Bischofsheim (POW) Mit dem Gedanken an Rhöner Krippenschnitzereien ist Bischof Dr. Franz Jung am Dienstag, 21. Dezember, in die staatliche Berufsfachschule für Holzbildhauer nach Bischofsheim (Landkreis Rhön-Grabfeld) gekommen. Nach Würzburg zurückgekehrt ist er mit einer Vielzahl neuer Eindrücke und der Erkenntnis, dass Holzbildhauerei Kunst und handwerkliches Können in vielen Facetten und Schattierungen umfasst. Außerdem sammelte er erste Erfahrungen, was es heißt, selbst mit Klüpfel und Eisen Lindenholz zu bearbeiten.
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Schulleiter Michael Wimmel, Michael Kühnert, Mitarbeiter in der Schulleitung, und künstlerischer Leiter Martin Bühner informierten den Bischof zu Beginn über die Einrichtung, die seit 1853 besteht. Bundesweit gibt es acht Berufsfachschulen für Holzbildhauer. Fünf davon sind in Bayern zu finden, die Mehrheit im Süden – in Garmisch-Patenkirchen, Oberammergau, Berchtesgaden und München. „Es gibt in diesem Feld nur sehr wenige Betriebe, die selbst ausbilden“, erklärte Bühner. Insgesamt 15 Lehrkräfte, davon einige in Teilzeit, sind an der Schule beschäftigt. Neben den Klassenlehrern gibt es beispielsweise Fachkräfte, die Module wie Glas, Stein, Druckgrafik oder Keramik unterrichten. Auch das so genannte Fassmalen, also das Auftragen von Farbe, aber auch Blattmetallen wie Gold, Kupfer oder Silber auf Holz, gehört zum Lehrplan.
Insgesamt 36 Ausbildungsplätze, zwölf pro Jahrgangsstufe, hat die Berufsfachschule in Bischofsheim. Aktuell absolvieren mehrheitlich Frauen die Ausbildung. Die Altersspanne der Schülerinnen und Schüler liegt zwischen 17 und 50 Jahren. Einige hätten bereits Berufserfahrung, beispielsweise als Steinmetz oder Schreiner. Das Einzugsgebiet umfasse ganz Deutschland, aber auch aus dem Ausland kämen Absolventen, zum Beispiel aus Südkorea, Schweden oder der Schweiz. „Das Talent entscheidet“, sagte Bühner. Beim Bewerben sei eine Mappe mit Zeichnungen erforderlich. Bei einer Aufnahmeprüfung werde dann entschieden, wer aufgenommen wird. Bischof Jung interessierte sich für die wirtschaftlichen Aussichten selbständiger Holzbildhauer. „Man kann gut davon leben, wenn man bedarfsorientiert arbeitet“, betonte Bühner.
Das aktuelle Schulgebäude wurde 1976 fertiggestellt und sei damals mit dem Hintergedanken errichtet worden, es notfalls in ein Verwaltungsgebäude umzuwidmen, wenn es keinen Ausbildungsbedarf mehr gebe, erfuhr Bischof Jung. Deswegen sei auch das Licht in den Klassenräumen der 10., 11. und 12. Klasse nicht optimal. „Für Bildhauer ist das Nordlicht ohne Schlagschatten optimal“, erklärte Bühner. Man hoffe, dass bald der seit 15 Jahren geplante Neubau verwirklicht werde.
Im Modellierraum sah Bischof Jung, wie nach realem Vorbild oder frei nach Fantasie zunächst ein Tonmodell der geplanten Skulptur gefertigt wird. Der Bischof verriet, dass er selbst in der Freizeit gerne mit Stift und Zeichenblock unterwegs sei, sicher der erblichen Vorbelastung durch seinen Vater, der Kunsterzieher war, geschuldet. Bühner sagte, beim Porträt im Modellierraum gehe es darum, genau zu beobachten, aber auch zu abstrahieren. „Nichts ist besser als die Natur.“ Das Modell wird dann in Gips abgegossen und dient als Vorlage für das spätere Schnitzen. „Wenn man beim Holz etwas zu viel entfernt hat, kann man es später nicht mehr hinzufügen.“
Rund 700 Euro müssen angehende Holzbildhauer in eine Grundausstattung an Schnitzeisen investieren. Die Holzklüpfel zum Schlagen lernen sie in der schuleigenen Drechslerei und Schreinerei selbst herzustellen – aus verleimter Weißbuche. An der Drechselmaschine traf der Bischof zum Beispiel eine Schülerin, die ihm erklärte, dass sie nach langen Jahre im Marketing und Öffentlichkeitsarbeit jetzt ihren Traum verwirkliche und sich ganz dem Kreativen widme. Wie Kühnert erklärte, gehört ein Kettensägenschein ebenso zum Ausbildungsprogramm wie eine Einführung in die zentralen Maschinen einer Schreinerei, damit die ausgebildeten Holzbildhauer später kostengünstig selbst ihr Rohmaterial erstellen können. Kerbschnitt und das Schnitzen einer Figur mit dem Messer gab es in der Klasse 10 bei Herwig Kemmerich zu sehen. „Die kleinen Figuren haben den Vorteil, dass man zum einen ein Gefühl für das Werkzeug und das Holz bekommt. Und wenn man aus Versehen mal eine Ecke zu viel wegnimmt, sind halt nur zwei Tage Arbeit vergebens gewesen.“
Eher grobes Arbeiten mit dem Schweizereisen und einem mittelgroßen Klüpfel wie auch Kerbschnitt probierte Bischof Jung dann unter der fachkundigen Anleitung von Bühner aus. Dank kräftiger Schläge mit dem Klüpfel ließ der Bischof dabei die Späne und Brocken fliegen. „Probieren Sie doch mal, den Winkel etwas flacher. Sehr gut“, kommentierte Bühner, während der Bischof mit großer Konzentration ein dickes Lindenbrett langsam zu einer länglichen Schale umformte. Mehr Gefühl, aber nicht weniger körperlichen Einsatz erforderte das Kerb- und Buchstabenschnitzen, das der Bischof ebenfalls ausprobierte. „Wir würden Sie zur Aufnahmeprüfung einladen“, lautete Bühners Lob an den Praktikanten aus Würzburg. Der Bischof selbst gab zu, durchaus Gefallen an der Arbeit gefunden zu haben. „Es ist nicht nur zum Abreagieren gut. Ich kann mich ganz darauf einlassen. Simone Weil hat einmal gesagt: Jedesmal, wenn man wirklich aufmerksam ist, wird etwas Böses in einem zerstört. Deswegen entdecke ich im Schnitzen auch eine spirituelle Komponente.“ Es sei außerdem schön, wenn man bei der Arbeit unmittelbar sehe, was rauskomme, sagte der Bischof.
Zum Abschied überreichten Bühner und Wimmel dem Bischof das erste Exemplar eines auf 50 Exemplare limitierten Dauerkalenders mit signierten Drucken einer Holzbildhauerklasse sowie eine geschnitzte Kreuzwegstation. Und auch die unvollendeten Arbeiten aus dem Schnitzraum durfte er mit nach Würzburg nehmen. Vielleicht der Beginn eines neuen Hobbys.
mh (POW)
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