Würzburg (POW) Für einen Moment reibt er sich verlegen die Augen. Der kleine Pappträger mit verschiedenen Bieren, den zwei langjährige Kantinengänger ihm mitbringen, rührt Willy Karl dann doch mehr, als es ihm recht ist. Mehr als 36 Jahre lang hat er für die Kantine von Bischöflichem Ordinariat und Caritas gekocht. Zum Januar geht der 61-Jährige in die Ruhephase der Altersteilzeit. Jetzt hat er in seinem Job als Kantinenkoch zum letzten Mal ein warmes Essen aufgetischt.
Am 1. November 1980 stand Karl erstmals für das Bistum Würzburg am Herd. Damals war die Kantine noch im dritten Stockwerk des heutigen Caritashauses in der Franziskanergasse untergebracht. Die Räume gehörten noch dem Echter-Verlag. „Die Essensgewohnheiten haben sich seither schon stark verändert. Es gab viel mehr Fleisch, und an Vegetarisches war gar nicht zu denken.“ Auch eine Auswahl zwischen verschiedenen Gerichten gab es damals nicht.
Der Russische Hof am Barbarossaplatz in Würzburg, heute ein Tex-Mex-Restaurant mit Cocktailbar, war 1969 die Ausbildungsstelle Karls zum Koch. Zwei Jahre arbeitete er im Anschluss im Gasthaus „Zum Hirschen“ in Kist. Danach diente er vier Jahre als Zeitsoldat bei der Bundeswehr an den Standorten Amberg, Regensburg, Tauberbischofsheim und zuletzt Veitshöchheim. „Dort hatte ich die Verantwortung für das Offizierskasino“, erzählt er. Nach einem Jahr als Ausfahrer für einen Blumengroßhändler zog es Karl 1979 wieder zurück in die Gastronomie: Er heuerte als Koch bei Nußbaumers Restaurant in der Würzburger Martinstraße an. „Dann hat mir eine Bekannte aus dem Kirchensteueramt den Tipp gegeben, dass ein Koch für die Kantine des Ordinariats gesucht wird.“
Seither hat Karl vieles erlebt. Unter anderem drei Jahre in den 1990ern, als die Kantine wegen Bauarbeiten ins Kilianeum-Haus der Jugend ausgelagert war, um dann wieder in der Franziskanergasse zu eröffnen, aber im Erdgeschoss. Aber auch in sanierten Gebäuden gab es die eine oder andere Überraschung zu erleben. „Einmal gab es wegen massiven Regens einen Rückfluss von Wasser über die Abwasserleitungen. In den Vorratsräumen im Keller stand das Wasser knöchelhoch“, erinnert sich Karl. Ein anderes Mal ließ sich das magnetische Absperrventil für den Gasherd nicht entriegeln. „Dann hieß es improvisieren und für die Kantine auf zwei kleinen Elektroplatten kochen“, berichtet er mit einem Schmunzeln.
Am liebsten aber erinnert der Koch sich an die täglichen Begegnungen mit den Menschen, die in die Kantine kamen. Ein Scherzen hier, eine kurze Diskussion über den Aufreger des Tages da. Bei Karl war die Kantine immer mehr als nur ein Platz zum Essen. „Besonders in Erinnerung geblieben sind zum Beispiel die Länderwochen, die es fast jedes Jahr einmal gab, oder besonders festliche Menüs, zum Beispiel vor Weihnachten.“ Sein großer Traum wäre durchaus gewesen, mehr „Action“ in die Kantine zu bringen, zum Beispiel mit Live-Kochen aus dem Wok. Angesichts der vielen Leute, die es zu bekochen galt, und des beschränkten Platzes aber eben nicht möglich.
Ohnehin war die Kantinen-Ära im Jahr 2015 mit der Eröffnung des sanierten Burkardushauses eigentlich zu Ende gegangen. Dort gibt es ein Angebot für Mitarbeiterverpflegung. Seither war Karl in erster Linie für das Catering im Caritashaus verantwortlich und bot eben nur, wenn es der Tagesablauf zuließ, einen einfachen Mittagsimbiss an.
Der Faktor Zeit wird in Zukunft wohl nur noch am Rande sein Leben bestimmen. Öfters mal zu einem Spiel „seines“ 1. FC Nürnberg fahren, hat sich der leidenschaftliche Clubberer vorgenommen. „Und auch Radfahren und Joggen will ich in Zukunft wieder öfter.“ Seine Frau, die beiden erwachsenen Kinder und die zwei Enkel in Erding wird’s freuen, dass Karl in Zukunft mehr Freizeit hat. Auch die Reisepläne sind schon geschmiedet. So oft wie möglich will der Koch als Ruheständler nach Italien fahren. „Ich mag das Land, insbesondere Südtirol. Die Leute sind ausgesprochen nett, das Essen hervorragend und die Landschaft ein Traum“, sagt er, während er Schnitzel und Kartoffelsalat auf dem Teller anrichtet. Die hungrigen Gäste – darunter viele Stammkunden – stehen schon Schlange.
Markus Hauck (POW)
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