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Reportage

Der Duft von Hähnchen und Berufsluft

Schülerinnen der Würzburger Sankt-Ursula-Schule kochen mit unterfränkischen Köchinnen und Köchen – Lehrerin Barbara Roth will ihren Schülerinnen auch bei der Berufsfindung zur Seite stehen

Würzburg (POW) In der Küche blubbert, dampft und zischt es. Von der einen Kochinsel weht der Geruch von frischem Gemüse herüber, von der anderen Seite des Raumes strömt der Duft von angebratenen, marinierten Hühnchen. Ein Koch schlendert zu einer Köchin und lobt: „Die Falafel sehen gut aus.“ Eine Frau betritt die Küche: „Leute, die haben Hunger! Die wollen was essen.“

Dieses Szenario spielt sich nicht, wie man meinen könnte, in einer Restaurantküche ab, sondern in der modernen, hellen Schulküche in der Sankt-Ursula-Schule in Würzburg. Die zwölf Schülerinnen der Klasse 9c dürfen an diesem Tag ein Stückchen Lebenswirklichkeit kennenlernen. Das Ziel des Nachmittags: ein leckeres Drei-Gänge-Menü. „Asiatische Gemüse- oder Hühnerbrühe mit Falafel“ als Vorspeise. Als Hauptspeise soll den Gästen „Gefüllte Hähnchenbrust, Frikassee, dreierlei Gnocchi“ oder „Parmesan-Gnocchi auf Gemüsebett“ serviert werden. Zum krönenden Abschluss gibt es eine „Crème brulée mit Apfelragout und Schokobrownie“.

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Klassenlehrerin Barbara Roth (39) hat dafür drei unterfränkische Köchinnen und Köche eingeladen, die die Schülerinnen an die Hand nehmen. Lorenz Berndt (26) arbeitet im Würzburger „Schützenhof“ und ist Koch seit 2017. Eva-Maria Heeg (36) kocht im Kürnacher „Gasthaus zum Schwan“ und hat ihre Ausbildung 2013 abgeschlossen. Gudrun Berndt (68) hat vergangenes Jahr den „Schützenhof“ an ihren Sohn übergeben und leitet die Schülerinnen im Service an.

Roth erklärt den Ablauf des Nachmittags. Danach verteilen sich die Schülerinnen auf die zwei Kochinseln und ziehen schwarze oder purpurrote Schürzen an. Lorenz Berndt sucht für eine Schülerin ein Messer aus der Schublade und legt es ihr auf das Schneidebrett. Die Schülerinnen durften sich vorher aussuchen, in welcher Einheit sie mitarbeiten möchten. Die Gruppe unter Heegs Leitung kümmert sich um die Vorspeise und das Dessert. Die Gruppe von Lorenz Berndt ist für den Hauptgang zuständig. Zwölf Schülerinnen arbeiten in der Küche. Vier Mitschülerinnen aus der Parallelklasse 9a haben sich freiwillig gemeldet, den Service zu übernehmen.

Lorenz Berndt versammelt seine Gruppe und zeigt, wie man ein Huhn so zerteilt, dass man alle Teile verarbeiten kann. „Wichtig ist, dass ihr die Teile gleich sortiert“, erklärt Berndt. Jetzt sind die Schülerinnen an der Reihe. „Wie war das nochmal? Zuerst die Flügel, oder?“ Eine andere Schülerin ist schon dabei, das Huhn zu bearbeiten. „Fühlt sich das komisch an?“, fragt Berndt. „Eklig!“, beschreibt eine andere Schülerin später.

Lehrerin Roth zieht prüfend durch den Raum, hilft beim Schnippeln mit und lobt ihre Schülerinnen: „Gut machst du den Schaum. Super!“ Oder sie ruft: „Achtung Mädels! Ich mache die Lüftung an. Nicht erschrecken.“ Seit 15 Jahren arbeitet sie an der Sankt-Ursula-Schule und unterrichtet dort Ernährungs- und Gesundheitswissenschaften sowie Informationstechnik. Vier Mal findet das Kochen im zweiwöchigen Rhythmus mit unterfränkischen Köchinnen und Kochen statt, damit alle 49 Schülerinnen, die den Zweig Ernährung und Gesundheit gewählt haben, zum Zug kommen. „Die Mädels wissen immer weniger, was sie wollen.“ Sie wolle ihnen nicht nur schulisch, sondern auch bei der Berufswahl zur Seite stehen, erklärt Roth. Dafür gebe es Aktionen wie den Betriebserkundungstag, aber auch Nachmittage wie diesen. So würden die Schülerinnen verschiedene Berufsgruppen kennenlernen. Gudrun Berndt meint dazu: „Wir sind einer der größten Arbeitgeber in Würzburg. Es ist für uns heute auch ein kleines Casting.“

Ihr Sohn spielt in der Zwischenzeit Gewürze raten mit seiner Truppe. Er hält einen Zweig in die Höhe: „Was ist das?“ – „Oregano.“ – „Oregano, pff.“ – „Thymian?“ – „Ja.“ – „Ich wusste es, ich bin so gut!“

Auf der anderen Seite ermuntert Heeg ihre Gruppe: „Wenn man nichts falsch macht, lernt man nichts.“ Sie mag an ihrem Beruf die Kreativität. „Man macht etwas mit den Händen und sieht am Ende das Ergebnis.“ Außerdem sei Köchin ein teamorientierter Beruf. Aber der Job habe auch negative Seiten: „Der Stress ist eine zwischenmenschliche Herausforderung.“ Die Arbeitszeiten seien auch nicht optimal. Als Köchin sei Arbeit am Wochenende oder spätabends normal und man müsse Durchsetzungsvermögen mitbringen. „Aber das Berufsbild wird zwangsläufig immer moderner“, sagt Heeg. Zum Beispiel arbeiten die Köchinnen und Köche in ihrem Betrieb zum Arbeitszeitausgleich alle zwei Wochen eine Vier-Tage-Woche.

Veronika (14) und Lien (15) versuchen sich gerade an den Falafeln für die Vorspeise. „Ich mache zum ersten Mal Falafeln. Es geht aber eigentlich ganz gut“, beschreibt Veronika. Lien meint: „Ich finde es interessant, aber für die Zukunft kann ich mir das nicht vorstellen.“

Clara (14) und Alisa (15) haben noch nicht viel von dem Trubel in der Küche mitbekommen. Sie sind mit den Vorbereitungen in der ruhigen Bibliothek beschäftigt. Nun schauen sie aber in der Küche vorbei, um die Teller für das Essen vorzubereiten. Die Schülerinnen aus der 9a sind heute freiwillig hier, fühlen sich aber nicht so, als würden sie ihre Freizeit opfern. „Man kann etwas dazulernen“, beschreibt Alisa. „Das ist kein Problem. Es hilft einem ja weiter“, sagt Clara. Außerdem hätten ihre Eltern ein Weingut, da könne sie das Gelernte gleich anwenden. Im Service helfen außerdem Lina und Viola (beide 14). Sie üben gerade mit Gudrun Berndt das Einschenken des Weins. „Denk daran: Einen Fuß nach vorne, gut festhalten, sehr gut“, lobt Berndt und gibt noch einen Tipp: „Wenn der Gast nichts sagt, erstmal ein gutes Stückchen mehr einschenken.“ Dann heißt es weiter üben. Eine Schülerin spielt den Gast, die andere serviert. „Was hätten Sie gerne? Ich hätte für Sie im Angebot einen Sommeracher Weißburgunder oder einen Rotling.“ „Nein, ‚wir haben im Angebot‘ klingt so nach Supermarkt“, unterbricht Berndt. Im zweiten Anlauf ist sie zufrieden. Auch Clara und Alisa dürfen noch üben. Danach decken die vier mit Berndt den zweiten Tisch ein. „Nicht das Tablett auf den Tisch stellen! Wenn da ein Ketchupfleck gewesen wäre, hätten wir jetzt ein Problem“, mahnt Berndt.

In der Küche hat sich viel getan. Die Crème brulée ist schon in die Schälchen gefüllt. Auf einem Blech sind die Hähnchen bereit zum Anrichten. Wer Zeit hat, rollt Gnocchi. „Ich sehe aus wie ein Mehlmonster“, sagt eine Schülerin lachend. Nochmal tief durchatmen im Service, denn gleich kommen die Gäste.

Dann wird es voll in der Küche. Gäste aus Politik und Wirtschaft, von den Sankt-Ursula-Schwestern und Familienangehörige strömen herein und sehen den Schülerinnen beim Kochen zu. Danach gibt es einen Aperitif und Grußworte von Roth im Freien. Clara und Viola übernehmen anschließend die Gastgeberrolle. Sie begleiten die Gäste zur Garderobe und nehmen ihnen dort die Jacken ab. In der Küche wird die Vorspeise auf Stehtischen serviert, während die Schülerinnen weiter kochen.

Nun werden die Gäste in die Bibliothek gebeten. Es ist ein Atmosphärenwechsel. In der Küche wird noch auf Hochdruck gearbeitet, während die Gäste auf Holzstühlen an einer festlich gedeckten Tafel im Kerzenschein Platz nehmen. „Hat jemand Spotify?“, ruft Roth in die Küche. Was für eine Frage! So läuft im Hintergrund die Playlist „Gemütliches Abendessen“, während die Gäste mit Wein auf die Schülerinnen anstoßen.

„Sophie, du musst rühren, wenn es anbrennt, haben wir nichts zu essen“, erinnert Lorenz Berndt in der Küche. Aber so langsam wird die Stimmung gelöster. „Leute, die haben Hunger! Die wollen was essen“, spornt Roth ihre Schülerinnen nochmal an. Dann serviert der Service Hauptgang und Nachspeise. Die Gäste sind begeistert.

„Das Essen war sehr schön und bereichernd. Ich bin stolz auf unsere Schülerinnen“, lobt Schwester Johanna Ankenbauer, die Deutsch und Religion am Gymnasium der Sankt-Ursula-Schule unterrichtet. Die Schülerinnen kommen nun auch zum Essen. „Es war sehr lecker, etwas Neues und es hat Spaß gemacht“, beschreibt eine Schülerin. Sie kann sich vorstellen, das Menü an einem Feiertag für ihre Familie nachzukochen. Auch Clara ist zufrieden. „Ich fand es sehr schön. Es war eine tolle Erfahrung, im Service mitzuarbeiten.“ Ihr habe der Abend gefallen und sie freue sich schon, wenn ihre Klasse in zwei Wochen mit dem Kochen an der Reihe sei.

Vincent Poschenrieder (POW)

(0423/0121; E-Mail voraus)

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