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Dokumentation

„Der Herr segne und begleite Sie auf Ihren Wegen“

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung bei der Vesper anlässlich der Verabschiedung der Redemptoristen am Samstag, 27. Juli 2024, in der Pfarrkirche Sankt Alfons in Würzburg

Liebe Mitbrüder,

liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

Das Fresko Georg Meistermanns in Sankt Alfons

In der Kirche Sankt Alfons beeindruckt mich immer sehr das Fresko von Georg Meistermann. Es zeigt in eindringlicher Weise eine Schlüsselszene des letzten Buches der Heiligen Schrift, der Offenbarung des Johannes.

Dabei handelt es sich um das fünfte Kapitel der Offenbarung. Es hebt an mit der Klage des Sehers, dass niemand das Buch der Geschichte öffnen kann, das derjenige, der auf dem Thron sitzt, in Händen hält. Gemeint ist Gott selbst, der Herr über Zeit und Ewigkeit. Der Seher Johannes kann nur beruhigt werden durch den Hinweis eines der Ältesten auf das Lamm. Es sieht aus wie geschlachtet. Dennoch steht es. Wie soll das gehen? Geschlachtet und tot und dennoch stehend und lebendig? Diese paradoxe Beschreibung verweist auf Jesus Christus selbst. Er ist das Lamm Gottes, geschlachtet zur Sühne für die Sünde der Welt. Dennoch hat dieses Lamm im Tod den Tod besiegt. Deshalb steht es und deshalb gebührt ihm alle Anbetung, Lob und Herrlichkeit.

Heute, angesichts des bevorstehenden Abschieds der Redemptoristen aus Würzburg, möchte ich mit Ihnen diese Szene des letzten Buches der Bibel noch einmal betrachten, vor der Sie über sieben Jahrzehnte hinweg Eucharistie gefeiert haben.

Das Weinen über die Unverständlichkeit der Geschichte

„Da weinte ich sehr, weil niemand für würdig befunden wurde, das Buch zu öffnen und es zu lesen.“ So lautet das erschütternde Bekenntnis des Johannes. Seine Tränen rühren auch uns. Denn wie ihm geht es seit Jahrhunderten vielen Menschen angesichts des Leids. Wenn es schon schwer genug ist, Schweres aufgebürdet zu bekommen, Unrecht, Leid und Tod ertragen zu müssen, so bewegt uns doch eines: Wir wollen wenigstens verstehen, warum das so ist und warum es gerade uns trifft. Aber die menschliche Vernunft gelangt hier an ihre Grenzen. Wir können es nicht verstehen und es entzieht sich auch jeder Rationalisierung. Aber dieses Nicht-Verstehen-Können bezieht sich auch darauf, dass überhaupt die Ordnung der Welt gestört ist, und dass Gott als Herr der Geschichte scheinbar so fern und so machtlos erscheint.

Angesichts des Abschieds ist es Ihnen vielleicht auch mit Johannes nach Weinen zumute. Eine Trauer über den Abschied nach reich erfüllten 70 Jahren in der Seelsorge in den Ihnen anvertrauten Pfarreien. Eine Trauer darüber, wie dieser Abschied nun kam. Denn jenseits der ordensinternen Notwendigkeiten waren die Kürzung eines (halben) Gestellungsvertrags und die Kommunikation zwischen der Ordensgemeinschaft und dem Bischöflichen Ordinariat ausschlaggebend für die rasch getroffene Entscheidung, sich aus Würzburg zurückzuziehen. Eine Kurskorrektur und Nachbesserung unsererseits konnten Ihren Beschluss, den Standort Würzburg aufzugeben, nicht mehr rückgängig machen. Das bedauere ich sehr und das erfüllt auch mich als Bischof mit Traurigkeit.

Zu den Tränen des Johannes gehört eben auch die mangelnde Sensibilität im Umgang miteinander, auch und gerade im Raum der Kirche. Diese Tränen sind ein Weckruf, künftig sorgsamer aufeinander zu hören und die Bedarfe der jeweils anderen Seite ernst zu nehmen und zu akzeptieren. Ich versichere Ihnen, dass wir als Bistum diese Botschaft Ihrerseits verstanden haben und in den vergangenen Monaten unser Miteinander mit den Ordensgemeinschaften im Bistum neu ausgerichtet haben.

Ich bin heute Abend als Bischof nach Sankt Alfons gekommen, um Ihnen meine Hand zur Versöhnung zu reichen. Lassen Sie uns in Frieden auseinandergehen in großer Dankbarkeit für die 70 Jahre Ihres segensreichen Wirkens in dieser Stadt. Lassen Sie uns als Bistum und Pfarreiengemeinschaft Würzburg-Ost versöhnt miteinander in die Zukunft schauen.

Das Lamm als Opfer und Sieger zugleich

„Weine nicht! Gesiegt hat der Löwe aus dem Stamm Juda, der Spross aus der Wurzel Davids; er kann das Buch und seine sieben Siegel öffnen.“ Das sagt einer der geheimnisvollen Ältesten zu Johannes. Es gibt Hoffnung. Denn der Löwe aus Juda hat gesiegt. Der Löwe aus Juda, der zugleich das Lamm Gottes ist. Geschlachtet und dennoch stehend, vereint dieses göttliche Tier beides Miteinander: die wehrlose Unschuld des Lammes wie die Wehrhaftigkeit des Königs der Tiere.

Die Botschaft ist klar: Im Tod bricht neues Leben auf. Im Ende liegt die Chance zu einem neuen Anfang. In jedem Untergang ist ein neuer Aufgang beschlossen. Denn Gott hat die Macht des Todes und des Bösen ein für alle Mal gebrochen. Der Blick auf dieses Lamm erfüllt uns mit Hoffnung. Das Lamm vor dem Thron schenkt uns die Zuversicht, neu anzufangen, ohne sich von der Erfahrung des Widerständigen und Bösen entmutigen zu lassen.

Genau das wünsche ich Ihnen heute. Möge dieser teilweise auch bittere Abschied nicht zur Verbitterung führen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie an den Orten, an die Ihr Charisma Sie nun führt, gut neu anfangen können. Ich wünsche Ihnen, dass das Alte Ihnen nicht weiter nachhängen möge, so dass der Neuanfang unbeschwert und froh gelingt.

Ein neues Kapitel im Buch des Lebens wird aufgeschlagen

„Das Lamm trat heran und empfing das Buch aus der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß.“ So heißt es feierlich in der Offenbarung des Johannes. Das Buch mit den sieben Siegeln wird dem Lamm überreicht. Jetzt kann das Geheimnis der Geschichte gelüftet werden. Der Vorgang der Öffnung der Siegel wird in der himmlischen Liturgie regelrecht zelebriert, um seine Bedeutsamkeit zu unterstreichen.

Und es zeigt sich: Wo Menschen glauben, dass die Bücher geschlossen werden, schlägt das Lamm ein neues Kapitel auf. Gott überschreibt unsere Unheilsgeschichte mit seiner Geschichte des Heils. Er hat das Buch des Lebens in der Hand. Er vermag es zu öffnen durch das Lamm, das jedes Unheil in sein Heil gewendet hat.

Nein, nicht Menschen sind Herren der Geschichte, auch wenn es bisweilen den Anschein hat, sondern Gott allein verbürgt den Sinn der Geschichte, auch wenn er sich uns nicht immer erschließt. Ihm gilt es, sich anzuvertrauen. Denn das Lamm ist Opfer der Geschichte und ihr Motor zugleich.

Darum gebührt allein ihm die Anbetung und der Lobpreis. „Würdig bist du, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du wurdest geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erworben aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern, und du hast sie für unsern Gott zu Königen und Priestern gemacht; und sie werden auf der Erde herrschen.“

Gerade die Ordenschristen haben sich immer verstanden als Nachahmer des engelgleichen Lebens, des „Bios Angelikos“, wie die Alten sagten. Sie haben sich einem Leben des Lobpreises und der Verherrlichung Gottes verschrieben, wie es unüberbietbar im letzten Buch der Heiligen Schrift durch die himmlischen Heerscharen veranschaulicht wird.

Ich wünsche Ihnen heute die Kraft, die aus dieser Anbetung des Herrn erwächst. Die Freude über die Größe Gottes möge Sie tragen bei all Ihren weiteren Schritten und Unternehmungen.

Mir bleibt, Ihnen heute für Ihren treuen Dienst über 70 Jahre zu danken. Ich weiß, wie sehr die Menschen Ihre Begleitung und Ihre Wegweisung geschätzt haben, über sieben Jahrzehnte hinweg hier auf der Keesburg und viele Jahre im Frauenland, im Heimgarten, in Gerbrunn, Rottendorf und Rothof. Möge diese Dankbarkeit auch Ihnen Trost und Kraftquelle sein für das, was da kommt. Der Herr, der das Buch mit den sieben Siegeln öffnet, segne und begleite Sie auf Ihren Wegen.

Danke!