Würzburg (POW) Bischof Dr. Franz Jung hat an der digitalen Veranstaltung des Synodalen Wegs teilgenommen. Im folgenden Interview spricht er über seine Eindrücke und benennt unter anderem, wo dringend weitere Reflexion notwendig ist.
POW: Herr Bischof, coronabedingt musste die für Februar geplante Vollversammlung des Synodalen Wegs abgesagt werden. Um den Kontakt nicht zu lange abreißen zu lassen, wurde das Treffen der Synodalen als Videokonferenz abgehalten. Wie war Ihr Eindruck der Veranstaltung?
Bischof Dr. Franz Jung: Vom Format her war es keine reguläre Vollversammlung, da eine Abstimmung ergeben hatte, dass eine Mehrheit eine Vollversammlung im Videoformat sich nicht vorstellen konnte. Stattdessen wurde die Onlinekonferenz dazu genutzt, die Zwischenstände aus den vier Synodalen Foren zu präsentieren und bereits Erarbeitetes zur Diskussion zu stellen. Dementsprechend waren die Austauschformate als Workshops oder Hearings gestaltet – in leingruppen von jeweils bis zu 30 Personen. Eine formale Beschlussfassung zu den Vorlagen war damit nicht gefordert.
POW: Hat technisch alles reibungslos geklappt?
Bischof Jung: Die technischen Schwierigkeiten, die es am Donnerstagabend gab, konnten im Laufe des Freitags behoben werden, so dass dieses Treffen des Synodalen Wegs alles in allem überraschend gut ablief.
POW: Was waren die Schwerpunkte?
Bischof Jung: Der Donnerstagabend stand ganz im Zeichen der Aufarbeitung des Missbrauchs. Mit einer Erklärung unter der Überschrift „Transparenz und Verantwortung“ eröffnete das Synodalpräsidium die Versammlung. Darin wurde noch einmal die Dringlichkeit der Aufarbeitung unterstrichen und zugleich betont, dass Verantwortungsträger in der Kirche auch Konsequenzen ziehen müssten, sofern ihnen Fehlverhalten nachgewiesen werden könne.
POW: Wie beurteilen Sie diese Erklärung?
Bischof Jung: Für die Beratungen des Synodalen Wegs setzte die Erklärung insofern einen neuen, wichtigen Akzent, als dem Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz künftig die Möglichkeit eingeräumt wird, sich an den Beratungen zu beteiligen. Wie das im Einzelnen geschehen kann, bedarf noch der genaueren Klärung. Drei Vertreter des Betroffenenbeirats der Deutschen Bischofskonferenz richteten danach das Wort an die Synodalen, unter ihnen auch Kai Christian Moritz aus Würzburg. Die bewegenden Statements hinterließen einen nachhaltigen Eindruck in den abendlichen Diskussionen der Workshops. Mit Erschrecken wurde die Tatsache zur Kenntnis genommen, dass der Synodale Weg als Reaktion auf das Bekanntwerden der Missbrauchsfälle ins Leben gerufen worden war, aber die, die es eigentlich betrifft, nicht von Anfang an miteinbezogen worden waren, sondern erst jetzt einbezogen werden sollen. Der Synodale Weg ist eben auch ein gemeinsamer Lernweg aller. Das zumindest war der Tenor in vielen Stellungnahmen zu diesem überfälligen Schritt, der deshalb lebhaft begrüßt wurde.
POW: Welche weiteren Themenfelder gab es?
Bischof Jung: Der Freitag begann mit einem Online-Bibelgespräch zur Perikope der Jüngerberufung (Mt 4). Eine eindrückliche Erfahrung war der Austausch mit vielen Teilnehmer*innen, die ich zumindest nicht persönlich kannte. Die Offenheit, mit der man sich einander mitteilte, und die Vielfalt der Resonanzen, die der Evangeliumstext in jedem Einzelnen ausgelöst hatte, hat mich sehr beeindruckt. Etwas mühsam, aber dennoch unabdingbar, war dann am Freitagmorgen die Übersicht über den Stand der Arbeiten in den vier Foren. Dabei zeigte sich, was auch aus den Vorlagen für die Onlinekonferenz schon zu erahnen war, dass die Foren unterschiedlich weit sind und noch viel Arbeit vor ihnen liegt, falls bis zum September beschlussreife Texte vorgelegt werden sollen.
POW: An den Hearings zu welchen Foren haben Sie teilgenommen?
Bischof Jung: Ich hatte mich zu den Hearings für das Forum Priesterliche Existenz heute und Macht und Gewaltenteilung in der Kirche angemeldet. Das Forum zur Priesterlichen Existenz hatte einen recht umfassenden Gliederungsentwurf seines Papiers vorbereitet, ohne diesen auszuformulieren. Die Rückmeldungen dazu fielen sehr gemischt aus. Der Entwurf lässt erkennen, dass es den Autoren derzeit vor allem um eine Optimierung des Bestehenden geht. Demgegenüber wurde von verschiedenen Seiten angefragt, ob es nicht zielführender und gebotener wäre, eine Neuformulierung der Aufgaben des priesterlichen Amtes zu versuchen. Ein solches Unterfangen ist natürlich ungleich schwieriger, und niemand hatte einen wirklich überzeugenden Vorschlag, wie das geschehen könne. Dennoch waren die Anfragen an das Papier aus meiner Sicht durchaus anregend und hilfreich. Sie allerdings aufzugreifen und einzuarbeiten und dazu in der Gruppe noch einen Konsens herzustellen, wird gewaltiger Anstrengungen bedürfen.
POW: Wie lief es im Forum Macht und Gewaltenteilung?
Bischof Jung: Dort schien mir die Sachlage nicht ganz so kontrovers zu sein. Dieses Forum hatte am intensivsten vorgearbeitet und einen sehr langen Grundlagentext zur Diskussion gestellt. In seinem Grundduktus wurde er von den meisten Gesprächspartnern im Hearing gutgeheißen. Hier ging es vor allem um Klärung der Begriffe. Wird immer präzise unterschieden zwischen „Vollmacht“ und „Macht“, und ist der Bischof wirklich völlig losgelöst in seiner Amtsführung oder nicht doch schon jetzt durch vielfältige Bezüge, Gremien und Kontrollen gebunden? Was heißt genau „sensus fidelium“? Beschränkt sich der Glaubenssinn der Gläubigen nur auf das Einfordern demokratischer Verfahrensweisen oder ist er mehr? Was heißt und wie funktionieren Prozesse geistlicher Entscheidungsfindung in Gemeinschaft? Die drei konkreten Handlungsempfehlungen wurden dann nicht mehr eigens in meiner Hearing-Gruppe besprochen. Allerdings zeigte sich rasch, dass ein nicht präzise definierter Begriff „Machtmissbrauch“ zum Bumerang wird und sich wahllos gegen alles und jeden wenden kann. Deutlich wurde das, als ein Teilnehmer des Hearings sagte, er erfahre Machtmissbrauch insofern, als das sprachliche Niveau der Texte ihn als Leser überfordere und er sich somit ausgeschlossen fühle von der Diskussion. Soll dem Anliegen der Rechenschaftspflicht wirklich Rechnung getragen werden, bedarf der Begriff des Machtmissbrauchs noch weiterer Reflexion und Einengung.
POW: Wie lief es in den anderen beiden Foren?
Bischof Jung: Aus den Rückmeldungen am späteren Nachmittag zu den Foren zur Frage nach der Rolle der Frauen in der Kirche und dem Leben in gelingenden Beziehungen ging hervor, dass hier nach wie vor erhebliche Meinungsverschiedenheiten bestehen, die auch nicht einfach ausgeräumt werden können. Die in den Texten mehrfach beschworene „Ambiguitätstoleranz“, also die Fähigkeit, Widersprüche aushalten und mit ihnen konstruktiv umgehen zu können, wird noch in erheblichem Maße gefordert sein.
POW: Wie lautet Ihr Fazit der beiden Onlinetage des Synodalen Forums?
Bischof Jung: Als Fazit nehme ich mit: Gut, dass es diese Veranstaltung gab. Gut, dass nicht der Druck der Entscheidung auf der Versammlung lastete. Gut, dass noch Zeit zum Weiterarbeiten und Weiterdenken ist. Den Austausch in den kleineren Gruppen habe ich wie schon bei der Regionalkonferenz in Ludwigshafen im September als sehr bereichernd erlebt, weil man einander kennenlernt und weiß, was den anderen umtreibt und welche Anliegen ihn bewegen. Die Texte in ein einheitliches Format zu bringen, sie so zu formulieren, dass sie in verständlicher Sprache durchaus komplexe Sachverhalte vermitteln, wird nach den bisherigen Vorlagen eine der herausforderndsten Aufgaben sein, die im kommenden halben Jahr zu bewältigen sein werden.
Interview: Markus Hauck (POW)
(0621/0143; E-Mail voraus)
Hinweis für Redaktionen: Foto abrufbar im Internet