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Dokumentation

Der wichtige Dienst der Beisetzung

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung bei der Wort-Gottes-Feier am Sonntag, 22. Januar 2023, im Würzburger Kiliansdom

Liebe Schwestern und Brüder,

für Ihre Bereitschaft, sich heute zum Beerdigungsdienst beauftragen zu lassen, danke ich Ihnen herzlich. Ich möchte Ihnen heute in unserer Feier vor allem eine biblische Figur ans Herz legen und Sie einladen, immer wieder über ihre Person und ihr Handeln nachzudenken. Es ist niemand anders als Joseph von Arimathäa. Denn er vollzieht den wichtigsten Dienst der Beisetzung in der Heilsgeschichte. Er ist der Bestatter des getöteten Heilands.

Joseph von Arimathäa als Patron der Bestatter

In unserem Bewusstsein spielt Joseph von Arimathäa allerdings oft nur eine untergeordnete Rolle. Das verwundert nur wenig, taucht er doch aus dem Dunkel der Geschichte nur einmal ins grelle Scheinwerferlicht, um dann wieder im Hintergrund zu verschwinden. Am Ende der Passion erwähnen ihn die Evangelisten zum ersten und einzigen Mal. Und doch versieht er einen unverzichtbaren Dienst, einen Dienst, dem auch Sie sich nun verschrieben haben und für den Sie heute um die Sendung der Kirche bitten.

Ich möchte mit Ihnen die Person des Joseph von Arimathäa in dieser Feierstunde bedenken und würde mich freuen, wenn Ihnen die Betrachtungspunkte helfen können, Ihren wichtigen Dienst tiefer und besser zu verstehen.

Die Zurückhaltung als Tugend des Bestatters Joseph von Arimathäa

Am Anfang des Lebens Jesu steht ein Joseph und am Ende des Lebens Jesu steht wieder ein Joseph. So unterschiedlich die beiden Josephs auch sind, sie verbindet, dass sie beide dezent im Hintergrund bleiben. Sie drängeln sich nicht vor und werden auch von keinem Geltungsdrang getrieben. Ihre Zurückhaltung ist wohltuend und von der Sache her gefordert.

Vor allem der Bestatter darf niemand sein, der selbst im Vordergrund stehen will. Denn im Vordergrund stehen bei der Bestattung immer nur Jesus Christus und der oder die Verstorbene. Im Fall des Joseph von Arimathäa fällt beides in eins, weil er den Christus bestattet.

Joseph von Arimathäa schafft einen Ort des Abschieds und der Trauer

Am Karfreitag sind die Jünger Jesu alle geflohen. Man hat Jesus allein gelassen. Am Ende stehen unter dem Kreuz nur noch seine Mutter und der Jünger, den Jesus liebte. So ist es immer im Tod: wir bleiben allein und alle anderen sind plötzlich verschwunden.

Das ist die Stunde des Joseph von Arimathäa. Er, der sich bislang ganz im Hintergrund gehalten hatte, tritt plötzlich ins Rampenlicht. Er bringt eine ungeheuerliche Bitte vor. Er bittet den römischen Statthalter Pontius Pilatus um den Leichnam eines Schwerverbrechers, der zu der schändlichsten aller Todesstrafen verurteilt worden war, zum Tod am Kreuz. Als alle verschwunden sind, bittet Joseph um den Leichnam Jesu. Er will verhindern, dass der Leichnam über seine furchtbare Entstellung hinaus noch weiter geschändet wird. Er will Jesus ein ehrenvolles Begräbnis verschaffen.

Der Bestatter verhindert, was in der Antike bis in die jüngste Zeit noch als schlimmste aller Strafen galt: die Asche des Schwerverbrechers in alle vier Winde zu zerstreuen, um so sein Andenken auf ewig auszulöschen. Der Bestatter wahrt die Würde des Toten, indem er einen würdigen Ort für den Leichnam bereitet, der zum Gedenkort und zum Ort der Trauer werden kann, an dem man weint über den Verlust eines so lieben und wertvollen Menschen.

Joseph von Arimathäa bekennt sich zu Jesus, der für die Sünder gestorben ist

Mit diesem Akt der Barmherzigkeit bekennt sich Joseph zu Jesus. Seine Liebe zu dem Herrn, die er bisher vor den anderen Mitgliedern des Synedriums geheim gehalten hatte, zeigt sich jetzt, wo es am Nötigsten ist. Joseph ist zur Stelle als alle anderen ihren Posten geräumt haben. Das Bekenntnis zu Jesus ist das Bekenntnis zu einem Menschen, der von den anderen verachtet und verworfen wurde.

In jedem Menschen, den wir bestatten, dürfen wir mit Joseph von Arimathäa Jesus erkennen. Mit Joseph fragen wir am Ende nicht, ob er es wert wäre oder nicht. Mit Joseph schenken wir den Verstorbenen ihre Würde vor Gott wieder. Genau das heißt, sich mit Joseph zu Jesus zu bekennen, der in seinem Leiden die Schuld der Welt auf sich genommen hat. Im Blick auf den Kreuzestod Jesu ist jeder Mensch es wert, ein anständiges Begräbnis zu bekommen, weil Jesus für alle gestorben ist.

Joseph von Arimathäa birgt liebevoll den Leichnam Jesu und wickelt ihn in ein kostbares Leinentuch

Das Evangelium erzählt, Joseph habe den Leichnam Jesu in ein kostbares Leinentuch gehüllt. Joseph birgt den Leib Christi. Er geht vorsichtig und würdevoll mit diesem Leib um.

Die Liturgie der orthodoxen Kirche empfindet diesen Vorgang der Grablegung in einer eigenen Feier am späten Nachmittag des Karfreitags, im sogenannten „Epitaphios“, der Feier der Beisetzung. Durch die feierliche Bedeckung des symbolischen Leichnams Jesu wird hier der Vorgang der würde- und liebevollen Grablegung vergegenwärtigt und der Liebe zu Christus sichtbarer Ausdruck verliehen.

Auch die Kunstgeschichte hat die Szene der Kreuzabnahme zahllose Male in großer Eindringlichkeit dargestellt. Joseph löst zusammen mit Nikodemus die Nägel Jesu und lässt den Leichnam an den weißen Leinenbinden vorsichtig vom Kreuzesstamm herab. Er wird zuerst seiner Mutter in den Schoß gelegt, damit sie Abschied nehmen kann.

Dann wird er vorsichtig und umsichtig im Felsengrab geborgen. Durch den Stein, der vor das Grab gewälzt wird, möchte Joseph den Leichnam Jesu vor jedem böswilligen und grabschänderischen Zugriff bewahren.

Mit Joseph von Arimathäa bestatten wir die leidenden Glieder am Leibe Christi. Wir bringen ihnen wie Joseph Ehrfurcht entgegen und bergen ihre sterblichen Überreste. Wir legen in den Vorgang der Grablegung und der Trauerfeierlichkeiten unsere ganze Liebe zum gekreuzigten Herrn. Und wir wünschen uns mit Joseph, dass die Grabesruhe der Toten nicht gestört wird.

Joseph von Arimathäa legt Jesus in sein eigenes Grab

Der Evangelist Matthäus erzählt, Joseph habe Jesus in sein eigenes Grab gelegt. Als begüterter Ratsherr hatte er sich ein eigenes Grab in den Felsen schlagen lassen. Aus Verlegenheit, wo er den Leichnam Jesu bergen könnte, entschied er sich kurzerhand dazu, Jesus in seinem eigenen Grab beizusetzen. Was auf den ersten Blick wie eine Verlegenheitslösung aussieht, die aus dem Moment geboren wurde, stellt sich beim zweiten Hinsehen anders dar. Jesus liegt anstelle des Joseph in seinem Grab. Jesus stirbt anstelle des Joseph von Arimathäa. Jesus stirbt stellvertretend auch für Joseph von Arimathäa.

Am Ende erscheint es genau umgekehrt zu sein. Nicht Joseph erweist Jesus einen letzten Liebesdienst, sondern Jesus erweist Joseph den Liebesdienst, indem er seinen Tod stirbt. Das Grab des Joseph wird so unverhofft zum Ort der Auferstehung und des neuen Lebens, des neuen Lebens auch für Joseph von Arimathäa. Weil Christus in unserem Grab liegt, verwandelt er unsere Gräber in Orte der Hoffnung und der Gottesgegenwart.

Joseph von Arimathäa ist in der Grabeskirche in Jerusalem begraben

In der Grabeskirche in Jerusalem wird das Grab des Joseph von Arimathäa verehrt. Er ist beigesetzt in der westlichen Apsis der Rotunde der Grabeskirche. Ein sehr schönes Zeichen: derjenige, der sein eigenes Grab dem Herrn zur Verfügung gestellt hat, darf in der Nähe des Heiligen Grabes bestattet werden und dort zur Ruhe kommen.

Das Heilige Grab ist immer beides: Ort der Erinnerung an das Leiden des Herrn und Zeuge der Auferstehung. So sehnen wir uns im Grunde mit Joseph immer danach, in der Nähe des Herrn beigesetzt zu werden. So hoffen wir mit Joseph von Arimathäa auch selbst Anteil zu erhalten an der Auferstehung.

Der Tat des Joseph von Arimathäa wird bis heute gedacht

Von Joseph von Arimathäa erzählen nur wenige Zeilen der Heiligen Schrift. Doch seine Liebestat und sein Werk der Barmherzigkeit sind unvergessen. Sie gehen uns bis heute nach und bewegen unsere Herzen:

Sein Mut, vor Pilatus hinzutreten und um den Leichnam eines Schwerverbrechers zu bitten;

seine Entschlossenheit, einen Ort zum Abschied von dem Toten zu errichten;

seine Menschlichkeit, die Würde auch eines Hinrichtungsopfers zu wahren;

seine Liebe im Umgang mit dem Leib Christi;

das Wunder, dass der Herr am Ende stellvertretend für Joseph im Grab liegt;

und die Hoffnung des Joseph, mit Christus teilzuhaben an der Macht der Auferstehung.

In Abwandlung des Wortes Jesu über die Frau, die ihn mit dem kostbaren Nardenöl salbte (vgl. Mk 14,9), könnte man sagen:

Amen, ich sage euch: Auf der ganzen Welt, wo das Evangelium verkündet wird, wird man auch erzählen, was er getan hat, zu seinem Gedächtnis.

Die Liebestat an den Toten bleibt als Werk der Barmherzigkeit unvergessen vor Gott.

So beten wir mit der Orthodoxen Kirche:

Der edle Joseph /

nahm ab vom Kreuzesholz Deinen allreinen Leib, /

hüllte ihn in reines Linnen, /

bedeckte ihn mit wohlriechenden Spezereien /

und legte ihn in ein neues Grab.

Als Du hinabkamst zum Tode, Du unsterbliches Leben, /

da hast Du den Hades getötet durch den Blitzstrahl der Gottheit. /

Als Du aber auch die Verstorbenen aus der Unterwelt auferweckt hast, /

da haben alle Mächte der Himmlischen gerufen: /

Lebensspender, Christus unser Gott, Ehre Dir.

Möge Joseph von Arimathäa auch Ihnen Vorbild und Patron sein bei dem wichtigen Dienst der Beisetzung unserer Toten. Auf seine Fürsprache erbitten wir Ihnen heute den Segen des gekreuzigten und des auferstandenen Herrn!