welch Segen von jenen ausgeht, die Diener des Friedens sein wollen.
"Ein guter Nachbar ist besser als ein gutes Gewehr", sagt ein altes Sprichwort. Manche glauben es nicht gleich, aber es ist eine Erfahrungstatsache. Amen.
(0506/0153)