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„Die Erinnerung wach halten“

Gedenkstein auf dem Gelände der ehemaligen jüdischen Synagoge enthüllt – Oberbürgermeisterin Dr. Pia Beckmann: Hass, Gleichgültigkeit und Ablehnung entschlossen entgegen treten
Würzburg (POW) Aus Anlass der Einweihung vor 165 Jahren haben auf dem Gelände der ehemaligen jüdischen Synagoge in der Domerschulstraße am Freitag, 8. September, Vertreter der jüdischen Gemeinde, der katholischen und der evangelischen Kirche und der Stadt Würzburg einen Gedenkstein enthüllt. An der Veranstaltung nahmen neben zahlreichen kirchlichen und weltlichen Würdenträger unter anderem Bischof em. Dr. Paul-Werner Scheele, Landtagsvizepräsidentin Barbara Stamm, Landtagsabgeordneter Professor Dr. Walter Eykmann, Regierungspräsident Dr. Paul Beinhofer und Bezirkstagspräsident Albrecht Graf von Ingelheim teil.

„Die Ereignisse des 9. November 1938 machten alle Hoffnungen auf ein weiteres Wachsen und Blühen der jüdischen Gemeinde zunächst zunichte“, sagte Dr. Josef Schuster, Vorsitzender der Israelitischen Gemeinde Würzburg und Unterfranken. Bis zu diesem Zeitpunkt sei unter Rabbiner Seligmann Bär-Bamberger und seinen Nachfolgern in der 1841 eingeweihten Synagoge die jüdischen Gemeinde zu einer Einheit unter orthodox-traditioneller Führung gewachsen, die aber auch tolerant war gegenüber anderen Strömungen des Judentums. Die Wiedernutzung des Grundstücks nach dem Krieg habe sich für die überlebenden Juden als nahezu unmöglich erwiesen: Das oberste amerikanische Wiedergutmachungsgericht habe die nach dem Krieg entstandenen jüdischen Gemeinden nicht als Rechtsnachfolger der früheren jüdischen Gemeinden angesehen. Ehemals jüdische Grundstücke wie das, auf dem die Synagoge stand, seien von der „Jewish Restitution Successor Organisation“ verkauft worden.

Nach längeren, „nicht immer einfachen, aber stets konstruktiven Verhandlungen“ mit der Diözese, die das Gelände 1952 von der Stadt Würzburg gekauft hatte, sei das Gelände 1998 zurückerworben worden. Nach der Fertigstellung des Diözesanarchivs sei die Gestaltung des Areals in Angriff genommen worden. Der Stein, aus dem die Gedenkplatte gemeißelt ist – vermutlich eine alte Altarplatte, sei bei den Bauarbeiten entdeckt worden und von Domkapitular Dr. Jürgen Lenssen zur Verfügung gestellt worden. Er habe die Hoffnung, dass sich durch die räumliche Nähe zur katholischen wie zur evangelischen Kirche die gute Nachbarschaft noch weiter vertiefe, betonte Schuster.

Die Standorte jüdischer Synagogen haben über die Jahrhunderte wiederholt gewechselt. Dennoch sei gerade die Synagoge in der Domerschulstraße besonders wichtig, weil während dieser Zeit die Juden in Deutschland erstmals bürgerlich gleichberechtigt waren, betonte Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand in seinem Grußwort. „Das mit ihr verbundene Gefühl der Zugehörigkeit kommt ja schon im Programm zur Synagogeneröffnung von 1841 zum Ausdruck, wo es heißt, dass die Einweihungsrede des Rabbiners mit einem Gebet für die ‚gesamte hiesige Einwohnerschaft’ schließt.“ Bischof Scheele habe sich von Anfang an offen für den gewünschten Rückerwerb gezeigt. Erst als sich abzeichnete, dass an dieser Stelle das seit Jahrzehnten geplante Diözesanarchiv errichtet werde, sei die jetziger Lösung realisiert worden. „Es fügt sich sehr sinnvoll, dass einem Gelände, das dazu dient, kirchliche Zeugnisse vor dem Vergessen zu bewahren, ein Ort unmittelbar benachbart ist, der die Erinnerung an den jüdischen Glauben und seine wechselvolle Geschichte hier in Würzburg wach hält.“

„Mich bewegt immer wieder neu die Tatsache, dass meine Kirche schwieg, als wenige Meter von Sankt Stephan die Synagoge zerstört wurde“, sagte der evangelische Dekan Dr. Günter Breitenbach. Er verwies auf den Propheten Habakuk, der geschrieben hat: „Wenn diese schweigen, werden die Steine schreien.“

Bereits im Hochmittelalter habe Würzburg eine hoch organisierte jüdische Gemeinde beheimatet, die in Bildung, Kultur und Religion europäischen Rang besessen habe, sagte Oberbürgermeisterin Dr. Pia Beckmann. Ein Pogrom im Jahr 1349 habe diese Epoche jäh beendet. Erst mit der 1841 eingeweihten Synagoge habe sich eine zweite Blüte des Würzburger Judentums entfaltet: „Jüdische Mitbürger spielten im wirtschaftlichen, kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Leben unserer Stadt eine wichtige und verdienstvolle Rolle.“ Mit Trauer und Scham gedenke man in Würzburg der Entrechtung, Verfolgung und Ermordung der jüdischen Mitbürger.

„Jeder von uns ist aufgerufen, dem Ungeist der Gleichgültigkeit, der Ablehnung und des Hasses entschlossen entgegenzutreten“, sagte die Oberbürgermeisterin. Durch die Übereinkunft von 1998, mit der die Diözese das Grundstück zum Preis von 1952 an die jüdische Gemeinde zurückgab, sei das Vertrauen auf ein dauerhaftes gutes Miteinander von Juden und Christen gestärkt worden.

mh (POW)

(3706/1224; E-Mail voraus)

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