Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Der Weg des „Verrückten“

Seit 25 Jahren setzt sich der Schweinfurter Frank Weber in Bolivien für Kinder in Not ein – Als Priesteramtskandidat nach Cochabamba gekommen – Kostenfreie Privatschule gegründet – Finanzierung durch künstlerische Projekte

Würzburg/Schweinfurt (POW) Er hat mit bolivianischen Kindern auf der Straße gelebt. Er hat ein Haus für sie gekauft und eine Schule gegründet. Er ist Erziehungsberechtigter und Vaterfigur für 37 ehemalige Straßenkinder. Er ist Theatermacher, Buchautor und Filmregisseur. Er ist „El Loco“ – der Verrückte: Seit 25 Jahren hat der Schweinfurter Frank Weber (50) seinen Lebensmittelpunkt in Cochabamba/Bolivien und engagiert sich dort für Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen.

Im Mai 1985 besucht Frank Weber auf Empfehlung eines bolivianischen Freundes zum ersten Mal Cochabamba. Die Stadt liegt in 2500 Metern Höhe und hat ihre Einwohnerzahl in den vergangenen 30 Jahren mehr als verdreifacht, auf heute rund 600.000 Einwohner. Weber kommt als Student des Würzburger Priesterseminars nach Cochabamba. Sofort fallen ihm die vielen Kinder auf, die dort auf der Straße leben, betteln und den Abfall nach Essen durchsuchen. Trotz geringer Spanischkenntnisse geht Weber auf sie zu, lernt ihre Probleme von Kriminalität bis Drogenabhängigkeit kennen und freundet sich mit ihnen an. Für Weber tritt der „Ernstfall des Glaubens“ ein: Er will als angehender Priester nicht nur von Nächstenliebe reden, sondern auch konkret danach handeln. Er lässt sein Studium „sausen“ und lebt vier Monate lang mit den Kindern auf der Straße. Viele Freunde aus Deutschland raten ihm davon ab.

Im September kauft Weber von seinen Ersparnissen ein Haus am Stadtrand von Cochabamba und zieht mit sieben Straßenkindern darin ein. Er nennt es „Casa Nuevo Amanecer“ – „Haus Neue Zeit“. Doch der Anfang gestaltet sich schwierig: Das Haus gleicht einer Ruine, für die Sanierung ist kein Geld da. Das Essen besteht aus dem billigsten Reis. „Eine harte Zeit ohne Strom, Wasser und Toiletten“, sagt Frank Weber heute. Doch er habe sich stets daran aufgerichtet, was er schon geschafft habe, nicht an dem, was noch alles zu tun sei, erklärt er seine Philosophie. So graben die Bewohner nur mit Konservendosen einen zehn Meter tiefen Brunnen, um an Wasser zu kommen. Langsam schreitet die Renovierung voran. „Es wäre unaufrichtig zu behaupten, dass ich mir das alles genauso vorgestellt habe“, betont Weber. Vielmehr sei das Projekt Schritt für Schritt gewachsen, „und dann gibt’s irgendwann auch kein Zurück mehr“.

Schnell tummeln sich 14 Kinder in der Wohngemeinschaft, insgesamt finden über 30 dort Zuflucht. Doch auch Bolivien sei kein rechtsfreier Raum, in dem man Kinder ohne gesetzliche Grundlage einfach adoptieren könne, erläutert Weber. So erwirbt er auf Drängen der Behörden die Erziehungsberechtigung für 37 ehemalige Straßenkinder, ohne dass er sich sofort bewusst gewesen sei, damit lebenslang in der Verantwortung für sie zu stehen. Heute sind Webers Kinder längst erwachsen. Der Jüngste hat gerade das Abitur bestanden, andere studieren längst, berichtet er stolz.

Den Kontakt zu seiner Heimat Schweinfurt hat Weber trotzdem nie verloren. Von hier aus organisiert er die finanzielle Unterstützung für seine Projekte. Zahllose Menschen aus der Region seien über die Jahre hinweg immer an seiner Seite gestanden, berichtet Weber. Einer davon ist der Generalvikar der Diözese Würzburg, Dr. Karl Hillenbrand. Als Weber noch im Würzburger Priesterseminar lebt, ist Hillenbrand dort sein Regens. Auch nach Webers Studienabbruch bleiben sie miteinander in Verbindung. Später engagiert sich der Generalvikar im Vorstand des Strassenkinderhilfe-Vereins, den Weber 1987 in Schweinfurt ins Leben ruft. „Ich finde es imponierend, dass sich Frank Weber auch durch Rückschläge nie hat entmutigen lassen“, sagt Hillenbrand heute. Er sehe es als seine Aufgabe an, dafür mitzusorgen, dass Weber bei allem Idealismus nicht die „Bodenhaftung“ verliere, erläutert der Generalvikar mit einem Schmunzeln.

Rund 400.000 Euro beträgt das Jahresbudget, das Weber für seine Entwicklungshilfe in Bolivien aufbringen muss. Deshalb fliegt der ehemalige Theologiestudent immer wieder mit seinen Schützlingen nach Deutschland, gestaltet Gottesdienste und Musikabende in Pfarreien. Er präsentiert Buchprojekte, Kunstausstellungen und Theaterstücke, sammelt Spenden.1990 lädt ihn Papst Johannes Paul II. mit den Straßenkindern nach Rom ein. Stets will Weber ihr Potential aufzeigen. Er lehnt es ab, sie in ihrem Elend bloßzustellen oder Mitleid zu erregen. „In 25 Jahren habe ich deshalb keinen Diavortrag gehalten.“ Wichtiger sei ihm stets das Gespräch mit den Menschen in Deutschland gewesen. Falsche Rührseligkeit im Umgang mit den Straßenkindern ist auch das Thema seines Kinofilms „Los Abandonados – Die Verlassenen“ von 2006. Der Film mit dem bekannten Schauspieler Dietmar Schönherr gewinnt in Südamerika sogar einige Preise.

1988 gründet Weber gleich neben dem „Haus Neue Zeit“ die einzig kostenfreie Privatschule Boliviens. Die Schule trägt den Namen des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, der Webers Arbeit seit vielen Jahren unterstützt. 600 Schüler aus sozial schwachen Familien gehen dort mittlerweile in die erste bis zwölfte Klasse und können das Abitur machen. Rund 40 Lehrer unterrichten sie. Für sein Engagement verleiht ihm die Stadt Cochabamba 2007 die Ehrenbürgerschaft. Im Juli 2008 erklärt ihn das bolivianische Parlament als ersten Ausländer zum „Ciudadano meritório“ – zum „Verdienstvollen Staatsbürger“. Trotzdem bereitet Weber die Politik des linksgerichteten bolivianischen Präsidenten Evo Morales derzeit Sorgen. Dieser plane das Unterrichtsfach Religion abzuschaffen, um es mit sozialistischer Ethik zu ersetzen. Weber bezeichnet das Vorhaben als „fürchterlich“. Insgesamt gehe Morales auf Konfrontationskurs mit den Kirchen, die Stimmung sei aufgeheizt. „Einige Kirchen brennen schon.“

Ans Aufgeben denkt Frank Weber dennoch nicht. „Das Leben ist nicht nur eine Episode, sondern es ist uns als Aufgabe gegeben“, lautet sein Motto. Das bedeute für ihn auch mal etwas zu riskieren, etwas wider die Vernunft zu tun. Außerdem hat er in Bolivien einen Ruf zu verlieren. Seit den Anfangstagen in Cochabamba haftet ihm der Spitzname „El Loco“ – „Der Verrückte“ an. Seine Kinder würden ihn in Briefen oder E-Mails immer nur mit „Loco“ anreden. Weber mag den Namen: „Wer verrückt ist, geht auch einmal einen Weg, wo andere keinen vermuten.“

(0810/0265; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet