Niedernberg (POW) „Wenn das Wasser am Main so ansteigen würde wie damals an der Ahr, dann hätten wir in unserer Bücherei einen Meter hoch das Wasser stehen“, sagt Siegbert Hartlaub. Der 57-Jährige leitet zusammen mit seiner Frau Karla die Katholische Öffentliche Bücherei (KÖB) in Niedernberg (Landkreis Miltenberg) und hat mal ausgerechnet, was denn passieren würde, wenn eine Katastrophe wie im Ahrtal seine Heimat am Untermain treffen würde. Am 15. Juli 2021 war er genauso entsetzt wie der Großteil der Bevölkerung von den Bildern der Zerstörung dort. „Wir haben gleich gesagt, wir müssen irgendwas tun“, erzählt Hartlaub im Rückblick. Mit seiner Frau und vielen anderen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen startete er die Hilfsaktion „Büchereien am bayerischen Untermain helfen beim Wiederaufbau im Ahrtal“, die am Dienstag, 18. Juli, vom Sankt Michaelsbund, einem katholischen Medienhaus mit Sitz in München, mit dem Michaelspreis ausgezeichnet wird.
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Hartlaub fing damals an zu recherchieren. „Wir haben uns gedacht: Es muss dort doch auch Büchereien geben, die betroffen sind.“ Doch die KÖB Sankt Laurentius in Ahrweiler war per Mail aus nachvollziehbaren Gründen nicht zu erreichen. Dem Pfarrer von Niedernberg gelang es dann, über den Pfarrer von Ahrweiler einen Kontakt zur dortigen Büchereileitung herzustellen. Es bestätigte sich, dass die dortige Einrichtung durch die Flutkatastrophe weitgehend zerstört war. Doch das KÖB-Team in Ahrweiler signalisierte auch, dass sie die Einrichtung wieder aufbauen wollen. Natürlich hatten bei den Ehrenamtlichen dort die persönlichen Schäden zunächst einmal Vorrang und man ging davon aus, dass man bis zu einer Wiedereröffnung mindestens zwei Jahr brauchen würde.
Für die Hartlaubs war diese Auskunft dennoch das Signal zum Loslegen. Einen Aufruf mit der Bitte um Unterstützung des Projektes folgten 25 Büchereien aus den Landkreisen Aschaffenburg und Miltenberg sowie einige andere Organisationen. Es wurden sehr schnell Benefizaktionen geplant und durchgeführt. Rund 130 Verlage bekamen einen Brief von der Initiative mit der Bitte um Medienspenden. Ein Möbelhersteller spendete Einrichtungsmöbel im Wert von über 15.000 Euro. Höhepunkt war ein großer Benefizflohmarkt, der im Mai 2022 in der Hans Herrmann-Halle in Niedernberg stattfand und bei dem 15.000 Medien zum Verkauf angeboten wurden. „Der Erlös war gigantisch. Insgesamt haben wir deutlich über 20.000 Euro zusammenbekommen, dabei warf der Erlös des Benefizflohmarktes allein 9000 Euro ab“, erzählt Hartlaub. Man merkt ihm an, dass er es bis heute kaum fassen kann, wie groß die Hilfsbereitschaft war, die dieser Initiative entgegengeschlagen ist.
Während der Zeit des Spendensammelns intensivierte sich nach und nach auch der Kontakt zum Büchereiteam in Ahrweiler. Hartlaub war schon ganz am Anfang mal vor Ort und half, in der beschädigten Bibliothek den Putz abzuschlagen und den Boden herauszureißen. Für ihn war das einerseits ein schönes Erlebnis, weil der Umgang der Helfer untereinander sehr herzlich und liebevoll gewesen sei. „Aber das Leid und das Elend zu sehen, war auch sehr anstrengend“, gibt er zu. Später haben die Niedernberger immer wieder Buchpakete persönlich vor Ort gebracht, und einmal kam Beate Sebastian, die Büchereileiterin der KÖB Sankt Laurentius, auch zu Besuch an den Untermain.
Schon seit 1981 arbeitet Hartlaub im Büchereiteam mit, seit 2003 ist er Büchereileiter. Die Einrichtung ist für ihn nicht nur ein Ort, an dem man Bücher und andere Medien ausleiht, hier findet auch Begegnung und Austausch statt, angeregt immer wieder auch durch Veranstaltungen, die das Team organisiert. Das Projekt „Büchereien am bayerischen Untermain helfen beim Wiederaufbau im Ahrtal‘“ dürfte dabei wohl das aufwendigste Projekt in der Geschichte der Einrichtung gewesen sein. Es ist inzwischen abgeschlossen. Schon im Oktober 2022 konnte die Bücherei in Ahrweiler wieder in einem provisorischen Raum eröffnet werden. Das war deutlich schneller als die anfangs prognostizierten zwei Jahre. Doch nicht nur das freut Hartlaub heute: „Was bleibt, ist die Freundschaft, denn wir sind in regelmäßigem Austausch und es ist ein sehr enger Kontakt entstanden.“ Als weitere Frucht der Aktion sieht er die verbesserte Vernetzung der Bibliotheken am Untermain, die sich durch das Projekt ergab. Das Zusammenarbeiten von so vielen Einrichtungen über Landkreisgrenzen hinweg bewertet er als etwas Besonderes, von dem man auch in Zukunft noch profitieren könne.
Wenn er jetzt zusammen mit seiner Frau am 18. Juli in München den Michaelspreis entgegennimmt, ist es Hartlaub wichtig, dass er das auch stellvertretend für die vielen Ehrenamtlichen tut, ohne die dieses Projekt gar nicht möglich gewesen wäre. „Das war ein riesengroßes Team, das das erreicht hat“, sagt er und will dafür sorgen, dass diese Tatsache bei der Preisverleihung nicht untergeht.
bv (POW)
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