Würzburg (POW) Soldaten, Jünger und Pharisäer bilden eine amorphe Masse von Fratzen. Ein Strudel aus Farben sowie ein Pinselstrich, der sehr spontan und dynamisch wirkt, sprechen den Betrachter in ungewohnter Weise an. Das auffälligste und verbindende Element der 14 großformatigen Kreuzwegstationen von Cäsar W. Radetzky ist die blaue Dornenkrone. 2014 schenkte der Künstler den Zyklus der Kunstsammlung der Diözese Würzburg. Jetzt werden die Gemälde – mit zahlreichen weiteren Werken aus dem gesamten Schaffen Radetzkys zu einer großen Retrospektive vereint – bis 24. Juni erstmals in einer Sonderausstellung im Würzburger Museum am Dom gezeigt.
Wer vom Namen des Künstlers an den berühmten Marsch von Johann Strauß erinnert wird, liegt übrigens richtig: Der 1939 in Nürnberg geborene und heute in München lebende Maler ist ein Urururenkel des Feldmarschalls, dem mit dem „Radetzky-Marsch“ ein musikalisches Denkmal gesetzt wurde. Die Malerei, die in der Sonderausstellung im Mittelpunkt steht, ist aber nur eine Facette im vielseitigen Schaffen von Cäsar W. Radetzky: Er widmete sich bisher unter anderem auch der Fotografie und dem Medium Film. Zudem hegt er seit einem Studienaufenthalt in Italien eine Liebe zur italienischen Küche und ist Co-Autor von drei Kochbüchern.
Die grundsätzlichen Themen des menschlichen Daseins, „von den tiefsten Abgründen bis zu den höchsten Höhen“, sind nach den Worten von Kurator Michael Koller, kommissarischer Leiter der Museen der Diözese Würzburg, in allen Gemälden Radetzkys deutlich zu finden, der in München, Florenz, Paris und Salzburg Malerei studierte. „Er macht dabei auch vor unangenehmen Fragen nicht Halt“, sagte Koller bei einer Presseführung am Freitag, 23. März. Radetzky verstehe es, Farben, Formen, Licht und Schatten so zu komponieren, dass der Betrachter „reflexhaft ergriffen“ werde. Ganz besonders komme das in dem Kreuzwegzyklus „Die blaue Krone“ zum Tragen. Hier gelinge es dem Maler zudem, bislang für dieses Motiv typische Darstellungsweisen – beispielsweise aus der Bildsprache der Nazarener – erfrischend aufzubrechen.
Koller hob aus den Kreuzwegstationen die Begegnung Jesu mit Simon von Cyrene und die Station „Jesus stirbt am Kreuz“ hervor. „In der Zuwendung des Simon, in der Bewegung seiner Hände, die den leidenden Jesus umarmen, bekommt die Szene eine herausragende emotionale Tiefe.“ Der sterbende Jesus werde nur seitlich im Profil gezeigt, der Querbalken des Kreuzes erscheine gar nur als dunkle Farbfläche. Typisch für den Künstler sei es zudem, dass er von vielen Inhalten ganze Reihen schaffe, da er Themen gerne aus verschiedenen Perspektiven bearbeite, um sie in ihrer Tiefe zu durchdringen. Mehr als 20 Zyklen in verschiedenen Formen und Umfängen finden sich bislang auf dessen Werkliste, darunter die für die Sonderausstellung namensgebenden Kreuzwegstationen „Die blaue Krone“.
„Diese Arbeit entstand auf Anregung von Monsignore Gerhard Ott, Leiter der Münchener Künstlerseelsorge“, erzählte Radetzky. Da die Darstellung des Leidens und Sterbens Jesu in den Evangelien sehr knapp gehalten sei, habe er sich von den Visionen der Katharina Emmerich inspirieren lassen. Der Jazzgeiger Hannes Beckmann komponierte zu den Gemälden zeitgenössische Musik, die bei der ersten öffentlichen Präsentation des Kreuzwegzyklus' in der Münchener Basilika Sankt Bonifaz uraufgeführt wurde und auf CD erhältlich ist. An zwölf Orten wurden die 14 Bilder seither gezeigt, teilweise in Kombination mit Konzerten, als Teil einer Ausstellung oder als einzelne Ausstellung. „Ich hätte einzelne Gemälde für horrendes Geld verkaufen können. Hier im Museum am Dom aber hat der Kreuzweg als Ganzes den richtigen Platz“, betonte Radetzky.
Auch aktuelles Weltgeschehen findet einen Niederschlag in Gemälden Radetzkys. Ein monumentales Triptychon beschäftigt sich mit dem schwierigen und mitunter feindseligen Umgang der Weltreligionen miteinander. Zwei der jüngsten Bilder der Ausstellung thematisieren die Fluchtbewegungen der Gegenwart. Dunkelheit, Chaos und schemenhafte Gesichter auf einer Seite kontrastiert der Maler jeweils mit einem geordneten und fröhlichen Tapetenmuster in der gegenüberliegenden Ecke.
Besonders spannend für Besucher der Ausstellung ist neben dem Beobachten der Entwicklung des Künstlers von Abstraktion in den 1980er Jahren zu dem ihm eigenen figurativen Stil ein weiteres Element: Es finden sich zahlreiche Entwürfe, die zeigen, wie viel Vorarbeit und Mühe hinter den Gemälden Radetzkys stecken. „Ich male sehr gerne mit Ölfarben. Das bedeutet, ich zeichne sehr gründlich vor, übermale, hole wieder hervor“, sagte der Maler. Die Farbe der Dornenkrone bei den Kreuzwegstationen habe er bewusst gewählt: „Für mich symbolisiert Blau die Hoffnung.“
Zu sehen ist die Ausstellung bis Sonntag, 24. Juni, im Museum am Dom in Würzburg. Näheres zu den Öffnungszeiten sowie zum umfangreichen Begleitprogramm der Sonderausstellung im Internet unter www.museum-am-dom.de.
mh (POW)
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