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Im Gespräch

„Die Dringlichkeit von Umweltschutz wurde vielfach nicht wahrgenommen“

Ökumenisches Netzwerk „Kirchliches Umweltmanagement“ blickt auf 20 Jahre zurück – Interview mit Edmund Gumpert, langjähriger Umweltbeauftragter des Bistums Würzburg

Würzburg (POW) Das ökumenische Netzwerk „Kirchliches Umweltmanagement“ hat vor kurzem sein 20. Jubiläum gefeiert. Edmund Gumpert, langjähriger Umweltbeauftragter der Diözese Würzburg, war von Anfang an dabei. Im folgenden Interview erläutert er, wie es zu dem Zusammenschluss kam und was seither bewegt wurde.

POW: Herr Gumpert, vor 20 Jahren wurde das Netzwerk „Kirchliches Umweltmanagement“ aus der Taufe gehoben. Was war der Anlass?

Edmund Gumpert: Das Umweltmanagementsystem der EU – das Eco Management and Audit Scheme (EMAS) – war 1999 über das produzierende Gewerbe hinaus für andere Bereiche geöffnet worden. In einem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Modellvorhaben haben von 2001 bis 2003 16 katholische und evangelische Einrichtungen erprobt, ob und unter welchen speziellen Bedingungen EMAS auch für die Kirchen und ihre Umweltarbeit geeignet ist. Gleich zwei davon stammten aus dem Bistum Würzburg: die Geschäftsstelle unseres Diözesan-Caritasverbandes sowie das Kilianeum-Haus der Jugend. Beide zählten 2003 bundesweit zu den allerersten kirchlichen Einrichtungen mit dem begehrten EMAS-Zertifikat. Um auch nach Abschluss der Projektphase die Zusammenarbeit fortzusetzen und weitere Bistümer und Evangelische Landeskirchen für Umweltmanagement zu gewinnen, haben 13 am Modellvorhaben beteiligte Organisationen – darunter das Bistum Würzburg – das ökumenische Netzwerk „Kirchliches Umweltmanagement“ (kurz: KirUm) im Herbst 2003 in Stuttgart aus der Taufe gehoben. Als Mitglied der Projektleitung habe ich die Entwicklung von der ersten Stunde an unmittelbar miterlebt und mitgestalten können.

POW: Wer waren die treibenden Kräfte hinter dem ökumenischen Netzwerk?

Gumpert: Drei damalige Projektträger möchte ich besonders erwähnen: KATE Stuttgart, ein Verein mit viel Erfahrung aus der Entwicklungszusammenarbeit, bei dem von Beginn an bis heute die kleine Geschäftsstelle des KirUm-Netzwerks angebunden ist, die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) in Heidelberg sowie die nur wenige Jahre bestehende Clearingstelle Kirche und Umwelt (Benediktbeuern). Deren damaliger Leiter Markus Vogt, heute Professor für Sozialethik an der LMU München, hielt kürzlich bei der Jubiläumsveranstaltung am 23. September in Stuttgart den theologischen Hauptvortrag. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg hat ab 2000 das EMAS-Konzept an die Gegebenheiten kleiner Kirchengemeinden angepasst und dafür als eigenes Logo den „Grünen Gockel“ gewählt. Unbedingt erinnert werden muss aber auch an Dr. Karl Hillenbrand, den damaligen Generalvikar des Bistums Würzburg. Erst seine schriftliche Zusicherung, dass Verantwortliche in den Kirchen hinter dem beantragten Modellvorhaben zum Umweltmanagement stehen, hat den Förderbescheid der DBU möglich gemacht. Die erfolgreiche Entwicklung bestätigt ihn: Das Netzwerk wird heute von 74 Bistümern, Landeskirchen, kirchlichen Verbänden wie dem Deutschen Caritasverband und kirchlichen Hilfswerken wie Missio München getragen – in Deutschland und auch der Schweiz. Über 1000 Kirchengemeinden und Einrichtungen praktizieren Umweltmanagement; die meisten sind zertifiziert – nach EMAS oder dem „Grünen Gockel“. Zeitweise waren die Kirchen die Branche mit den meisten Neueintragungen im EMAS-Register – ein starkes Zeichen in die Öffentlichkeit hinein!

POW: Welche Herausforderungen gab es damals konkret zu bewältigen?

Gumpert: Wir mussten wirklich von Null an die Vernetzung aufbauen – mit sehr geringen finanziellen Mitteln, welche die Mitglieder über eine Umlage aufbringen. Seit Frühjahr 2004 verschickt das Netzwerk per Mail vierteljährlich einen „Infodienst“, um sich gegenseitig zu informieren über aktuelle Entwicklungen im Umweltmanagement, über rechtliche Neuerungen und neue Arbeitshilfen, und sich auszutauschen über gute Erfahrungen und Praxisbeispiele. Einmal im Jahr findet ein ganztägiges Netzwerktreffen statt; auch Würzburg war da mehrmals Ausrichter. Erst jetzt, nach 20 Jahren, hält das Netzwerk die bewährten Regelungen in einer „Grundordnung“ fest. Eine Daueraufgabe war und ist es leider immer noch, kirchliche Entscheidungsträger vom Sinn und Nutzen des Umweltmanagements zu überzeugen. Dabei ist längst belegt und unabhängig überprüft, dass sich solch konsequentes und kontinuierliches Vorgehen beim Umweltschutz auch finanziell rechnet – durch Einsparungen etwa beim Verbrauch an Wärmeenergie, Strom, Wasser, Abfallentsorgung. Der Ausstoß an klimaschädlichen Gasen wird verringert, die Umweltleistung verbessert. So gewinnt Kirche neu Respekt und Glaubwürdigkeit in der kritischen Öffentlichkeit – eben durch ihre Taten gelebter Schöpfungsverantwortung. Für die Zertifizierung nach dem „Grünen Gockel“ hat das Netzwerk einen sogenannten „Validierungsstandard“ erarbeitet, der sowohl einheitliche Qualitätsstandards im gesamten Netzwerk gewährleistet als auch die Übereinstimmung mit den Anforderungen der EMAS-Verordnung der EU. Deshalb fördern auch mehrere Bundesländer kirchliche Projekte im Umweltmanagement finanziell. Da EMAS-Gutachter für eine Prüfung kleiner Gemeinden viel zu teuer wären, sind im Netzwerk eigens geschulte Frauen und Männer als sogenannte „Kirchliche Umweltrevisoren“ zugelassen – auch Christof Gawronski, der Umweltbeauftragte des Bistums Würzburg, Siegfried Fuchs aus Bad Neustadt und ich.

POW: Was hat sich in Ihren Augen seither am meisten gewandelt?

Gumpert: Das politische und gesellschaftliche Umfeld – nicht zuletzt durch das Klimaschutzgesetz und die Verpflichtung, in 20 Jahren in Deutschland Klimaneutralität zu erreichen. Die Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland haben Klimaneutralität bis 2035 beschlossen; Vergleichbares kenne ich auf katholischer Seite nur von wenigen Bistümern wie Freiburg und Augsburg. In diesem Prozess der Umstellung, zu der auch die Kirchen verpflichtet sind, kann Umweltmanagement einen wichtigen Beitrag leisten. Inzwischen gibt es – auch im Bistum Würzburg – eine stattliche Zahl haupt- wie ehrenamtlich tätiger Frauen und Männer, die als „Umweltauditoren“ ausgebildet sind und die Einführung von Umweltmanagement begleiten können. Zudem kann man auf die langjährige Erfahrung EMAS-zertifizierter Häuser zurückgreifen – im Gebiet des Bistums Würzburg sind das beispielsweise das Tagungszentrum Schmerlenbach, das Burkardushaus Würzburg, das Jugendhaus Sankt Kilian Miltenberg, ferner das Haus Klara des Klosters Oberzell und das EMAS-zertifizierte Krankenhaus Sankt Josef der Erlöserschwestern in Schweinfurt. Die Benediktinerabtei Münsterschwarzach ist im Bereich Strom und Wärme schon seit Jahren klimaneutral.

POW: Das Umweltengagement der Kirchen scheint nicht mehr nur ein Randthema zu sein.

Gumpert: Richtig. Welche hohe Anerkennung Kirchliches Umweltmanagement genießt, war beim Jubiläum auch an namhaften Gästen abzulesen. Unter ihnen waren Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt (Beauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland für Schöpfungsverantwortung), Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl (Evangelische Landeskirche in Württemberg), Ministerialdirigentin Sybille Hepting-Hug vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg oder Bernhard Schwager vom Umweltgutachterausschuss beim Bundesumweltministerium.

POW: Wie viel Widerstand gab oder gibt es beim Thema Umwelt in den beteiligten Kirchen?

Gumpert: „Widerstand“ halte ich für nicht zutreffend. Der Einsatz so vieler Katholiken in Gemeinden und Einrichtungen für den Umweltschutz wurde oft überhaupt nicht ernst genommen. Umweltengagierte in Gemeinden klagten oft, dass sie bei anstehenden Bau- oder Renovierungsmaßnahmen von den zuständigen Gremien nicht einmal angehört wurden. Professor Markus Vogt charakterisierte bei der Jubiläumsveranstaltung die katholische Kirche in Deutschland als „Nachzügler“ beim Klima- und Umweltschutz (und eben nicht als „Vorreiter“). Die Dringlichkeit von Umwelt- und Klimaschutz wurde vielfach nicht wahrgenommen. Dabei müsste jeder, der sich Papst Franziskus gegenüber als loyal versteht, spätestens seit dessen Enzyklika „Laudato si’“ von 2015 einsehen, dass die „Sorge um das gemeinsame Haus“ (also um die Schöpfung) eine Kernaufgabe jedes Christen und der Kirche ist. Nun sieht sich der Papst genötigt, in „Laudate Deum“ sein Drängen noch zu intensivieren. Mit dem Klimaschutzkonzept werden auch im Bistum Würzburg hoffentlich bald zusätzliche Möglichkeiten erschlossen – mit einem eigenen Klimaschutzmanager, der in enger Kooperation mit den verschiedenen Abteilungen im Ordinariat praktische Maßnahmen fachlich begleiten kann.

POW: Wird es angesichts knapper werdender finanzieller Mittel vielleicht schwieriger, das Thema Umweltschutz in der Kirche präsent zu halten?

Gumpert: Umgekehrt wird es richtig: Nur durch konsequenten Umweltschutz können bei mittlerweile hohen und absehbar weiter steigenden Energiepreisen Kosten eingespart werden, die dringend gebraucht werden etwa für energetische Sanierungen oder soziale Aufgaben. Lange wurde behauptet, durch Umweltschutz würden Maßnahmen teurer. Längst ist im Vorteil, wer frühzeitig auf Energiesparen und erneuerbare Energien gesetzt hat. Es sind überwiegend ehrenamtlich Tätige, die in den Gemeinden die kirchliche Umweltarbeit tragen. Sie „bei der Stange zu halten“ und neue hinzuzugewinnen, ist meines Erachtens entscheidend dafür, wie es hier, also auch beim Umweltmanagement, weitergeht.

POW: Wo sehen Sie das Netzwerk in weiteren 20 Jahren?

Gumpert: Idealerweise hätte es sich entbehrlich gemacht, weil alle Umstellungen hin zu einem klimaneutralen, umweltschonenden Betrieb kirchlicher Gebäude und Einrichtungen erfolgreich abgeschlossen sind. Dahin ist es noch ein weiter Weg. Wenn noch mehr Einrichtungen und Gemeinden Umweltmanagement praktizieren und Führungsebenen Schöpfungsverantwortung als wesentlichen pastoralen Auftrag der Kirche vorantreiben, können wir als Kirche auch in der Gesellschaft wieder aus der Defensive kommen.

Zur Person

Edmund Gumpert war von 1990 bis 2014 Umweltbeauftragter des Bistums Würzburg. Er ist Kirchlicher Umweltrevisor und Redakteur für den „Infodienst“ des KirUm-Netzwerks.

Interview: Markus Hauck (POW)

(4123/1094; E-Mail voraus)

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