Würzburg (POW) Der Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn hat die momentane Erschütterung der Kirche als Chance für einen Gestaltwandel gedeutet. „Das Antlitz Christi muss wieder deutlicher in der Kirche sichtbar werden. Es ist zu viel Kirche im Raum – und zu wenig Christus“, sagte er am Dienstag, 30. März, in der Sankt Michaelskirche beim Oasentag für Priester, Diakone und Priesteramtskandidaten. Eine eucharistische Anbetung und Gesprächsgruppen schlossen sich an.
In seinem Vortrag zum Thema „Den Armen die Frohe Botschaft zu künden“ stellte der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz den Mitbrüdern die Frage, wie mit einem Geistlichen umzugehen sei, der einen Missbrauch begangen habe. „Ich darf ihn nicht verachten, aber ich muss entschieden sagen: ‚Das darf nicht sein!‘ und ihn auffordern, sich der Justiz zu stellen. Das Entscheidende dabei ist: Er bleibt mein Bruder.“ Der Kardinal wertete den Umgang mit der Wahrhaftigkeit gegenüber der Sünde in den eigenen Reihen als große Herausforderung.
Jesus habe die Kinder in den Mittelpunkt gestellt und einen neuen Umgang mit ihnen beispielhaft aufgezeigt. Umso tragischer sei es, wenn heute Priester und Ordensleute wegen Vergehen gegenüber Kindern und Jugendlichen beschuldigt würden. „Die Zuwendung Jesu zum Kind muss für uns alle Maßstab sein.“
Viel Gutes, was von Priestern geleistet werde, werde in der Gesellschaft aktuell übersehen. Er sei überzeugt, dass durch die schmerzliche Reinigung und Prüfung etwas deutlich werden solle, sagte der Erzbischof: „Es geht nicht primär um den Schutz des Kirchenbilds, darum, wie wir da stehen. Es geht darum, das Gottesbild in seiner Größe und Strahlkraft wieder zum Leuchten zu bringen.“
Die Herzensverhärtung führe dazu, dass die Werke der Barmherzigkeit unterlassen würden. „Wenn das Herz hart wird, kommt es zu Unterlassungssünden. Diese sind tödlich.“ Der Kardinal appellierte an seine Zuhörer, selbstlos den Not leidenden Brüdern und Schwestern zu helfen. „Die im Gericht bestehen werden, die Geretteten, haben einfach und direkt geholfen, ohne zu fragen, was ihnen das bringt. Sie haben dabei nicht nach irdischem oder himmlischem Nutzen gestrebt, sondern einfach die Augen vor der Not des Nächsten nicht verschlossen“, sagte der Erzbischof. Die wirklich lautere, selbstlose gute Tat gebe es auch bei Menschen, die sich selbst als Atheisten verstünden, und bei Menschen anderer Religionen. „Es zählt allein die gute Tat oder deren Unterlassung.“
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